Gabriel Reinking

deutscher Theaterregisseur, Bühnenautor und Schauspieler

Gabriel Reinking (* 23. September 1949 in München) ist ein deutscher Theaterregisseur, Bühnenautor und Schauspieler.

Kindheit und Jugend

Bearbeiten

Als Sohn der Eheleute Reinking, der Kostümbildnerin Annelies Reinking, geborene Sartorius, vom Münchner Gärtnerplatztheater und des Bühnenbildners Wilhelm Reinking wuchs Gabriel Reinking in München Harlaching auf[1]. Die bayerische Metropole mit ihrer weltberühmten Kultur, der spezifischen Lebensart und Küche prägen die Werke und Arbeiten Gabriel Reinkings als Regisseur und Schriftsteller bis heute. Umso einschneidender erlebte Gabriel Reinking den Umzug 1955 in die als preußisch empfundene, geteilte Hauptstadt Berlin. Wilhelm Reinking war dort die Stellung des Chefausstatters der Städtischen Oper Berlin angeboten worden[2].

Gabriel Reinking besuchte das Internat Hermann-Lietz-Schule auf Spiekeroog. Aus dieser Zeit stammt Reinkings Erdverbundenheit für das Land. Dort und nur dort lohne es sich zu leben. Dort tankte er Kraft. Dort entstehen seine Texte. Eine Stadt, gar eine Metropole ist bestenfalls dazu da, um Reinkings Werken einem urbanen Publikum vorzustellen.

Ausbildung und erste Erfolge

Bearbeiten

Gabriel Reinking begann seine Ausbildung mit einer Buchhändlerlehre in dem Kunstwissenschaftlichen Verlag Gebrüder Mann. Nach einem einjährigen Studium an der Università Italiana per stranieri di Perugia folgte er, der Tradition der Familie entsprechend, dem Ruf des Theaters. Gabriel Reinking begann seine Theaterarbeit 1975 fünf Jahre lang als Regieassistent an den Staatlichen Schauspielbühnen Berlin. Zu seinen Lehrmeistern zählen die damals bedeutenden Regisseure des deutschsprachigen Schauspieltheaters u. a. Hans Lietzau, Boleslaw Barlog, Niels-Peter Rudolph, Harry Buckwitz. Parallel dazu absolvierte Gabriel Reinking seine Schauspielausbildung im Schauspielstudio Hanny Herter, Berlin, so wie bei Herbert Fischer und John Strassberg. Mit der "Schmetterlingsschlacht" von Hermann Sudermann macht Gabriel Reinking erstmalig auf dem Berliner Theatertreffen 1979 auf sich aufmerksam[3].

Frühe Arbeiten als Regisseur

Bearbeiten

1981 berief der Intendant Ulrich Brecht des Stadttheaters Essen Gabriel Reinking als Regisseur in die Krupp-Stadt[4]. Reinking vertrat das Theater mit auf den Berliner Festspielen 1982[5]. Reinkings nachhaltigste Arbeit dort ist seine umjubelte Inszenierung „Tod eines Handlungsreisenden“ von Arthur Miller[6] 1983. Dieser Erfolg verdankt sich der kollegialen Ensemble-Arbeit, die Gabriel Reinking mit seinen pädagogischen Fähigkeiten im Umgang mit Schauspielerinnen und Darstellern gemeinsam entwickelte. Durch seine Erfahrungen der Psychoanalyse gelingt es Reinking immer wieder, den psychologischen Befindlichkeiten der Figuren auf den Grund zu gehen. Viel Beachtung fanden auch die Inszenierungen von Thomas BernhardVor dem Ruhestand[7][8], und „Die Eisenwichser“ von Heinrich Henkel in Essen[9].

 
Gabriel Reinking, vor der Inszenierung von Lessings Minna von Barnhelm, Pressefoto Landestheater Bruchsal, 1983

1984 ergab sich die Chance als Oberspielleiter an die Badische Landesbühne in Bruchsal zu wechseln. Mit Staunen stellte die Presse damals, in Zeiten des Regietheaters, fest, dass es möglich ist, einen Klassiker „Minna von Barnhelm“ von Lessing auch klassisch inszeniert[10] einem heutigen Publikum zugänglich zu machen[11].

