Gebrüder Otto

Spinnerei in Württemberg

Die Gebr. Otto Baumwollfeinzwirnerei GmbH + Co. KG (ehemals Gebr. Otto – Weberei und Zwirnerei[1] und Gebrüder Otto, mechanische Zwirnerei & Elektrizitätswerk[2][3]) ist eine im Jahre 1901 gegründete Spinnerei in Dietenheim im Alb-Donau-Kreis.[4]

Gebr. Otto Baumwollfeinzwirnerei GmbH + Co. KG

Logo
Rechtsform GmbH & Co. KG
Gründung 1901
Sitz Dietenheim, Deutschland Deutschland
Leitung Andreas Merkel
Mitarbeiterzahl 160 (2023)
Umsatz 30,5 Mio. Euro
Branche Textilindustrie
Website www.otto-garne.com

Geschichte

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Die Geschichte des Familienbetriebes in vierter Generation begann am Standort Dietenheim zunächst mit einer Zwirnerei und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg angesichts der steigenden Nachfrage nach Textilien um die zusätzlichen Bereiche Färberei, Merzerisation und Ringspinnerei erweitert.[5] Im Jahr 1953 wurde Werk 2 in Unterbalzheim in Betrieb genommen. Zu dieser Zeit führte die sich immer weiter verstärkende und noch anhaltende Globalisierung nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer totalen Umkrempelung und Verlagerung der Produktionsstandorte der Textilindustrie in die sogenannte Dritte Welt. Der 50-jährige Anpassungsprozess endete mit dem Ergebnis, dass im einstigen Textilland Baden-Württemberg nur noch wenige Spinnereiunternehmen ihren Standort erhalten haben. In Dietenheim alleine gab es in den 1970er-Jahren noch über 1000 textile Arbeitsplätze.[6] Otto entschied sich gegen eine Verlagerung der Produktion ins Ausland und setzt stattdessen auf eine Premium- und Nischenstrategie, um am internationalen Markt bestehen zu können.[5] Hierzu baute der jetzige Geschäftsführer und studierte Textilingenieur Andreas Merkel eine seit 2009 bestehenden Kooperation auf mit der Universität Ulm und der Fachhochschule Reutlingen, die ebenfalls in einer einstigen Textilhochburg beheimatet ist. Inzwischen gilt die Spinnerei als eine der modernsten Anlagen in ganz Europa.[7]

Produkte

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Die Spinnerei und Zwirnerei in Unterbalzheim sowie die Färberei in Dietenheim stellen Garne für die Bekleidungsindustrie her, die zu 100 Prozent in Deutschland produziert werden. Weiterhin werden unter dem Label „Otto-Medicare“ Hygieneprodukte hergestellt und vertrieben.[8] Die zweite Säule des Unternehmens ist die Entwicklung und Einführung nachhaltiger, ganzheitlicher Produktkonzepte unter dem Label „Sustainable Concepts“.[9] 2015 produzierte die Firma 3000 Tonnen Baumwollgarne, zwirnte 1000 Tonnen Garne. 900 Tonnen wurden gefärbt und 75 Tonnen merzerisiert.[10] Zu den Abnehmern der Garne zählen Markenbekleidungshersteller des mittleren bis gehobenen Segments aus Deutschland und angrenzenden Ländern, wie Trigema, Brax Leineweber, Eterna und Lacoste inklusive diverser Unterwäschehersteller, wie Mey, Falke, Schiesser, Triumph und Speidel sowie die Kinderbekleidungsmarke Petit Bateau der Groupe Yves Rocher.[11][12] Ein weiteres Geschäftsfeld des Traditionsbetriebes ist die Entwicklung und Herstellung von technischen Textilien.[13]

Nachhaltige Produktion

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Maschinenhaus Laufwasserkraftwerk Otto innerhalb des Firmengeländes Werk 2 Unterbalzheim

Die Unternehmenssparte „Sustainable Concepts“ der Gebrüder Otto GmbH & Co. KG befasst sich seit 1998 mit der Entwicklung und Einführung nachhaltiger, ganzheitlicher Produktkonzepte. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von Kapok als Rohstoff für die Garnherstellung. 2006 gelang es Otto, Kapok, das bis dahin als unverspinnbar galt, zusammen mit Baumwolle zu einem Garn zu verarbeiten.[11][6] Die Kapokfaser ist eine Hohlfaser, sechsmal leichter als Baumwolle ist sie die leichteste Naturfaser der Welt. Kapokbäume wachsen wild in allen tropischen Ländern und müssen weder bewässert, gedüngt oder mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden.[14][15][16]

Zum Nachhaltigkeitskonzept des Unternehmens gehören auch selbstentwickelte Recyclingverfahren. So bereitet Gebrüder Otto Abfälle wie fehlerhafte Garne, Spulfäden oder Webkanten auf und lässt diese wieder in den Produktionsprozess einfließen.[7] Dieses Produktionsverfahren wird „Recot²“ genannt. Der Name setzt sich aus den Teilen Re für recycled (wiederverwertet), cot für Cotton (Baumwolle) und dem Faktor 2 der Einsparmöglichkeit von Wasser zusammen.[17][6][18] Bei der Produktion von einem Kilogramm Baumwolle können so je nach Mischungsverhältnis bis zu 10.000 Liter Wasser eingespart werden.[19] Ein weiteres Innovationsfeld, in dem sich Otto bewegt, ist der Versuch aus recycelten Karbon-Kunststofffasern Garne herzustellen, was schon teilweise gelungen ist.[20]

