Güterzugumfahrung St. Pölten

Güterumgehungsbahn im Raum St. Pölten, Niederösterreich

Die Güterzugumfahrung St. Pölten (kurz GZU) ist eine zweigleisige Hochleistungsstrecke in Niederösterreich zwischen den Knoten Wagram (Östlich von St. Pölten) und Rohr (östlich von Loosdorf), die das Zentrum von St. Pölten südlich umfährt.

Knoten Wagram–Knoten Rohr
Strecke der Güterzugumfahrung St. Pölten
Streckennummer (ÖBB):101 02[1][2]
Streckenlänge:24,7 km
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
Streckenklasse:D4[3]
Stromsystem:15 kV 16,7 Hz ~
Maximale Neigung: 8[4] 
Höchstgeschwindigkeit:120 km/h
Zugbeeinflussung:ETCS Level 2 ohne Signale
Zweigleisigkeit:durchgehend
Strecke
von Wien Westbf (Westbahn)
Abzweig geradeaus und von rechts
von Pottenbrunn (Westbahn)
Abzweig geradeaus und von rechts
von Wien Meidling (Neue Westbahn)
Dienststation / Betriebs- oder Güterbahnhof
Knoten Wagram
Abzweig geradeaus und nach rechts
nach Linz Hbf (Neue Westbahn)
Abzweig geradeaus und nach rechts
nach St. Pölten Hbf (Westbahn)
Tunnel
2,600 Wagramer S33-Tunnel (170 m)
Überleitstelle / Spurwechsel
5,712 Üst Knoten Wagram 2
Brücke über Wasserlauf
Traisen
Kreuzung geradeaus oben
9,900 St. Pölten–Leobersdorf (Leobersdorfer Bahn)
Tunnelanfang
10,862 Pummersdorfer Tunnel (3485 m)
Kreuzung mit oberirdischer Strecke (im Tunnel)
St. Pölten–Gußwerk (Mariazellerbahn)
Tunnelende
14,347
Überleitstelle / Spurwechsel
19,846 Üst Knoten Wagram 7
Tunnel
21,250 Radlleitentunnel (390 m)
Tunnel
22,518 Bründlkapellentunnel (858 m)
Abzweig geradeaus und von rechts
von Wien (Westbahn)
Dienststation / Betriebs- oder Güterbahnhof
Knoten Rohr
Abzweig geradeaus und nach links
nach Linz Hbf (Neue Westbahn)
Strecke
nach Salzburg Hbf (Westbahn)

Ziel dieser Güterumgehungsbahn war die Entlastung und das Freiwerden von Kapazitäten für den Personenverkehr auf der Westbahn.[5]

Geschichte

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Streckenplanung

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Die mit Übertragungsverordnung von Verkehrsminister Rudolf Streicher zunächst für Wien – St. Pölten[6] und mit Übertragungsverordnung von Verkehrsminister Viktor Klima für St. Pölten – Wels[7] beauftragte Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG (HL-AG) begann 1991 mit den Planungen für die Güterzugumfahrung St. Pölten.

Die Strecke durchlief als erstes Eisenbahnprojekt in Österreich eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-Gesetz, die 1997 abgeschlossen wurde.[8] Bei den Planungen wurde zudem eine Bürgerbeteiligung durchgeführt. Nachdem Bundesminister Rudolf Scholten die Bauübertragung an die HL-AG per Verordnung[9] erlassen hat, beantragte die HL-AG die Baugenehmigung und erhielt 1999 den eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheid.[10]

Errichtung und Inbetriebnahme

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Nach erteilter Genehmigung begann die HL-AG im Dezember 1999 mit dem Bau. Dabei wurden zuerst die Brückenbauwerke im Raum St. Pölten errichtet. Aufgrund einer Einschränkung der ursprünglichen Bauübertragung durch eine neue Verordnung von Verkehrsministerin Monika Forstinger[11] wurde das Projekt zunächst auf die beiden Knotenbauwerke eingeschränkt und die Fortsetzung zeitlich zurückgestellt.[10]

Durch ein nach der Weltfinanzkrise im Oktober 2008 von der Bundesregierung beschlossenes Konjunkturpaket wurden im November 2009 die Bauarbeiten von der ÖBB-Infrastruktur Bau AG, in welche die HL-AG zwischenzeitig verschmolzen wurde,[12] wieder aufgenommen.[10]

Im Frühjahr 2015 wurde die Rohbauphase abgeschlossen und daraufhin von Osten nach Westen mit der Herstellung des Oberbaus, der Oberleitung und der Leit- und Sicherungstechnik begonnen.[13]

Anfang Mai 2017 war die Güterzugumfahrung fertiggestellt.[14] Am 1. Dezember wurde die Strecke feierlich eröffnet und mit Beginn des Fahrplanjahres 2018 am 10. Dezember 2017 in Betrieb genommen. Der viergleisige Ausbau der Westbahn im Abschnitt zwischen Wien und Linz Kleinmünchen wurde durch diesen Lückenschluss vollendet.[15][16]

Die Kosten betrugen insgesamt 731 Millionen Euro.[17]

Streckenbeschreibung

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Die Güterzugumfahrung St. Pölten verläuft in vom Knoten Wagram im Osten von St. Pölten auf einer Länge von 24,7 Kilometern[10] südlich an der Stadt und dem Hauptbahnhof vorbei bis zum Knoten Rohr westlich von St. Pölten. Die Strecke ist überwiegen oberirdisch in Verkehrswegebündelung neben Bundesstraßen trassiert[18] und für eine maximale Geschwindigkeit von 120 km/h ausgelegt.[19]

Vom Knoten Wagram geht es zunächst gebündelt mit der Kremser Schnellstraße (S33) im weiten Traisental bis etwa zum Knoten St. Pölten, wo man westwärts, nunmehr gebündelt mit der West Autobahn, das Traisental quert und seinen westlichen Talhang Richtung Schwadorf erklimmt. Anschließend werden das Pielachtal und der Geländerücken zum Sierningtal westwärts gequert, sodass man schließlich nach einem kurzen Stück entlang der Sierning den Knoten Rohr erreicht.

Sicherungstechnik

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Die Strecke ist als erste Strecke in Österreich mit ETCS Level 2 ohne Signale ausgestattet.[20][21]

Kunstbauwerke

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Die Strecke umfasst den 3485 Meter langen Pummersdorfer Tunnel,[22] den 858 Meter langen Bründlkapellentunnel, den 390 Meter langen Radlleitentunnel und den 170 Meter langen Wagramer S33-Tunnel sowie 23 Brückenbauwerke.[23][10]

2019 befuhren im Güterverkehr mit etwa 100 Zügen pro Tag über die Hälfte des Durchgangsverkehrs der Relation Wien–Linz die Güterzugumfahrung St. Pölten, während auf dem Laufweg durch St. Pölten Hauptbahnhof die Güterzüge, deren Lokomotiven nicht mit dem für die Güterzugumfahrung obligatorischen ETCS ausgestattet sind, sowie der Ziel- und Quellverkehr nach St. Pölten und in St. Pölten auf die Tullnerfelder Bahn abzweigende Züge verblieben.[24]

Die durch die Güterzugumfahrung zwischen Knoten Wagram und Knoten Rohr auf der Bestandsstrecke freigewordenen Kapazitäten wurden durch den Personenverkehr ausgenutzt.[24]

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Commons: Güterzugumfahrung St. Pölten – Sammlung von Bildern
  • Lückenschluss St. Pölten–Loosdorf. ÖBB-Infrastruktur, archiviert vom Original am 15. August 2022;.
  • Strecke 10106. In: Eisenbahn-Tunnel in Österreich. Lothar Brill