Der Sorge um die alten Eltern zog Gabriel Reinking nach Berlin zurück. 1985 wurde Reinking Ausbilder und Geschäftsführer der Berliner Theaterschule DIE ETAGE[12] und führte diese in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung zur staatlichen Anerkannten Berufsfachschule.

Theater unter freiem Himmel

Bearbeiten

Aus Reinkings früherer Tätigkeit an den Staatlichen Bühnen Berlins rührte der Kontakt zum Staatsschauspieler Achim Grubel. Dieser hatte in Berlin-Spandau die Freilichtbühne an der Zitadelle reaktiviert und suchte nun nach einem Partner, um das „Altstadt Theater Spandau GmbH“ dauerhaft zu arrivieren. Für Gabriel Reinking bedeutete dies eine Periode des Lernens. Das Theaterspiel unter freiem Himmel unterliegt seinen ganz eigenen Voraussetzungen und Anforderungen hinsichtlich Ton- und Sprachverständlichkeit sowie den absehbaren Herausforderungen gegenüber der Witterung. Hier setzte Gabriel Reinking vor allem auf die klassische Theaterliteratur von Shakespeare bis Moliere.

Die Inszenierung „Brief einer UnbekanntenStefan Zweig, 1992, von Gabriel Reinking für die Bühne adaptiert[13], ging mit Monica Gruber in der Hauptrolle nach der Premiere im Studiotheater des Altstadt Theaters auf Tournee in Europa mit Stationen in Parchim, Innsbruck, München, Wien, Frankfurt und St. Petersburg.

 
Pressefoto Gabriel Reinking mit Zylinder, Museum Dahlenburg, 2018

Gabriel Reinking avanciert zu einem gefragten Regisseur für Theaterfestspiele unter freiem Himmel, wobei er seine Regiearbeit mit schriftstellerischer Ausarbeitung als Autor der aufzuführenden Stücke verband, in die er auf historische Ereignisse Bezug nahm. So erzählt Gabriel Reinking exakt recherchierte Episoden der Geschichte der geteilten Stadtgemeinden von Verden an der Aller mit Motiven aus "Romeo und Julia" von Shakespeare[14]. Die Inszenierung von 2003[15] mit dem Bühnenbildner Kay Vollbehr und dem Architekten Steffen Adam, den Reinking schon vorher für Szenenbilder in Spandau verpflichtet hatte, wurde zum Publikumsrenner[16] – ein Teil der Besetzung rekrutierte sich aus Verdener Bürgern[17] und wurde 2005 bei ausverkauftem „Haus“ wiederholt[18].

2009 bat die Stadt Mölln in Holstein Gabriel Reinking zum Gedenken an Till Eulenspiegel ein Festspiel auszurichten. Reinking verwebt in seinem Stück historische Ereignisse der Stadt Mölln und Lübeck mit den von Hermann Bote überlieferten Eulenspiegel Geschichten[19]. Die Aufführung trugen wiederum Bürger der Stadt Mölln mit einem Kern von Profischauspielern in den Hauptrollen[20]. An der Göhrde bei Dahlenburg fand Gabriel Reinking schließlich die Heimat auf dem Lande, die er immer ersehnt hatte[21]. Auf dem Gebiet der Göhrde fand am 13. September 1813 ein Scharmützel der Befreiungskriege statt. Alle zwei Jahre wird dieser Auseinandersetzung mit einer historisierenden Nachstellung gedacht. Zusammen mit dem Kulturbeauftragten von Dahlenburg, Markus Dauber, schlug Gabriel Reinking vor, die Nachstellung der „Göhrdeschlacht“ durch ein Theaterstück aufzuwerten[22]. Reinking erinnert anhand von historischen Dokumenten an den Kampf der Lützower Jäger für einen Deutschen Verfassungsstaat. Im Mittelpunkt steht die legendäre Eleonora Prochaska. Von 2011 bis 2013 war Gabriel Reinking Künstlerischer Leiter der Göhrdefestspiele in Dahlenburg[23].

Ab 2004 leitete Gabriel Reinking 20 Jahre lang die freie Theatertruppe der Ratzeburger Inselkomödianten. In den letzten Jahren arbeitet Gabriel Reinking wieder als Dozent für Schauspiel, Dramaturgie und Rhetorik an der Hanseatischen Akademie der Medien in Lübeck. und am itb, Hamburg (Institut für Training u. Beratung)[24]. 2015 trat Gabriel Reinking auf der Freien Bühne Wendland in Platenlaase, Jameln, im Volksmärchen Der Prinz von Portugal von Wolfgang Knauth auf.