Reallabor und Textilstadt

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In einem „Reallabor“ soll die Produktion in Dietenheim gläsern gemacht werden. So können die Konsumenten die Qualität einschätzen und den höheren Standard für Öko-Produkte erkennen.[21] Das Projekt „Reallabor“ zur nachhaltigen Transformation der Textilwirtschaft der beiden Hochschulen Universität Ulm (Lehrstuhl für Nachhaltige Unternehmensführung) und Hochschule Reutlingen wird von der baden-württembergischen Landesregierung mit 960.000 Euro gefördert.[22][23]

Zertifizierungen

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Auszeichnungen

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Verbände

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Gebrüder Otto ist Mitglied bei Südwesttextil, einem Wirtschafts- und Arbeitgeberverband der baden-württembergischen Textil- und Bekleidungsindustrie, in dem sich 150 Textilunternehmen im Südwesten Deutschlands zusammengeschlossen haben.[32] Ebenso ist Otto Mitglied des Vereins Ulmer Initiativkreis nachhaltige Wirtschaftsentwicklung e. V. (unw).

TV-Berichterstattung

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Literatur

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  • Gert von Klaß: Gebr. Otto Feinzwirnerei, Färberei u. Bleicherei, Mercerissieranstalt: 1901~1951. Im Das Spezial-Archiv der Deutschen Wirtschaft, Hoppenstedt, Heppenheim 1951.[35]
  • 75 Jahre Fortschritt: Gebr. Otto Dietenheim, Hoppenstedts Wirtschafts-Archiv, 1976 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
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Commons: Gebrüder Otto – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Kerstin Renz: Industriearchitektur im frühen 20. Jahrhundert. Das Büro von Philipp Jakob Manz. Deutsche Verlags Anstalt, München 2005, S. 137. ISBN 3-421-03492-3.
  2. H. Unold: Adress- und Geschäfts-Handbuch der Oberamtsstadt und der Bezirksgemeinden Laupheim, 1909, S. 128, 178. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  3. Zeitschrift für Beleuchtungswesen, Heiz and Luftungstechnik, Bände 16-17. 1910, S. 393. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  4. Company profile Gebrüder Otto GmbH & Co KG auf YouTube, 13. Mai 2013, abgerufen am 26. Dezember 2015.
  5. a b Presseinformation | Nachhaltig erfolgreiches Spinnen. In: www.oeko-tex.com. Abgerufen am 21. Juli 2016.
  6. a b c d e Garnhersteller Otto-Garne ist erfolgreich mit Öko-Zwirn, swp.de, 20. Februar 2014, abgerufen am 26. Dezember 2015.
  7. a b CSR-Beispiele aus der Praxis: Leuchtturmprojekte aus der Ulmer Region (Memento vom 26. Dezember 2015 im Internet Archive), unw-ulm.ltg-ulm.de, abgerufen am 26. Dezember 2015, Seite 22–25.
  8. Otto-Medicare als neues Standbein geplant (Memento vom 26. Dezember 2015 im Internet Archive) (swp.de vom 2. August 2010)
  9. Familienbetrieb Otto Garne seit 1901 (swp.de vom 28. April 2012, abgerufen am 26. Dezember 2015).
  10. Der lange Weg von der Faser zum Garn (swp.de vom 28. April 2012, abgerufen am 26. Dezember 2015).
  11. a b c Oeko-Tex Standard 100plus: Nachhaltig erfolgreiches Spinnen (Memento vom 26. Dezember 2015 im Internet Archive) (textile-network.de vom 21. August 203, abgerufen am 26. Dezember 2015).
  12. Fakten und Zahlen, 20. Februar 2014.
  13. Stefan Loeffler: Die spinnen diese Ökos! In: unternehmen! Ausgabe 46. swp, Juni 2015, abgerufen am 21. Juli 2016.
  14. Südwest Presse vom 11. Dezember 2010: Umweltpreis für Spinnerei Otto (Memento vom 13. Dezember 2010 im Internet Archive)
  15. Alexander Bögelein: Textilunternehmer Andreas Merkel aus Dietenheim ist mit nachhaltigen Konzepten erfolgreich, Schwäbisches Tagblatt, 30. März 2013.
  16. Stefanie Goldscheider: Kapok. In: www.biothemen.de. Abgerufen am 21. Juli 2016.
  17. Recyceln am laufenden Faden (swp.de vom 28. April 2012, abgerufen am 26. Dezember 2015)
  18. Nicht wegschauen, Lösungen suchen! (ev-akademie-boll.de vom 14. April 2014, abgerufen am 26. Dezember 2015).
  19. Hauptsache es sieht gut aus (Memento vom 26. Dezember 2015 im Internet Archive) (umwelt-baut-bruecken.de vom 25. Januar 2014, abgerufen am 26. Dezember 2015).
  20. Ökologische Ausrichtung als Erfolgsfaktor einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung (Memento vom 26. Dezember 2015 im Internet Archive) (unw-ulm.ltg-ulm.de, Ausgabe 16 vom 15. Oktober 2008, Seite 29).
  21. Firma Otto Garne plant gläserne Produktion (swp.de vom 14. Februar 2015, abgerufen am 26. Dezember 2015).
  22. 960 000 Euro für Reallabor zur nachhaltigen Textilwirtschaft (idw-online.de vom 17. Oktober 2014, abgerufen am 26. Dezember 2015).
  23. Wird Dietenheim wieder Textilstadt? (swp.de vom 21. Oktober 2014, abgerufen am 26. Dezember 2015).
  24. a b c d e f g Kurzprofil der Gebrüder Otto GmbH & Co. KG auf Go-Textile.de (go-textile.de, abgerufen am 26. Dezember 2015).
  25. Nachhaltig erfolgreiches Spinnen: Die Gebrüder Otto GmbH & Co. KG ist nach OEKO-TEX® Standard 100plus zertifiziert (oeko-tex.com vom 1. