Friedhof I der Georgen-Parochialgemeinde

Friedhof und Kulturdenkmal in Berlin
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Der Friedhof I der Georgen-Parochialgemeinde, vormals Georgenfriedhof genannt, ist mit Einweihung in 1814 der älteste erhalten gebliebene der Friedhöfe der Berliner Evangelischen Georgen-Parochialgemeinde. Die Anlage ist ein aktiver Begräbnisplatz und steht unter Denkmalschutz als Garten- und Kulturdenkmal.[1] Er befindet sich im Ortsteil Prenzlauer Berg, Greifswalder Straße 229 und grenzt an den 1857 eröffneten Neuen Friedhof St. Marien-St. Nikolai, zu dem ein Durchgang möglich ist.

Friedhof I der Georgen-Parochialgemeinde
Georgen-Parochial-Friedhof I
Park in Berlin
Friedhof I der Georgen-Parochialgemeinde
Grabmal Pintsch und Kühne
Basisdaten
Ort Berlin
Ortsteil Prenzlauer Berg
Angelegt 1814
Neugestaltet 1970; 1911; 2014
Umgebende Straßen Prenzlauer Berg, Greifswalder Straße
Bauwerke zahlreiche Grabkapellen
Nutzung
Nutzergruppen Fußgänger
Technische Daten
Parkfläche 41.481 m²

Geschichte

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Am 30. April 1814 erwarb die St. Georgen-Gemeinde "einige Weinbergsstücke" vor dem damaligen Königstor, um dort einen neuen Kirchhof anzulegen.[2] Er ersetzte den 1693 an der Langen Scheunengasse, der späteren Kleinen Alexanderstraße angelegten Georgenkirchhof, der aufgehoben worden war, nachdem seitens des Magistrats verfügt worden war, dass „in bewohnten Gegenden keine Leichen beerdigt werden sollen“.

Bereits am 29. Mai desselben Jahres wurde der Zuckersieder-Meister Johann Christian Düring dort beigesetzt. Der Kirchhof erhielt zu dieser Zeit im Volksmund die Bezeichnungen „Weinbergskirchhof“ oder „Düring'scher Begräbnisplatz“.[3] Das schlichte Eisen-Denkmal, das darauf hinwies, dass er als Erster diesem Ort in der Hoffnung auf Ewiges Leben anvertraut wurde, ist bedauerlicherweise nicht mehr erhalten.

Der Liederdichter und Schriftsteller Emanuel Christian Gottlob Langbecker (31. August 1792 – 24. Oktober 1843) beschrieb die Atmosphäre des Ortes 1827 in der Publikation "Geschichte der St. Georgen-Kirche in Berlin" mit folgenden Worten:

„Auf ihm schlummern sanft die irdischen Ueberreste vieler theurer Personen, deren stille Grabeshügel, im Strahle der Frühlingssonne, umschattet vom Dunkel grüner Zweige, sich mit Blumen schmücken, um dem Pilger durchs Erdenthal im lieblichen Bilde den lichten Blumenkranz des ewigen Lebens vor die Heimweh fühlende Seele zu führen.“[4]

Während auf dem Koppe’schen Friedhof die Armen der Gemeinde kostenfrei beigesetzt wurden,[5] war der Georgen-Kirchhof für die wohlhabenderen Bürger, Gewerbetreibende und Kaufleute attraktiv, die die Bestattungsgebühren aufbringen konnten. Viele dieser Honoratioren der Berliner Stadtgesellschaft sicherten sich schon zu Lebzeiten ein Erbbegräbnis und ließen Mausoleen, Gruften, Wandgräber oder andere architektonische Denkmäler für ihre Familien errichten.

Die Anlage des Friedhofs ist durch unregelmäßige Grabfelder mit Haupt- und Queralleen strukturiert. Die Beisetzungen erfolgen, bis auf die Erbbegräbnisse, die sich an prominenten Stellen der Anlage befinden, im Reihengrab. Historische Elemente, wie die ursprüngliche Friedhofsmauer mit den ersten Erb- und Pastorenbegräbnissen aus der Zeit ab 1815, sind bis heute erhalten geblieben.

