Gau Mainfranken

territoriale Verwaltungseinheit der NSDAP
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Der Gau Mainfranken war eine Verwaltungseinheit der NSDAP. Bis 1935 hieß er Gau Unterfranken.

Gaue des Deutschen Reiches 1944

Geschichte und Struktur

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Am 27. Juni 1927 wurde der „Gau Unterfranken“ gegründet.[1] Gauleiter war offiziell seit 1928 der Zahnarzt Otto Hellmuth, der bisher der Schriftleiter von Gauzeitungen („Nationale Stimme“) gewesen war und der sich vom Nürnberger Gauleiter Julius Streicher abzuheben versuchte. 1933 zog er als Abgeordneter in den nationalsozialistischen Reichstag ein. Im Freistaat Bayern wurde 1933 Ritter von Epp als Reichsstatthalter eingesetzt, dem die sechs bayerischen Gaue auf der staatlichen Ebene unterstanden. Zu Hellmuths bisherigen Rängen und Titeln als Gauleiter, SA-Standartenführer und NSKK-Obergruppenführer kam am 1. Juli 1934 noch der des Regierungspräsidenten im Regierungsbezirk Unterfranken und Aschaffenburg bzw. (nach Umbenennung des Regierungsbezirks am 1. Juli 1937) Mainfranken. Mit gut 840.000 Einwohnern war der Gau einer der kleinsten, die Gauleitung saß in Würzburg im 1934 von den Nationalsozialisten erworbenen ehemaligen, durch den Architekten und späteren Stadtrat Fritz Saalfrank zum Gauhaus umgebauten Gebäude des Hotels Kronprinz in zur Adolf-Hitler-Straße umbenannten Theaterstraße 24.[2][3] Daneben waren viele weitere Gauämter in Würzburg ansässig.[4] Eine Gauführerschule, die Gauschulungsburg „Florian Geyer“, bestand in Schloss Gelchsheim.

Hellmuth wollte aus „seinem“ Gau einen Mustergau machen und der Bevölkerung eine Art mainfränkische Identität geben. Er sah Mainfranken als „Bauerngau“ und den mainfränkischen „Stamm“ in der Tradition der Bauern, die 1525 im Bauernkrieg für ihre Freiheit gekämpft hatten. Neben Florian Geyer (um 1490–1525), dem Bauernführer von 1525, wurden Dichter wie Wolfram von Eschenbach (1170/75-nach 1220) und der Künstler Balthasar Neumann (1687–1753) zum Vorbild. Hellmuth schuf einen Mainfränkischen Kunstpreis (später umbenannt in Max-Reger-Preis); der Beiname „Mainfranken“ tauchte fortan in vielen Bezeichnungen auf (Mainfränkisches Museum, Parteizeitung 1934–1945 Mainfränkische Zeitung). Die Gau-Ausstellung 1939 „Mainfranken wie es strebt und schafft“ sollte eine umfassende Leistungsschau sein.

Schon drei Wochen vor der ersten großen reichsweiten Boykottaktion gegen Juden am 1. April erzwang Hellmuth am 11. März 1933 in Würzburg die zeitweise Schließung jüdischer Geschäfte, Kanzleien und Praxen. Der Gauwirtschaftsberater Kurt Hasslinger plante die „Arisierung“ jüdischer Unternehmen voranzutreiben, vor allem sein Nachfolger ab 1937/38 Dr. Hans Vogel griff massiv in die Zwangsverkäufe ein, besonders im Viehhandel im Raum Bad Kissingen/Hammelburg.[5] Im Novemberpogrom 1938 wurden zahlreiche Synagogen und Geschäfte zerstört. Im November 1941 setzten die Deportationen der jüdischen Bevölkerung in den Osten ein.

Der Gauleiter wurde 1939 enttäuscht, als ihm aufgrund der „Verordnung über die Bestellung von Reichsverteidigungskommissaren“ vom 1. September 1939 das neue Amt des Reichsverteidigungskommissars nicht übertragen wurde, da der Gau keinem der 18 Wehrkreise entsprach. Erst mit der „Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung“ vom 16. November 1942 wurden die Parteigaue zu Reichsverteidigungsbezirken und damit jeder Gauleiter zum Reichsverteidigungskommissar gemacht. Daneben war er seit 1940 Gauwohnungskommissar. Am 6. April 1942 wurde er Beauftragter des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, am 25. September 1944 Führer des Volkssturms im Gau Mainfranken.

Im Dr.-Hellmuth-Plan wurde eine Besiedlung der Höhenlagen der Rhön und im Spessart mit einer speziell ausgelesenen Menschengruppe geplant, die letztlich scheiterte bis auf die Anlage des Rhönhofs 1937. Der Würzburger Mediziner und Leiter des Rassenpolitischen Amtes im Gau Ludwig Schmidt nahm rassenbiologische Erhebungen der Bevölkerung vor. Vom 3. bis 6. Oktober 1940 wurden auf Anordnung des Gauleiters insgesamt 777 Patienten aus der Heilanstalt Schloss Werneck verlegt. Davon kam die Hälfte in die Heil- und Pflegeanstalt Lohr am Main, die andere Hälfte über verschiedene Zwischenanstalten in die Tötungsanstalten der als „Euthanasie“ bezeichneten Ermordung von Geisteskranken und Behinderten im Schloss Sonnenstein bei Pirna und Schloss Hartheim bei Linz, wo sie vergast wurden.

Hellmuth flüchtete mit seiner Familie und der Gauleitung am 2. April 1945 zunächst nach Untermerzbach bei Ebern und dann über Haßfurt am 9. April 1945 nach Eggolsheim bei Forchheim in der Fränkischen Schweiz. Am 14. April 1945 löste sich die NSDAP in Mainfranken offiziell auf.

Gauleiter

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Gauleiter war

Stellvertreter waren

Literatur

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  • Werner Schneider: Die Entmannungen in Mainfranken in den Jahren 1934–1936. Band 14 von Schriften aus dem Rassenpolitischen Amt der NSDAP bei der Gauleitung Mainfranken zum Doktor-Hellmuth-Plan, 1937.
  • Astrid Freyeisen: Verbohrt bis zuletzt – Gauleiter Dr. Otto Hellmuth und das Ende des Nationalsozialismus in Unterfranken. In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst. Bd. 57, 2005, ISSN 0076-2725, S. 280–328.
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Einzelnachweise

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  1. wuerzburgwiki mit Angabe der Zehnjahresfeier 1937
  2. Adreßbuch
  3. Bild des Gauhauses (Memento vom 10. September 2019 im Internet Archive)
  4. Peter Weidisch: Würzburg im Dritten Reich. In: Geschichte der Stadt Würzburg. Band III. Hrsg. Ulrich Wagner, Theiss, Stuttgart 2007, S. 196–289.
  5. Axel Decroll: Der Fiskus als Verfolger: Die steuerliche Diskriminierung der Juden in Bayern 1933–1941/42 (Studien zur Zeitgeschichte, Band 78). Oldenbourg, München 2009, ISBN 978-3-486-58865-1, S. 56 u. 85 ff.