Ruschweiler
Ruschweiler ist eine Ortschaft mit rund 900 Einwohnern in der Gemeinde Illmensee in Baden-Württemberg und grenzt direkt an den Ortsteil Illmensee.
Ruschweiler Gemeinde Illmensee
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Koordinaten: | 47° 52′ N, 9° 22′ O |
Höhe: | 723 m |
Einwohner: | 919 (2021)[1] |
Eingemeindung: | 1. September 1971 |
Postleitzahl: | 88636 |
Vorwahl: | 07558 |
Geographie
BearbeitenGeographische Lage
BearbeitenRuschweiler liegt in einer eiszeitlichen Seenplatte mit dem Ruschweiler See, dem Volzer See und dem Illmensee, die vor allem für den Tourismus genutzt wird.
Gliederung
BearbeitenZu Ruschweiler gehören die Dörfer Ruschweiler, Judentenberg und Neubrunn, der Gampenhof, die Häuser Im Kläfflerösch, Im Pfisteri, Im Sturmberg, In den Bachäckern, In den Furtäckern [Hungerberg], die Volzenhöfe sowie die abgegangenen Orte Ruschried und Seligenstatt bei Judentenberg.[2]
Ruschweiler See
BearbeitenAuf der Gemarkung des Ortes liegt der rund 22 Hektar große Ruschweiler See. Mit einer mittleren Tiefe von 8,9 und einer maximalen Tiefe von 17,3 Metern ist er tiefer als der benachbarte, größere Illmensee.
Geschichte
BearbeitenDie früheste Besiedlung Ruschweilers konnte durch jungsteinzeitliche Pfahlbauten am Ostufer des Ruschweiler Sees nachgewiesen werden.[3]
Mittelalter
BearbeitenDer Dorfname heißt erst ab etwa dem Jahre 1600 Ruschweiler. Um 1228 schrieb es sich Rustenswilare, ein Jahrhundert später gar Rusoltswiler und um das Jahr 1479 Russchwyler. Bezugswort für den Ortsnamen ist der Personennamen Ruadstein, also der Weiler von Ruadstein.[4]
1645 war Ruschweiler Bestandteil der Grafschaft Heiligenberg. Dem Ruschweiler Amt waren Brunnhausen, Egelreute, Gampenhof, Judentenberg, Neubrunn, Ruschweiler und Volzenhof untergeordnet. Später kamen Andelsbach, Hüttenberg, Illmensee und Pfrungen hinzu.
NS-Zeit
BearbeitenLangenargen, Meckenbeuren, Brochenzell, Oberteuringen und Madenreute waren Schauplätze einer ganzen Reihe von NS-Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen.[5] Unter Initiative des Friedrich Mußgays wurde im August 1940 die 17-jährige Anna F. verhaftet. Ihr wurde vorgeworfen, sich mit dem polnischen Zwangsarbeiter Mieczyslaw Gawlowski eingelassen zu haben. Mieczyslaw Gawlowski und Anna F. wurden inhaftiert.[6][7] Die Exekution des Polen reihte sich ein in eine ganze Reihe weitere Exekutionen in Oberteuringen, Langenargen und Meckenbeuren, welche Gestapochef Friedrich Mußgay aus Stuttgart mit den jeweiligen Bürgermeistern und Ortspolizeistationen organisierte. Alle Frauen wurden nach den Morden ins KZ Ravensbrück verbracht.[8] Am 27. Juli 1941 wurde der Gawlowski vor allen polnischen Zwangsarbeitern der Gemeinde in Ruschweiler erhängt und zur Gerichtsmedizin Tübingen gekarrt. Höhepunkt der perfiden Veranstaltungen im Mai/Juni 1941 in Oberschwaben waren das Treffen der Entourage des Todes nach der Exekution vom 30. Mai 1941 in Oberteuringen im Gasthof Zur Post. Aussage Polizeimeister Reck 16. Oktober 1959: „…Wir bekamen jeder 2 Glas Bier und 1 Paar Würste…“.