Wegen der hohen Belegungsrate waren bereits 1832 und 1842 Erweiterungen erforderlich. Allein im September 1837 verstarben 432 Mitglieder der Gemeinde.[6] Epidemien wie Cholera, Krankheiten wie Tuberkulose sowie hohe Kinder- und Müttersterblichkeit führten zu einem enormen Bedarf an Begräbnisplätzen. Da die Kremierung in Berlin erst ab 1911 erlaubt war, erfolgten Bestattungen im Sarg, was zu einer drastischen Flächenknappheit führte. Verstorbene wurden in Zinksärgen beigesetzt, um den Körper für die Wiederauferstehung zu konservieren. Diese Bestattungsform trug zur Platznot bei, und viele Särge sind noch heute in den Gräbern erhalten. Erst 1848 wurde der neue Friedhof an der Landsberger Allee / Friedenstraße eröffnet, um mehr Fläche für die Beisetzungen zu schaffen.[7]

 
Die Trauernde, Figur auf GP1

Am 11. Dezember 1861 wurde an der Greifswalder Straße die Friedhofskapelle, ein spätklassizistischer Klinkerverblendbau, von Christian Ludwig Couard, dem Zweiten Prediger der St. Georgen-Kirche, eingeweiht. Diese Kapelle wurde im Jahr 1890 erweitert, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb von der Kapelle lediglich eine Ruine erhalten. Umfassende Wiederaufbauarbeiten waren notwendig, damit die Trauerhalle ab März 1951 erneut in Gebrauch genommen werden konnte.[8]

Der Magistrat von Ost-Berlin hatte im Einvernehmen mit der evangelischen Kirchengemeinde den Friedhof im Jahr 1970 geschlossen.

Seit 1991 sind jedoch wieder Bestattungen möglich, eine umfassende Sanierung der Anlage fand statt. Die geplante Umwidmung nicht mehr benötigter Flächen des Georgen-Parochial- und des benachbarten Neuen Friedhofs St. Marien-St. Nikolai zu Bauland wurde nach Einsprüchen von Anliegern vorerst gestoppt.

Auf dem Plateau hat sich ein einmaliges Erbbegräbnisquartier erhalten. Herausragend auf dem höchsten Punkt des Friedhofs gelegen, bilden die Kleinarchitekturen eine Art Bekrönung des Geländes. Wie in der realen Stadt, wird hier auch von einer „Stadtkrone“ gesprochen. Der Grabtempel der Familie Pintsch, die Mausoleen Zeitler, Wolff, Trobach-Schildert und Dellschau, die Wandgräber und die Gittergrabstätten prägen wie öffentliche Bauten und Kirchen in der Stadt die Erscheinung der „Totenstadt“.

Auffallend ist die große Anzahl besonders vielfältig und aufwändig gestalteter Grabstätten mit einfassenden eisernen Gittern. Gefertigt aus Schmiedeeisen und Gusseisen zeigen sie die ganze Stilvielfalt und eine große formale Fantasie – etwa in der Gestaltung der Symbole. In den beiden Weltkriegen 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945 wurden Bronze-Grabgitter als Materialreserve der Kriegsproduktion eingeammelt und eingeschmolzen. Sie gerieten auch als Zeichen der Trennung von „mein und dein“ nach dem Tod aus der Mode. Der hohe Pflegeaufwand und die damit verbundenen Kosten führten nach 1945 zu weiteren, massiven Verlusten. Vom einstigen Reichtum an Grabgittern ist nur ein kleiner Rest erhalten, etwa zehn Prozent des Bestandes vor 1914.

