Lanzendorf (Himmelkron)
Lanzendorf ist ein Gemeindeteil der Gemeinde Himmelkron im Landkreis Kulmbach (Oberfranken, Bayern).[1] Die Gemarkung Lanzendorf hat eine Fläche von 8,670 km². Sie ist in 1754 Flurstücke aufgeteilt, die eine durchschnittliche Flurstücksfläche von 4942,71 m² haben.[2] In ihr liegen neben dem namensgebenden Ort die Gemeindeteile Gleisenhof, Kieselhof, Kremitz, Kunigundenhof und Lindenhof.[3]
Lanzendorf Gemeinde Himmelkron
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Koordinaten: | 50° 3′ N, 11° 36′ O |
Höhe: | 355 m ü. NHN |
Einwohner: | 1030 (9. Jan. 2004) |
Eingemeindung: | 1. Januar 1976 |
Postleitzahl: | 95502 |
Lanzendorf
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Geographie
BearbeitenDas Pfarrdorf Lanzendorf liegt im Tal des Weißen Mains am Rande des Fichtelgebirges zwischen Himmelkron und Bad Berneck. Es hat 1030 Einwohner (Stand: 9. Januar 2004) und liegt auf einer Höhe von 355 m ü. NN.
Lanzendorf liegt an der Bundesstraße 303 in Richtung Tschechien und der Bundesautobahn 9 (Anschlussstelle 39 – Bad Berneck/ Himmelkron) in Richtung Berlin und Nürnberg, außerdem in der Nähe des Autobahndreiecks Bayreuth/Kulmbach und der Bundesautobahn 70 in Richtung Bamberg und Würzburg.
Geschichte
BearbeitenFunde aus der Jungsteinzeit, etwa 2500 v. Chr., belegen eine frühzeitige Besiedlung. Südlich des Ortes befinden sich 62 vorgeschichtliche Hügelgräber aus der Zeit um 750 v. Chr.
Über das Alter des Dorfes gibt es viele Vermutungen, wahrscheinlich entstand es vom 8. bis zum 9. Jahrhundert. Der Name leitet sich von Lanzo, Kurzform von Landefrit, ab. Die Endung -dorf deutet auf eine frühe Gründung noch vor der ersten Jahrtausendwende hin. Die Lanzendorfer Kirche ist dem Heiligen Gallus gewidmet. Die Kirchengemeinde St. Gallus gehörte vor der Reformation zum Bistum Würzburg, ein sicherer Beweis dafür, dass es sich um eine Urpfarrei handelt, die schon vor der Entstehung des nahe gelegenen Bistums Bamberg im Jahre 1007 existierte. Eine urkundliche Ersterwähnung befindet sich allerdings erst in einem Lehenbuch von 1303 in den Würzburger Archiven.
Rittergut der Herren von Wirsberg (bis 1687)
BearbeitenMit der urkundlichen Erwähnung tauchten 1303 die Herren von Wirsberg zum ersten Mal in Lanzendorf auf, die bis zu ihrem Aussterben 1687 ein Rittergut im Ort unterhielten. Ihr Familienwappen zeigt silberne Zinnen auf rotem Grund. Sie nannten sich nach der Burg im nahegelegenen Ort Wirsberg.
Bis 1248 stand das Gebiet im fränkischen „Zweimainland“ unter der Herrschaft der Grafen von Andechs-Meranien und fiel dann an die thüringischen Grafen von Orlamünde. 1338 übernahmen die Burggrafen von Nürnberg, die späteren Markgrafen von Brandenburg-Bayreuth aus der fränkischen Linie der Hohenzollern, die Macht, die sie bis ins 18. Jahrhundert behielten. Bis zu ihrem Aussterben 1687 war Lanzendorf die Stammburg der Wirsberger. Berühmte Persönlichkeiten des Geschlechts waren Magdalena von Wirsberg, Äbtissin im Kloster Himmelkron, der Deutschordensritter Vincenz von Wirsberg und Friedrich von Wirsberg, Fürstbischof zu Würzburg (1558–1573).
