Fritz Sdunek
Fritz Sdunek (* 18. April 1947 in Lüssow; † 22. Dezember 2014 in Hamburg[1]) war ein deutscher Amateurboxer und Boxtrainer.
Amateur
BearbeitenSdunek begann 1963 mit dem Boxen bei der BSG Lokomotive Greifswald, 1969 wechselte er zum SC Traktor Schwerin, für den er bis zu seinem Karriereende 1972 boxte. Er gewann als Boxer 99 von 129 Kämpfen, sein größter Erfolg war der Gewinn des Studentenmeistertitels der DDR.
Trainerkarriere
BearbeitenDirekt im Anschluss an seine aktive Karriere wurde er beim SC Traktor Schwerin Trainer und blieb dem Verein bis 1989 treu; er trainierte dort unter anderem Andreas Zülow, der 1988 in Seoul Olympiasieger im Leichtgewicht wurde. Sein Studium an der Deutschen Hochschule für Körperkultur beendete Sdunek 1979 mit dem Abschluss als Diplom-Sportlehrer. Überdies war er auch mehrere Jahre als Assistent des DDR-Auswahltrainers Günter Debert tätig.[2] 1988 erhielt er in der DDR für seine Leistungen als Trainer den Orden Banner der Arbeit (Stufe I).[3]
1990 bis 1993 war Sdunek Trainer in der Boxabteilung des TSV Bayer Leverkusen, er betreute schon dort Dariusz Michalczewski, mit dem er 1991 in Göteborg Amateureuropameister wurde. Parallel zu seiner Trainertätigkeit in Leverkusen war er von 1991 bis 1992 Trainer der niederländischen Nationalmannschaft. Unter seiner Führung gewann Arnold Vanderlyde die Silbermedaille im Schwergewicht bei den Amateurweltmeisterschaften 1991 in Sydney. 1993 bis 1994 war er außerdem Bundestrainer beim DABV.
Seit 1994 war Sdunek als Trainer bei Universum Box-Promotion angestellt, zuerst als Konditionstrainer und ab 1996 als Cheftrainer. In dieser Funktion gesellte er sich zu den erfolgreichsten deutschen Boxtrainern jener Zeit. 2009 zog sich Sdunek aus gesundheitlichen Gründen auf Anraten seiner Ärzte infolge einer Krebserkrankung und Herzproblemen von seiner Trainertätigkeit weitgehend zurück; die von ihm bis dahin betreuten Boxer wurden weitgehend von seinen Kollegen Michael Timm, Magomed Schaburow und Artur Grigorian übernommen.
2010 beendete Sdunek seine Trainertätigkeit bei Universum Box-Promotion – nach Angaben des Boxstalls wegen einer bevorstehenden Hüftoperation – endgültig. Er trainierte aber weiterhin Schwergewichtsweltmeister Vitali Klitschko und Ex-WBA-Mittelgewichtsweltmeister Felix Sturm. Seit 2013 trainierte Sdunek zudem den aufstrebenden Mittelgewichtler Jack Culcay.[4] Im Herbst 2014 trainierte er Ruslan Chagayev.[5]
Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit
BearbeitenVon 1970 bis 1989 war Sdunek als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig. Das für den SC Traktor Schwerin zuständige Referat 3 der Abteilung XX der MfS-Bezirksverwaltung Schwerin führte ihn unter dem Decknamen „Frank“ (Registriernummer: II 278/70). Die IM-Akte von „Frank“ existiert nicht mehr.[6][7]
In seiner Autobiografie aus dem Jahr 2012 schreibt Sdunek hingegen, dass er von MfS-Mitarbeitern erst seit 1979 und eher offiziell sowie lediglich locker und unverbindlich, aber regelmäßig zu Sportlern und Vorgängen im Club befragt worden sei. Dem MfS habe er über die Sportler nicht mehr erzählt als unbedingt notwendig war.[8] Sduneks Tätigkeit für die Staatssicherheit erfolgte stets verdeckt. Doch war damals allgemein bekannt, dass er über ständige, gute Arbeitskontakte zur DDR-Sportpolitik verfügte.[9] Aus den Stasi-Akten geht hervor, dass Sdunek dem MfS mehr mitteilte als nur das Nötigste. Im Fall Dirk Schäfer war er Teil eines Maßnahmeplans zur Zersetzung des Boxers und berichtete, dass sein Boxschüler „idiotisch und überspitzt denken“ würde.[10] Es ist belegt, dass er ausführlich Stellung zur politischen Orientierung, zur sportlichen Leistung, zur Westverwandtschaft und zur Persönlichkeit seiner Schützlinge nahm.[11]
Privates und Tod