Werkverzeichnis

Bearbeiten

Liste der Arbeiten als Schauspieler (Auszug)

Bearbeiten
Datum Autor Werk Aufführungsort
1959 Antoine de Saint-Exupéry Der kleine Prinz Schallplattenproduktion Fritz Genschow
1981 Friedrich Schiller Wallenstein Theater der Stadt Essen
1982 Ferdinand Raimund Alpenkönig und Menschenfeind Theater der Stadt Essen
1982 Tennessee Williams Endstation Sehnsucht Theater der Stadt Essen
1982 Johann Wolfgang von Goethe Götz von Berlichingen Theater der Stadt Essen
1982 Reiner Lücker und Stefan Reisner Die Erbschaft Theater der Stadt Essen
1983 Paul Burkhard Feuerwerk
1984 Wolfgang Krajewski Graublaue Tage Selekt Film
1987 Albert Camus Die Gerechten Freies Schauspiel, Berlin
1993 William Shakespeare Ein Sommernachtstraum Altstadt Theater Spandau
1995 Curt Goetz Ingeborg Mecklenburgisches Landestheater
2015 Wolfgang Knauth Der Prinz von Portugal Freie Bühne Wendland

Liste der Arbeiten als Regisseur (Auszug)

Bearbeiten
Datum Autor Werk Aufführungsort
1979 Volker Ludwig

Musik Birger Heymann

Max und Milli Theater Ingolstadt
1979 Hermann Sudermann Die Schmetterlingsschlacht Berliner Festwochen, Vagantenbühne, Berlin
1980 Royce Ryton Zu mir oder zu dir Wolfgang Borchert Theater, Münster
1982 Heinrich Henkel Die Eisenwichser Theater der Stadt Essen, Berliner Festwochen
1983 Arthur Miller Tod eines Handlungsreisenden Theater der Stadt Essen
1983 Thomas Bernhard Vor dem Ruhestand Theater der Stadt Essen
1984 Federico García Lorca Bernarda Albas Haus Theater der Stadt Essen
1984 Gotthold Ephraim Lessing Minna von Barnhelm Badische Landesbühne, Bruchsal
1990 Brandon Thomas Charleys Tante Altstadt Theater Spandau
1992 Stefan Zweig Brief einer Unbekannten Altstadt Theater Spandau
1993 William Shakespeare Ein Sommernachtstraum Altstadt Theater Spandau
1995 Curt Goetz Ingeborg Mecklenburgisches Landestheater, Parchim
2000 Aldo Nicolaj Zwei herrenlose Katzen Theater im Stall, Neu-Horst
2003,

2005

Gabriel Reinking Liebesleid und Mauerstreit Domfestspiele Verden
2004 Julie Schrader Genoveva oder die weiße Hirschkuh Inselkomödianten, Ratzeburg
2005 Friedrich Schiller Fräulein Julie Hanseatische Akademie, Lübeck
2005 Anton Tschechow Der Bär,

Der Heiratsantrag

Inselkomödianten, Ratzeburg
2006 Urs Widmer Top Dogs Hanseatische Akademie, Lübeck
2006 Mino Belli Das Leben ist kein Film mit Doris Day Inselkomödianten, Ratzeburg
2007 Bertolt Brecht Die Dreigroschenoper Hanseatische Akademie, Lübeck
2007 Axel Hellsteinius Elliung Inselkomödianten, Ratzeburg
2008 Aldo Nicolaj Keine Spur von Reue Inselkomödianten, Ratzeburg
2009 Gabriel Reinking Eule und Spiegel Eulenspiegel Festspiele, Mölln
2010 Wolfgang Kohlhaase Fisch zu viert Inselkomödianten, Ratzeburg
2011

2013

Gabriel Reinking Liebe und Tod in der Göhrde

(erweiterte Fassung)

Gemeinde Dahlenburg
2011 Mattias Stoltze Versteh einer die Frauen Inselkomödianten, Ratzeburg
2018 Francis Durbridge Plötzlich und unerwartet Inselkomödianten, Ratzeburg
2019 Jack Popplewell Keine Leiche ohne Lily Inselkomödianten, Ratzeburg
2020 Lutz Hübner Frau Müller muss weg Inselkomödianten, Ratzeburg

Liste der Arbeiten als Bühnenautor (Auszug)