1303 erhielt Heinrich von Wirsberg das Patronat über die Pfarrkirche zu Lanzendorf vom Würzburger Fürstbischof, ob als erstmaliges Lehen oder als Lehenserneuerung ist nicht bekannt. Anfang des 15. Jahrhunderts verlängerte Burggraf Johann III. von Nürnberg das Lehen. 1528 wurde auf dem Landtag von Ansbach die Reformation beschlossen. Umgesetzt wurde sie aber erst viel später. Dokumentiert sind Streitigkeiten des Markgrafen Georg Friedrich mit Wolf von Wirsberg. 1562 starb Christoph von Wirsberg. Sein Grabstein ist in der St.-Gallus-Kirche erhalten, daneben das Epitaph seiner Gemahlin Anna von Wirsberg, geborene von Egloffstein. 1632 wurde Lanzendorf von den Truppen Wallensteins in Schutt und Asche gelegt.
1687 starb Philipp Christoph von Wirsberg im Alter von 27 Jahren kinderlos. Ein altes Steinkreuz auf halbem Wege zwischen Himmelkron und Lanzendorf steht einer Sage nach an der Stelle, wo er vom Pferd gestürzt und zu Tode gekommen sein soll.
Herrschaft der Hohenzollern (1687–1806)
BearbeitenNach dem Aussterben der Wirsberger fiel das Lehen an den Landesherren Markgraf Christian Ernst von Bayreuth zurück. 1710 wurde der „hochfürstliche Brandenburgische Kammerrat“ Johann Wolfgang Gromann vom Markgrafen Georg Wilhelm mit dem Rittergut belehnt. Sein Grabstein ist in der Kirche erhalten. 1727 ging die Verwaltung auf das Stiftskastenamt Himmelkron über. 1791 verkaufte Markgraf Friedrich Karl Alexander von Bayreuth seine Fürstentümer Ansbach und Bayreuth an das Königreich Preußen. Der preußische Minister Freiherr Karl August von Hardenberg übernahm die Verwaltung. 1797 kam Lanzendorf zum Kammeramt Gefrees und zum Justizamt Berneck. Nach der Niederlage Preußens gegen Napoleon fiel Lanzendorf 1806 an Frankreich.
Lanzendorf in Bayern (ab 1810)
BearbeitenAm 30. Juni 1810 übergab die französische Armee das vormalige Fürstentum Bayreuth an das Königreich Bayern, das es für 15 Millionen Francs von Napoleon gekauft hatte.[4] Lanzendorf wurde eine Gemeinde im Landkreis Kulmbach.
Während des „Dritten Reichs“ wurde mitten durch Lanzendorf die Reichsautobahn Berlin–München gebaut. Erste Vermessungsarbeiten erfolgten im Winter 1933/34. Vergebens versuchten die Lanzendorfer, die Zerschneidung des Orts durch deren Trasse abzuwenden. Dass die dort angelegte Anschlussstelle den Namen „Berneck“ erhielt, war ein zusätzlicher Wermutstropfen.[5] In Lanzendorf wurde ein Arbeitslager für 600 Arbeiter angelegt, 400 weitere Arbeiter wurden privat untergebracht.[6] Zu den ersten dienstverpflichteten Arbeitskräften an der Autobahn zählten die im Frühjahr 1933 inhaftierten Kommunisten und Sozialdemokraten. Das Teilstück von Bayreuth nach Lanzendorf wurde am 15. Juli 1937 zu den Bayreuther Festspielen feierlich eröffnet,[7] im September 1937 dann der Abschnitt von Lanzendorf nach Schleiz freigegeben.[8]
Den Zweiten Weltkrieg überstand Lanzendorf mit geringen Schäden. Ein Tieffliegerangriff mit einer Toten ist dokumentiert. An die Gefallenen der beiden Weltkriege erinnert das Kriegerdenkmal vor der Kirche. Am 14. April 1945 zogen amerikanische Soldaten in Lanzendorf ein. Durch den Zustrom an Kriegsflüchtigen nahm die Bevölkerung 1946 stark zu, neue Ortsteile und Industrien entstanden. Der größte Teil der Heimatvertriebenen kam aus dem Sudetenland. 1956 wurde der evangelische Theologe und Professor Ewald Stübinger in Lanzendorf geboren.