BearbeitenSdunek war verheiratet und Vater von drei Kindern. Im Herbst 2009 wurde Sdunek zum Ehrenbürger seiner Geburtsgemeinde Lüssow, seit 2010 zu Gützkow gehörend, ernannt.[12] Am 22. Dezember 2014 starb er in einer Hamburger Klinik an den Folgen eines Herzinfarktes, den er am dritten Adventswochenende erlitten hatte. Nach der Operation am 15. Dezember 2014 hatte sich Sduneks Gesundheitszustand bereits so verbessert, dass er am 22. Dezember entlassen werden sollte, als erneut Kammerflimmern auftrat. Trotz zweistündiger Reanimationsversuche starb Sdunek an der Herzrhythmusstörung.[13] Er wurde im Rahmen einer großen Trauerfeier, zu der etwa 500 Trauergäste anwesend waren[14], auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg beigesetzt. An seinem Grab steht eine Stele mit zwei Boxhandschuhen sowie einem Spruch.[15] Im September 2019 fand in Zinnowitz erstmals die nach Sdunek benannte Profiboxveranstaltung „Fritz Sdunek Memorial“ statt.[16]
Liste von durch Sdunek trainierten Boxern
BearbeitenZu den von Sdunek trainierten Boxern gehörten:
- Ola Afolabi
- Alexander Alexejew
- Firat Arslan
- Károly Balzsay
- Denis Boizow
- Manuel Charr
- Jack Culcay
- Alexander Dimitrenko
- Zsolt Erdei
- Khoren Gevor
- Juan Carlos Gómez
- Artur Grigorian
- Wladimir Klitschko
- Vitali Klitschko
- István Kovács
- Michael Löwe
- Dariusz Michalczewski
- Ralf Rocchigiani
- Sinan Şamil Sam
- Dirk Schäfer
- Felix Sturm
- Mario Veit
- Sebastian Zbik
- Andreas Zülow
- Oktay Urkal
Im Januar 2009 wurde Károly Balzsay der elfte Weltmeister, der von Sdunek trainiert wurde.[17]
Literatur
Bearbeiten- Fritz Sdunek: Durchgeboxt – Mein Leben am Ring, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag 2012, ISBN 978-3-86265-108-5
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Tobias Lempe, Markus Krücken: Boxen: Trainer-Legende Fritz Sdunek ist tot. Hamburger Morgenpost, 22. Dezember 2014; abgerufen am 22. Dezember 2014
- ↑ „Ergebnisse ohne Bundesligen“, Sport-Bild vom 29. Dezember 1992, S. 37
- ↑ Neues Deutschland, 12./13. November 1988, S. 4
- ↑ Julian König: Klitschko-Coach übernimmt: Fritz Sdunek neuer Trainer von Jack Culcay. Hamburger Morgenpost, 10. April 2013.
- ↑ [1] RP Online, Tod von Box-Trainer Sdunek
- ↑ Ralph Kaschka: Leistungssport im Visier der Stasi. Das MfS und der SC Traktor Schwerin. Berlin 2017, ISBN 978-3-946572-10-7, S. 70.
- ↑ Wie die Stasi eine Karriere zerstörte: Dirk Schäfer und der Blues des Boxers. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 15. Dezember 2024]).
- ↑ Zum Verhältnis von Sdunek zum MfS: Fritz Sdunek: Durchgeboxt. Mein Leben am Ring. Berlin 2012, S. 56 f., 71–79 u. 95.
- ↑ „Der Blues des Boxers – Staatssicherheit im Sport“ (NDR Sportclub Story) von Matthias Hufmann und Benjamin Unger (2017).
- ↑ Dirk Schäfer: Wie die Stasi die Karriere des Boxers zerstörte. In: faz.net. 25. Mai 2017, abgerufen am 15. Dezember 2024.
- ↑ Ralph Kaschka: Leistungssport im Visier der Stasi. Das MfS und der SC Traktor Schwerin. Berlin 2017, ISBN 978-3-946572-10-7, S. 71.
- ↑ Gemeinde ernennt Trainerlegende Sdunek zum Ehrenbürger. Ostseezeitung.de vom 15. März 2010, Zugriff am 27. Dezember 2012 (Online nicht mehr erreichbar.)
- ↑ Nachruf von Björn Jensen: Fritz Sduneks Tod mit 67 erschütterte die Boxwelt. Ein großer Trainer und ein noch größerer Mensch. In: Box Sport Nr. 2/2015, S. 16–18.
- ↑ Bewegende Trauerfeier für Fritz Sdunek. ( vom 11. Januar 2015 im Internet Archive) ndr.de, Januar 2015; abgerufen am 30. Dezember 2015.
- ↑ Hier ruhen Hamburgs Persönlichkeiten. ( vom 30. Dezember 2015 im Internet Archive) hamburger-allgemeine.de, 2015; abgerufen am 30. Dezember 2015.
- ↑ FOCUS Online: Spannende Fights bei „Fritz Sdunek Memorial“. Abgerufen am 17. Oktober 2019.
- ↑ Ungar Balzsay entthront Weltmeister Inkin. ( vom 25. März 2009 im Internet Archive) sport.rtl.de, Januar 2009; abgerufen am 23. Dezember 2014.
Weblinks
BearbeitenPersonendaten | |
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NAME | Sdunek, Fritz |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Amateurboxer und Boxtrainer |
GEBURTSDATUM | 18. April 1947 |
GEBURTSORT | Lüssow |
STERBEDATUM | 22. Dezember 2014 |
STERBEORT | Hamburg |