Bearbeiten
Datun Auftraggeber Ort Titel
unveröffentlicht Hans mein Igel
2003 Domfestspiele Verden Liebesleid und Mauerstreit, Historiendrama
2009 Eulenspiegel Festspiele Mölln Eule und Spiegel
2011 Göhrdefestspiele Dahlenburg Liebe und Tod in der Göhrde

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Wilhelm Reinking: Spiel und Form; Werkstattbericht eines Bühnenbildners zum Gestaltwandel der Szene in den zwanziger und dreißiger Jahren. 1. Auflage. Hans Christians Verlag, Hamburg 1979, ISBN 3-7672-0628-5, S. 223, 234.
  2. dito S- 243 - 244
  3. Ingvelde Geleng: Die Schmetterlingsschlacht und der Naturalismus in Berlin. dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH, Hamburg 28. September 1979.
  4. Essen ist keine Provinz. In: rms (Hrsg.): Neue Ruhr Zeitung. Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. KG, essen 9. April 1981.
  5. Internationales Forum 1982. In: Theatertreffen. Archiv der Berliner Festspiele, abgerufen am 6. Januar 2024.
  6. Hans Jansen: Träume und Alpträume. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ). WAZ-Mediengruppe, Essen 19. Dezember 1983.
  7. Christiane Möllers: Mit Himmler in den Ruhestand. In: Neue Ruhr Zeitung NRZ. Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. KG, Essen 6. Juni 1983.
  8. Manfred Krause: Nazis im Käfig. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Funke Medien NRW GmbH, Essen 26. Mai 1983.
  9. Rolf-Michael Simon: Der Job macht sie alle weich. In: Neue Ruhr Zeitung. Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. KG, Essen 1. Mai 1982.
  10. Birgitt Scheuermann: Minna ohne Verfremdung. In: Bruchsaler Rundschau. Badische Neueste Nachrichten Badendruck GmbH, Karlsruhe 26. September 1984.
  11. Hans Dieter Schmidt: Minna von Barnhelm war ein gelungener Spielplanauftakt. In: Westheimer Zeitung. 15. Oktober 1984.
  12. Petra Pluwatsch: Salto nach Stundenplan. In: Kölner Stadt-Anzeiger. DuMont-Mediengruppe, Kölln 6. Juli 1986.
  13. Angelika Heider: Ein fesselndes Schicksal. In: Berliner Zeitung. Berliner Verlag, Berlin 13. April 1992.
  14. Liebesleid und Mauerstreit. In: Die Welt. Axel Springer SE, Berlin 30. Juli 2003.
  15. Heike Leuschner: Jetziges Ergebnis ist nahezu perfekt. In: Verdener Nachrichten. Bremer Tageszeitungen AG, Bremen 16. August 2003.
  16. Heike Leuschner: Publikum fühlt sich mittendrin. In: Verder Aller-Zeitung. Kreiszeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Syke 2. August 2003.
  17. Wilfried Hippen: Ehrenamtlich zur Kirchweih-Keilerei. In: Tageszeitung TAZ. Berlin 5. August 2003.
  18. Angelika Siepmann: Dickes Lob für das Ensemble. In: Die Bremer Tageszeitung. Bremer Tageszeitungen AG, Bremen 14. August 2005.
  19. Möllner Eulenspiegel Festspiele beginnen. In: dpa/lno (Hrsg.): Bild. Regional Hamburg. Axel Springer SE, Berlin 3. August 2009.
  20. Närrische Zeiten in Mölln. In: Schweriner Volkszeitung SVZ. Zeitungsverlag Schwerin GmbH & Co. KG, Schwerin 29. Juli 2009.
  21. Politische Vielfalt in Dahlenburg. In: LZ. Landeszeitung für die Lüneburger Heide GmbH, Lüneburg 8. September 2016.
  22. Caroline George: Schauspieler geben Vorgeschmack auf Göhrde-Festspiele. In: Hamburger Abendblatt. Harburg. Funke Medien, Hamburg 20. Juni 2013.
  23. Caroline George: Schauspiel in Gedenken an die Göhrdeschlacht. In: Hamburger Abendblatt. Harburg. Funke Mediengruppe, Hamburg 13. September 2013.
  24. Michael Hollinde: Von Beruf Moderator. In: Lübecker Nachrichten. Lübecker Nachrichten GmbH, Lübeck 4. Juni 2006.