Fused Grid
Fused Grid (deutsch etwa: Rasterverschmelzung) verkörpert die Synthese zweier nordamerikanischer Betrachtungsweisen bezüglich der Stadtplanung, nämlich das aus dem 19. Jahrhundert stammende übliche schachbrettartige Raster mit den sich schlängelnden, kurvenförmigen Straßen und Sackgassen moderner Vororte.
Diese Synthese übernommener Traditionen wird durch die praktische Anwendung der geradlinig-orthogonalen Geometrie, das Hauptmerkmal des Rasters und dem Gebrauch zweier der Kurvengeometrie gehörenden Straßenformen erreicht.
Die Erschließungsqualität, das zweite, grundlegende Merkmal des Rasters, wird durch Fußgängerzonen wiederhergestellt, welche auch andere Fortbewegungsweisen erlauben. Diese Fußgängerzonen stellen eine dritte Komponente dar und vervollständigen das „System“. Die Fußgängerzonen werden üblicherweise durch Freiflächen geleitet, welche im Mittelpunkt der Wohngebietszellen stehen. Auf diese Weise wird das Straßennetz des Wohngebiets durch eine Mischung von Fußgängerzonen und Straßenabschnitte gekennzeichnet. Obwohl das komplette System nicht vertraut erscheint, sind die ihm zugrunde liegenden Elemente bekannt und werden oft benutzt.
Es ist das Ziel des Fused Grid, eine Ausgeglichenheit zwischen dem Fahrzeugverkehr und dem Fußgängerverkehr herzustellen,[1] sichere Straßen zu schaffen, die die Kontaktfreude ihrer Bewohner fördern und den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen vereinfachen.[2] Diese Eigenschaften sowie die Vorteile der herkömmlichen Verkehrsplanung werden im Fused Grid erreicht, welche im Gegensatz zum traditionellen Raster steht. Das geradlinig-orthogonale Raster, das die nordamerikanische Stadtplanung des 17., 18., und 19. Jahrhunderts weitgehend prägte, kann auf dem im 5. Jahrhundert vor Christus lebenden Städteplaner Hippodamos (498 v. Chr. bis 408 v. Chr.) zurückgeführt werden. Er wandte das so genannte Hippodamische System für die Neugestaltung von Milet an.
Das Fused Grid besteht aus einem großangelegten und offenen Raster von Zubringerstraßen, welche den mittelmäßig bis schnellen Autoverkehr tragen. Die von diesem Raster geformten Wohnblöcke sind normalerweise etwa 16 Hektar (also in etwa 400 Meter mal 400 Meter) groß. Innerhalb eines jeden Blockes, sind die Anliegerstraßen durch halbmondförmige Straßen und Sackgassen so angeordnet, dass der Durchgangsverkehr verhindert wird. Zudem versorgt ein durchgehendes Netz von Fußpfaden die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, Geschäfte und öffentliche Einrichtungen. Die Anwohner können einen Block in ungefähr fünf Minuten zu Fuß durchqueren. Die intensivsten Flächennutzungen, zum Beispiel Schulen, öffentliche Einrichtungen, Gebiete mit dichter Bebauung und die vom Einzelhandel bevorzugten Gebiete sind im Plan zentral angelegt. Diese Gebiete sind durch zweispurige Zubringerstraßen erreichbar, welche wiederum mit weiter entfernten Bestimmungsorten des Wohngebietes verbunden sind.
Der Plan ermöglicht den zügigen Fahrzeugverkehr, ohne die Sicherheit und Bequemlichkeit der Fußgänger zu beeinträchtigen. In der Wohngegend werden die Fußgänger bevorzugt, denn der Laufweg ist direkter als der Fahrweg. Auch Fahrradwege werden begünstigt, weil die Durchfahrt für Autos auf diesen Straßen weniger vorteilhaft ist.
Diese Nachbarschaftsmerkmale sind von verschiedenen Planwirtschaftlern des 20. Jahrhunderts artikuliert und kodifiziert worden, zum Beispiel von Christopher Alexander in seinem Buch A Pattern Language (eine Mustersprache). In diesem Buch findet man eine Sammlung von Entwurfsmustern, zum Beispiel Entwurfsmuster 49 (Schlängelstraßen), Entwurfsmuster 51 (Grünstraßen), Entwurfsmuster 52 (Pfadennetze und Autonetze), Entwurfsmuster 23 (Parallelstraßen), Entwurfsmuster 61 (kleine Plätze) und Entwurfsmuster 100 (Fußgängerzonen). Diese Muster findet man in jedem Planquadrat des Fused Grid.
Das Fused Grid übernimmt auch Clarence Perrys Vorschläge für eine Wohngebietsfläche von 64 Hektar und einen zehnprozentigen Anteil der Gesamtfläche für Freiflächen und Freizeit und Erholung. Im Gegensatz zu den eintönigen Rastern älterer Städte kann eine Wohngebietszelle, die im Modell des Fused Grid gestaltet wurde, von 16 Hektar verschiedene Konfigurationen aufweisen. Obwohl jede Zelle sich von der anderen in der Gestaltung unterscheidet, behält jede Konfiguration alle die ihr zugedachten Eigenschaften.
Eine rückwirkende Anwendung des Fused Grid kann man in den Innenstädten alter europäischer Städte wie Montpellier, München, Essen und Freiburg, sowie in Außenbezirken der Städte Vauban, Freiburg und Hooten in den Niederlanden beobachten. Wenn man die Beschränkungen der gebauten Umwelt mit einbezieht, sind in den meisten Fällen die den Straßenverkehr im Zentrum hemmende Rasterverschmelzung sowie die Übertragung des Fußgängernetzes auf den verbleibenden Raster augenscheinlich. In Kanada wird das Fused Grid durch die Canada Mortgage and Housing Corporation (kanadische Bundesanstalt für das Wohn- und Bauwesen) vorangetrieben.
Eine ähnliche Debatte findet auch in Europa statt, vor allem im Vereinigten Königreich, wo der Begriff filtered permeability (gefilterte Durchlässigkeit[3]) ins Leben gerufen wurde. Dieser Begriff beschreibt städtebauliche Lagepläne, welche die Fortbewegung durch Fußgänger und Radfahrer anregen, aber den Gebrauch von Kraftwagen einschränken. Siehe auch: Permeability (spatial and transport planning).
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Christopher C. Hawkins: Street network connectivity and local travel behaviour : assessing the relationship of travel outcomes to disparate pedestrian and vehicular street network connectivity. 2008.
- ↑ Macro-level collision prediction models for evaluating neighbourhood traffic safety 2006, Canadian Journal of Civil Engineering volume 33. Lovegrove, Gordon R; Sayed, Tarek
- ↑ MELIA, S. ( des vom 19. August 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , 2007. Eco Town Mobility. Town and Country Planning, November. and MELIA, S. 2008. Neighbourhoods Should be Made Permeable for Walking and Cycling But Not Cars. Local Transport Today, Jan 23rd 2008.