Die Gemeinde Ruschweiler stellte 2005 einen Gedenkstein am Hinrichtungsort auf[9][10]. Er erinnert an den 23-jährigen Polen Mirtek Grabowski (ein Archivbestand hat den Namen: Mieczysław, kurz: Mietek, Gawłowski) aus Łódź, der nach einem Rassenschandeprozess am 24. Juli 1941 wegen seiner Liebe zu dem 17-jährigen Ruschweiler Mädchen Anna Frirdich von den Nationalsozialisten an einem Birnbaum oberhalb von Ruschweiler erhängt wurde.[11] Ganz in der Nähe der Mordstelle, steht auf dem Gedenkstein des Mahnmals eine von Jörg Ehni verfasste Inschrift: Rede Stein! Schweige nicht![12] Frirdich musste seinerzeit in zahllosen Verhören, im Jugendgefängnis Preungesheim und im KZ Ravensbrück, aus dem sie im Dezember 1942 entlassen wurde, für ihre Liebe leiden.[13][14][15][16][17]
Neuzeit
BearbeitenRuschweiler war eine selbständige Gemeinde im Landkreis Überlingen, bevor sie sich am 1. September 1971 mit Illwangen und Illmensee zusammenschloss.[18]
Politik
BearbeitenWappen
BearbeitenDas Wappen der ehemaligen Gemeinde Ruschweiler zeigt in Blau mit blau-silbernem Wolkenbord einen schrägen silbernen Waller.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
BearbeitenBauwerke
Bearbeiten- Die der „Maria, Mutter der immerwährenden Hilfe“ geweihte Kapelle in Ruschweiler wurde im Jahr 1908 erbaut. Die Kapelle dient nicht nur der katholischen Pfarrgemeinde Illmensee-Ruschweiler, sondern wird auch für evangelische Gottesdienste genutzt.
- Direkt an der Kirche befindet sich eine ungewöhnliche Gedenksäule, die an den Unfalltod eines örtlichen Pfarrers erinnert.
- Der Kapellenvorplatz mit einer Natursteinmauer aus Luzerner Gneis und dem neuen, von Kunstschmiedemeister Peter Klink entworfenen Ruschweiler Dorfbrunnen, wurde 2008 neu gestaltet. Alle Namenswandlungen der Ruschweiler Ortsnamen-Forschung sind auf dem Taillenband des neuen Dorfbrunnens in Metall geschlagen und verewigt.
- In Judentenberg steht die im Kern romanische Martinskapelle, die im 11. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde
- Nahe dem Ortskern von Judentenberg wurden 1997 die 3 ersten wirtschaftlich betriebenen Windkraftanlagen Oberschwabens errichtet. Typ Nordex N54 mit je 1 MW Anlagenleistung.
- An der Straße von Ruschweiler in Richtung Judentenberg befindet sich ein am 11. September 2005 im Rahmen des damaligen Denkmaltages „Stätten des Erinnerns“ eingeweihtes und zuvor von Ruschweiler Bürgern errichtetes Denkmal. Es erinnert an den 23-jährigen Polen Mirtek Grabowski (ein Archivbestand hat den Namen: Mieczysław, kurz: Mietek, Gawłowski) aus Łódź, der nach einem Rassenschandeprozess am 24. Juli 1941 wegen seiner Liebe zu dem 17-jährigen Ruschweiler Mädchen Anna Frirdich von den Nationalsozialisten an einem Birnbaum oberhalb von Ruschweiler erhängt wurde.[19] Ganz in der Nähe der Mordstelle, steht auf dem Gedenkstein des Mahnmals eine von Jörg Ehni verfasste Inschrift: Rede Stein! Schweige nicht![20] Frirdich musste seinerzeit in zahllosen Verhören, im Jugendgefängnis Preungesheim und im KZ Ravensbrück, aus dem sie im Dezember 1942 entlassen wurde, für ihre Liebe leiden.[21][22][23][24][25]
Regelmäßige Veranstaltungen
Bearbeiten- In Ruschweiler wird am Funkensonntag ein Funken entzündet.
- Das Kapellenfest, auch „Käpele-Fest“ genannt, ist eine traditionelle Veranstaltung mit heiliger Messe auf dem Vorplatz der Kapelle und weltlicher Feierlichkeit im Festzelt auf der Huberwiese.[26]
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Zahlen, Daten, Fakten - Gemeinde Illmensee. Abgerufen am 1. Oktober 2022.
- ↑ Vgl. Verwaltungsraum Pfullendorf. In: Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band VII: Regierungsbezirk Tübingen. hrsg. von d. Landesarchivdirektion Baden-Württemberg. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 1978, ISBN 3-17-004807-4, S. 834–850, hier: Illmensee c) Ruschweiler S. 844f.