Besondere Aktivitäten

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Ausstellung Begräbniskultur
 
Grabmal Pintsch zur Friedhofsnacht

Am 6. April 2014 wurde ein Bereich auf dem Friedhof eröffnet, auf dem ausschließlich Lesben bestattet werden. Er erstreckt sich über ein 400 m² Quadratmeter großes, zuvor verwildertes Gelände und bietet Platz für etwa 80 Grabflächen (Urnen und Erdgräber).[9] Die Anlage dieses speziellen Friedhofs geht auf eine Initiative der Sappho-Stiftung zurück. Am Rande der Wiese wurde eine bunte Fotowand mit Porträts der Verstorbenen aufgestellt, damit die Frauenliebe nicht anonym bleibt, sondern „Gesicht zeigt“.[10]

Im Oktober 2022 eröffnete eine Open Air-Dauerausstellung mit elf Informationspulten über die Bestattungskultur des 19. Jahrhunderts sowie insbesondere über die christliche Symbolsprache auf dem historischen Plateau rund um die alte Friedhofsmauer und an den Straßen der Gittergrabfelder. Eine neu gestaltete und in Anlehnung an den ehemaligen Weinberg mit Weinranken bepflanzte Freifläche lädt zum Verweilen, Trauern, Austausch und zum Besuch von Kulturprojekten ein.

Der Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte organisiert gelegentlich Veranstaltungen auf dem Friedhofsgelände. So fand am 23. Juni 2023 etwa eine Friedhofsnacht statt, bei der Musik (ein Quartett der Berliner Symphoniker spielte), Lesungen (Jacob Hein las Texte zum Thema Vergänglichkeit), Theateraufführungen und thematische Rundgänge für Interessierte angeboten wurden. Ausgewählte Monumente wurden dabei besonders illuminiert.[11]

Im Juli 2024 wurden von Neele Illner unter dem Titel Zwischen Himmel und Erde Geschichten, Mythen und Märchen von Menschen und Bäumen, vom Sterben und Weitermachen, von Höhen und Höhlen des Lebens unter der großen Kastanie auf der Kultur-Freifläche präsentiert.

Im August 2024 sendete der rbb in der Abendschau einen Beitrag über das Projekt der Grabpatenschaft, das die Erhaltung der historischen Grabanlagen sichern soll.[12]

Seit 2022 vermitteln Führungen, wie zum Tag des offenen Denkmals oder zu anderen Anlässen, Einblicke in die Besonderheiten des Ortes, die Bestattungskultur und informieren über das Leben und Wirken der dort Bestatteten.

 
Grabmal Alst

Bestattete Personen der Berliner Stadtgesellschaft (Auswahl)

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Die Totenbücher der Erbbegräbnisse (1815–1945) sowie die Stellenbücher der Reihengräber (ab 1850) haben beide Weltkriege unbeschadet überstanden und befinden sich heute im Archiv des Evangelischen Friedhofsverbands Berlin. Bereits in den 1930er Jahren führten der „Gräberkommissar“ Ernst von Harnack und der Heimatforscher Willi Wohlberedt Recherchen zu Persönlichkeiten von öffentlichem Interesse auf dem Georgenkirchhof I durch.

1814–1849

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Mausoleum Zeune
  • Johann Christian Düring, Zuckersieder-Meister (beerdigt 29. Mai 1814), Erstbestatteter
  • Johannes Koch, Erster Pastor an St. Georgen (beerdigt 1818)
  • Carl Johann Passow, Königlicher Mühlen-Meister (beerdigt 11. August 1825)
  • Carl Sperling, Ratsmaurermeister, (beerdigt 16. Februar 1829), Schwiegervater des Johann Christoph Bendler
  • Friedericke von Arnauldt, geb. Müller (beerdigt 6. August 1833)
  • Ernst Gottfried Kleinstüber, kgl.-preuß. Münz-Mechanikus (1773–1834)
  • Carl Friedrich Neumann, Königlicher Kammerdiener (beerdigt 7. September 1835)
  • Hans Ernst von Kottwitz, Philanthrop (1757–1843)
  • Raphael Friedrich (Rudolf) Cerf, Theaterimpresario/Gründer des Viktoria-Theater (1782–6. November 1845), israelitisch, 1818 evangelisch
  • Ernst Wilhelm Dionysius Holfelder, Rittergutsbesitzer (beerdigt 8. April 1847)
  • Carl Friedrich Alst, Drechsler-Meister (beerdigt 29. Oktober 1849)
 