Einzelnachweise

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  1. VzG-Streckenübersichtskarte. ÖBB-Infrastruktur, Wien 11. Dezember 2022 (oebb.at [PDF; abgerufen am 9. April 2023]).
  2. Auflistung der VzG-Streckennummern. In: VzG-Fahrplanunterlage (Streckennummern). ÖBB-Infrastruktur, Wien 11. Dezember 2022, S. 3 (oebb.at [PDF; abgerufen am 9. April 2023]).
  3. VzG-Streckenklassenkarte. 15. Auflage. ÖBB-Infrastruktur, Wien Dezember 2022 (oebb.at [PDF; abgerufen am 9. April 2023]).
  4. Österreichisches Infrastrukturregister
  5. Lückenschluss St. Pölten–Loosdorf. ÖBB-Infrastruktur, archiviert vom Original am 27. Juli 2018; abgerufen am 27. Juli 2018.
  6. Änderung der Verordnung über die Übertragung der Planung und des Baues von Hochleistungsstrecken oder von Teilen derselben an die Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG, BGBl. Nr. 107/1990, 23. Februar 1990.
  7. Übertragung einer weiteren Planungsaufgabe (St. Pölten—Wels) an die Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG, BGBl. Nr. 535/1993, 4. August 1993.
  8. Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG (Hrsg.): Geschäftsbericht HL-AG. 1998.
  9. Änderung der Verordnung über die Übertragung der Planung und des Baues von Hochleistungsstrecken oder von Teilen derselben an die Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG, BGBl. Nr. 450/1996, 27. August 1996.
  10. a b c d e Factsheet 4-gleisiger Westbahnausbau: Lückenschluss St. Pölten – Loosdorf (GZU), Pummersdorfer Tunnel. ÖBB-Infrastruktur, Wien 2012, S. 2 (archive.org [PDF; 111 kB; abgerufen am 9. April 2023]).
  11. Änderung der Verordnung über die Übertragung der Planung und des Baues von Hochleistungsstrecken oder von Teilen derselben an die Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG (HL-Ü-VO), BGBl. II Nr. 306/2001, 24. August 2001.
  12. Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992, das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, das Hochleistungsstreckengesetz, das Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“, das Bundespflegegeldgesetz, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz und das Angestelltengesetz geändert werden und mit dem das Bahn-Betriebsverfassungsgesetz aufgehoben wird (Bundesbahnstrukturgesetz 2003), BGBl. I Nr. 138/2003, 30. Dezember 2003. Hier: 8. Hauptstück: ÖBB-Infrastruktur Bau AG, § 29 Umwandlung der Österreichischen Bundesbahnen und § 32 Verschmelzung mit der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG.
  13. Bau-Information Lückenschluss St. Pölten – Loosdorf Güterzugumfahrung: Knoten Wagram bis Knoten Rohr. ÖBB-Infrastruktur, Wien Juli 2015, S. 5 (online (Memento vom 15. August 2022 im Internet Archive) [PDF; abgerufen am 9. April 2023]).
  14. Güterzugumfahrung St. Pölten fertig gestellt. In: Eurailpress. DVV Media Group, 4. Mai 2017, abgerufen am 9. April 2023.
  15. „Güterzugumfahrung St. Pölten“ offiziell eröffnet. Land Niederösterreich, 1. Dezember 2017, abgerufen am 9. April 2023.
  16. Rund um den Bau. ÖBB-Infrastruktur, archiviert vom Original am 15. August 2022; abgerufen am 9. April 2023.
  17. St. Pölten: Güterzugsumfahrung eröffnet. In: noe.ORF.at. Österreichischer Rundfunk, 1. Dezember 2017, abgerufen am 9. April 2023.
  18. Factsheet 4-gleisiger Westbahnausbau: Lückenschluss St. Pölten – Loosdorf (GZU), Pummersdorfer Tunnel. ÖBB-Infrastruktur, Wien 2012, S. 3 (archive.org [PDF; 111 kB; abgerufen am 9. April 2023]).
  19. ÖBB – Güterzugumfahrung St. Pölten — World of PORR. PORR Österreich, abgerufen am 27. Juli 2018.
  20. Streckenbeschreibung. In: Schienennetz-Nutzungsbedingungen. ÖBB-Infrastruktur, Wien 2023, S. 4 (oebb.at [PDF; abgerufen am 10. April 2023]).
  21. Österreichs erste Strecke ohne Lichtsignale seit vier Monaten erfolgreich in Betrieb. Thales, 10. April 2018, abgerufen am 10. April 2023.
  22. Factsheet 4-gleisiger Westbahnausbau: Lückenschluss St. Pölten – Loosdorf (GZU), Pummersdorfer Tunnel. ÖBB-Infrastruktur, Wien 2012, S. 4 (archive.org [PDF; 111 kB; abgerufen am 9. April 2023]).
  23. Streckenbeschreibung. In: Schienennetz-Nutzungsbedingungen. 2023, S. 3 (oebb.at [PDF; abgerufen am 10. April 2023]).
  24. a b Daniel Lohninger: Laute Güterzüge sind in St. Pölten ab 2024 Geschichte. In: Niederösterreichische Nachrichten. 13. Mai 2020, abgerufen am 10. April 2023.