- ↑ Listeneintrag Illmensee – Ruschweilersee ( des vom 5. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf UNESCO-Weltkulturerbe „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“
- ↑ Heinrich Löffler: Die Weilerorte in Oberschwaben. Stuttgart, 1968.
- ↑ http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=2-107700 Ermittlungsakte Mußgay 1959–1960
- ↑ https://www.tuebingen.de/Dateien/graeberfeldx_verzeichnis.pdf Liste der ermordeten im Gräberfeld Tübingen
- ↑ https://zwangsarbeitermorde.jimdosite.com/ Zwangsarbeitermorde in Oberschwaben und Linzgau
- ↑ https://www.dsk-nsdoku-oberschwaben.de/fileadmin/benutzerdaten/dsk-nsdoku-oberschwaben-de/Forschungsergebnisse/Meckenbeuren_-_Scherung_einer_Frau.pdf SZ Bericht zu Widerstand in Meckenbeuren
- ↑ Mieczyslaw Gawlowski Artikel Südkurier 1. September 2022
- ↑ https://www.dsk-nsdoku-oberschwaben.de/erinnerungswege/stadt-ulm-und-landkreise-alb-donau-und-biberach/illmensee-ruschweiler-schauplatz-rassenschande-mord/ NS Dokumentation Ruschweiler
- ↑ Olaf Brandt, Jörg Ehni: Der Gedenkstein für Anna Frirdich und Mirtek Grabowski. Gedenkfeier am 11. September 2005. Ruschweiler 2005, DNB 1027082165. (masch.-schr. vervielfältigt). Der erwähnte Archivbestand umfasst die Einleitungsvermerke des Generalstaatsanwalts bei dem Kammergericht Berlin aus den sechziger Jahren aus einer Ermittlung gegen ehemalige Angehörige des Reichssicherheitshauptamts wegen der Erteilung sogenannter "Sonderbehandlungs-Erlaubnisse", das heißt Exekutionsverfügungen, an die Staatspolizei-Leitstellen im "Reich"; diese Einleitungsvermerke sind erhalten im Landesarchiv Berlin, im Bestand B Rep. 057-01, in der Akte Nr. 110. Die erste Erwähnung des Namens "Gawlowski, Miecyslaw" steht in Nr. 110 auf Blatt 40 des Einleitungsvermerks zu 1 AR 123.63 vom 8. Dezember 1964, Seite 49. Dort ist auch verwiesen auf das Aktenzeichen VI KLs 2/62 der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, die bereits kurz zuvor eigene Ermittlungen angestellt hatte. Im selben Bestand auf Blatt 194 steht im Einleitungsvermerk vom 8. Juli 1966 zu 1 Js 4/64 (RSHA) auf Seite 2 der Name "Gawlowski, Mieczyslaw", geboren am 15. November 1915. Das zugehörige Aktenzeichen der Karlsruher Staatsanwaltschaft wird dort als 22 Js 514/60 bezeichnet, das später zu VI KLs 2/62 zusammengefasst worden sei.
- ↑ Gudrun Beicht (bei): Treffen der Geschichtsfreunde. In: Südkurier. 26. Juni 2008.
- ↑ Ingo Selle: Gemeinde setzt ein großes Zeichen. In: Schwäbische Zeitung. 7. September 2005.
- ↑ Gudrun Beicht: “Rede Stein! Schweige nicht!”. In: Südkurier. 13. September 2005.
- ↑ Gudrun Beicht: Erinnerung an eine grausame Tat wachhalten. In: Südkurier. 13. September 2005.
- ↑ Olaf Brandt: Schauplatz „Rassenschande“ – Mord in Illmensee-Ruschweiler. In: Denkstättenkuratorium NS-Dokumentation Oberschwaben (Hrsg.): Denkorte an oberschwäbischen Erinnerungswegen in den Landkreisen Bodenseekreis und Sigmaringen. 2012, S. 34.