Mausoleum Zeitler

1850–1879

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Grabmal Franz Wallner
 
Grabmal Kühne

1880–1899

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1900–1929

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1930–1945

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Weitere ausgewählte Grabstätten

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Familiengrabstätte des Gründers der Bötzow-Brauerei

Auf dem Friedhof befinden sich die Grabstätten bedeutender Persönlichkeiten, so von Wilhelm Kitto, Hans Skirecki, Werner Sellhorn, Ernst-Georg Schwill und Helga Göring, insgesamt 7 Erbbegräbnisse der Brauereidynastie Bötzow, darunter fünf Wandgräber und zwei mittlerweile eingeebnete Gittergrabstellen.

In einem Projekt zu Gefallenendenkmälern sind alle auf diesem Friedhof ermittelten bestatteten Personen in einer Liste zusammengefasst.[13]

Literatur

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  • Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Grabstätten. Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, Berlin 2006. ISBN 3-7759-0476-X.
  • Klaus Hammer: Friedhofsführer Berlin. Jaron Verlag GmbH 2001, ISBN 3-89773-081-2.
  • Heinrich Trost et al.: Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR - Hauptstadt Berlin I. Henschel, Berlin 1983.

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Friedhof I der Georgen-Parochialgemeinde
  2. Emanuel Christian Gottlob Langbecker: Geschichte der St. Georgen-Kirche in Berlin. 11. Februar 1827, S. 35.
  3. Emanuel Christian Gottlob Langbecker: Geschichte der St. Georgen-Kirche in Berlin. 11. Februar 1827, S. 35.
  4. Emanuel Christian Gottlob Langbecker: Geschichte der St. Georgen-Kirche in Berlin. 11. Februar 1827, S. 36.
  5. Wilhelm Wegener: Geschichte der St. Georgen-Kirche und Gemeinde zu Berlin. 31. Oktober 1889, S. 53.
  6. Wilhelm Wegener: Geschichte der St. Georgen-Kirche und Gemeinde zu Berlin. 31. Oktober 1889, S. 53.
  7. Kerstin Hentschel, Martina Jesse: Historische Friedhöfe in der Mitte Ost-Berlins. Hrsg.: Projektgruppe "Erhebung und Aufbereitung von Umweltdaten auf Friedhöfen". Berlin 1995, S. 14.
  8. Kerstin Hentschel, Martina Jesse: Historische Friedhöfe in der Mitte Ost-Berlins. Hrsg.: Projektgruppe "Erhebung und Aufarbeitung von Umweltdaten auf Friedhöfen". Berlin 1995, S. 14 f.
  9. Friedhof für Lesben in Prenzlauer Berg, Der Tagesspiegel, 6. April 2014.
  10. Sichtbar über den Tod hinaus. In: Berliner Zeitung, 18. Juli 2017, S. 10.
  11. Berliner Woche, Ausgabe für Lichtenberg, Fennpfuhl, Hohenschönhausen (Hrsg.): Friedhofsnacht am Prenzlauer Berg. Berlin 17. Juni 2023, S. 10 (auch online auf mein.kiez.de).
  12. rbb 24 Abendschau: Friedhöfe in Berlin. In: Evangelischer Kirchenkreis Berlin Stadtmitte. 20. August 2024, abgerufen am 20. August 2024.
  13. Denkmalprojekt, abgerufen am 15. März 2011.

Koordinaten: 52° 31′ 44″ N, 13° 25′ 27″ O