Mit der Gebietsreform wurden 1976 die Gemeinden Himmelkron und Lanzendorf zusammengelegt. Erster Bürgermeister wurde der Himmelkroner Andreas Krainhöfner (1925–2015). Das Amt bekleidete er bis 2002. Mit der Eröffnung der neuen Talbrücke und der Verlegung der Autobahntrasse verschwand 1997 die Bundesautobahn 9 aus dem Dorfbild. 2004 feierten die Lanzendorfer mit einem Jahr Verspätung das 700-jährige Dorfjubiläum.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
BearbeitenIn der Liste der Baudenkmäler in Himmelkron sind für Lanzendorf 17 Baudenkmale aufgeführt, darunter:
St.-Gallus-Kirche
BearbeitenDie evangelisch-lutherische Pfarrkirche erhielt ihr heutiges barockes Erscheinungsbild bei der letzten Umgestaltung im Jahre 1750. Es sind sechs Steinbauphasen dokumentiert. Ursprungsbebauung war eine kleine Saalkirche. Sehenswert im Innern ist der Kanzelaltar, das typische Kennzeichen einer lutherischen Markgrafenkirche, der Taufstein und zwölf Apostelfiguren, die auf 1510 datiert werden. Weiterhin befinden sich darin mehrere Grabdenkmäler und Epitaphien sowie die Grüfte der Herren von Wirsberg.
Ehemaliges Schloss
BearbeitenDer älteste Teil des ehemaligen Schlosses ist das alte Castrum, das heutige Gemeindehaus. Es geht in seinen Grundmauern auf die ehemalige Burg der Wirsberger zurück. 1625 fand im Dreißigjährigen Krieg eine Neubebauung statt. Der heutige Bau enthält ein Sandsteinportal und ein barockes Fenster von 1719. Das ehemalige Schulhaus ist ein stattlicher Sandsteinquaderbau mit hohem Giebel im Stile der Renaissance.
Pfarrhaus
BearbeitenEine Erstbebauung fand 1624/25 statt. Der heutige Bau geht auf das Jahr 1889 zurück.
Alte Mainbrücke
BearbeitenDie alte Mainbrücke ist eine zweibogige Sandsteinbrücke mit Uferbefestigung aus dem Jahre 1866. Im Zuge der Sanierungsarbeiten im Jahr 2010 wurde die Brücke mit einer über die Brückenbögen hinausragenden Betonplatte verbreitert. Damit wurde Platz für eine breitere Fahrbahn und einen Gehweg geschaffen.[9]
Mittelalterliches Steinkreuz
BearbeitenEs befindet sich auf dem Weg von Lanzendorf nach Himmelkron. Um dieses Kreuz ranken sich mehrere Sagen. Dort soll der letzte Ritter von Wirsberg tödlich vom Pferd gestürzt sein. Nach einer anderen Geschichte starb dort ein Adliger, der eine Nonne aus dem benachbarten Kloster Himmelkron entführen wollte.
Bodendenkmäler
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Inge Müller: Chronik von Lanzendorf. 2005.
Weblinks
Bearbeiten- Lanzendorf auf der Website der Gemeinde Himmelkron
- St.-Gallus-Kirche Lanzendorf
- Lanzendorf in der Ortsdatenbank des bavarikon, abgerufen am 17. Dezember 2021.
- Als die A 9 gebaut wurde bei kurier.de, mit Foto der den Ort zerschneidenden alten Autobahn
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Gemeinde Himmelkron, Liste der amtlichen Gemeindeteile/Ortsteile im BayernPortal des Bayerischen Staatsministerium für Digitales, abgerufen am 15. Dezember 2024.
- ↑ Gemarkung Lanzendorf (091780). In: geoindex.io. Geoindex Aktiengesellschaft, abgerufen am 15. Dezember 2024.
- ↑ Webkarte. ALKIS®-Verwaltungsgrenzen – Gemarkungen. In: BayernAtlas. LDBV, abgerufen am 15. Dezember 2024.
- ↑ Bernd Mayer: Kleine Bayreuther Stadtgeschichte. Friedrich Pustet, Regensburg 2010, ISBN 978-3-7917-2266-5, S. 75.
- ↑ Helmuth Meißner: „Alle Lust zur Arbeit ist geschwunden“ in: Heimatkurier 6/1996 des Nordbayerischen Kuriers, S. 10 f.
- ↑ Albrecht Bald: Widerstand, Verweigerung und Emigration in Oberfranken. Bumerang, Bayreuth 2015, ISBN 978-3-929268-28-7, S. 31.
- ↑ Bernd Mayer: Bayreuth im zwanzigsten Jahrhundert. Nordbayerischer Kurier, Bayreuth 1999, S. 71.
- ↑ Albrecht Bald, op. cit. S. 29.
- ↑ Frankenpost - Brücke ist ein halbes Jahr Baustelle