- ↑ In Baden-Württemberg bestehen ähnliche Gedenkzeichen sowohl auf dem Gebiet des ehemaligen Württemberg-Hohenzollern als auch auf dem Gebiet des ehemaligen Baden. Bezüglich Württemberg-Hohenzollern ist dies das Denkmal für Mieczysław Wiecheć bei Ebersbach-Sulpach. Bezüglich Baden sind dies die Denkmale für Jan Kobus in Pfullendorf, für Jan Ciechanowski nahe Haslach im Kinzigtal, für Bernard Perzyński südlich von Schiltach im Kinzigtal, für Marian Lewicki zwischen Villingen und Pfaffenweiler, für Franciszek Zdrojewski und Józef Wójcik bei Ichenheim in der Gemeinde Neuried und für Marian Grudzień, Józef Krakowski und Brunon Orczyński nahe Rütte bei Herrischried.
- ↑ Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 503 (Statistische Bibliothek des Bundes und der Länder [PDF]).
- ↑ Olaf Brandt, Jörg Ehni: Der Gedenkstein für Anna Frirdich und Mirtek Grabowski. Gedenkfeier am 11. September 2005. Ruschweiler 2005, DNB 1027082165. (masch.-schr. vervielfältigt). Der erwähnte Archivbestand umfasst die Einleitungsvermerke des Generalstaatsanwalts bei dem Kammergericht Berlin aus den sechziger Jahren aus einer Ermittlung gegen ehemalige Angehörige des Reichssicherheitshauptsamts wegen der Erteilung sogenannter "Sonderbehandlungs-Erlaubnisse", das heißt Exekutionsverfügungen, an die Staatspolizei-Leitstellen im "Reich"; diese Einleitungsvermerke sind erhalten im Landesarchiv Berlin, im Bestand B Rep. 057-01, in der Akte Nr. 110. Die erste Erwähnung des Namens "Gawlowski, Miecyslaw" steht in Nr. 110 auf Blatt 40 des Einleitungsvermerks zu 1 AR 123.63 vom 8. Dezember 1964, Seite 49. Dort ist auch verwiesen auf das Aktenzeichen VI KLs 2/62 der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, die bereits kurz zuvor eigene Ermittlungen angestellt hatte. Im selben Bestand auf Blatt 194 steht im Einleitungsvermerk vom 8. Juli 1966 zu 1 Js 4/64 (RSHA) auf Seite 2 der Name "Gawlowski, Mieczyslaw", geboren am 15. November 1915. Das zugehörige Aktenzeichen der Karlsruher Staatsanwaltschaft wird dort als 22 Js 514/60 bezeichnet, das später zu VI KLs 2/62 zusammengefasst worden sei.
- ↑ Gudrun Beicht (bei): Treffen der Geschichtsfreunde. In: Südkurier. 26. Juni 2008.
- ↑ Ingo Selle: Gemeinde setzt ein großes Zeichen. In: Schwäbische Zeitung. 7. September 2005.
- ↑ Gudrun Beicht: “Rede Stein! Schweige nicht!”. In: Südkurier. 13. September 2005.
- ↑ Gudrun Beicht: Erinnerung an eine grausame Tat wachhalten. In: Südkurier. 13. September 2005.
- ↑ Olaf Brandt: Schauplatz „Rassenschande“ – Mord in Illmensee-Ruschweiler. In: Denkstättenkuratorium NS-Dokumentation Oberschwaben (Hrsg.): Denkorte an oberschwäbischen Erinnerungswegen in den Landkreisen Bodenseekreis und Sigmaringen. 2012, S. 34.
- ↑ In Baden-Württemberg bestehen ähnliche Gedenkzeichen sowohl auf dem Gebiet des ehemaligen Württemberg-Hohenzollern als auch auf dem Gebiet des ehemaligen Baden. Bezüglich Württemberg-Hohenzollern ist dies das Denkmal für Mieczysław Wiecheć bei Ebersbach-Sulpach. Bezüglich Baden sind dies die Denkmale für Jan Kobus in Pfullendorf, für Jan Ciechanowski nahe Haslach im Kinzigtal, für Bernard Perzyński südlich von Schiltach im Kinzigtal, für Marian Lewicki zwischen Villingen und Pfaffenweiler, für Franciszek Zdrojewski und Józef Wójcik bei Ichenheim in der Gemeinde Neuried und für Marian Grudzień, Józef Krakowski und Brunon Orczyński nahe Rütte bei Herrischried.
- ↑ Sabine Hug (hug): Kapellenfest lockt viele Gläubige nach Ruschweiler. In: Südkurier. vom 12. Juli 2011.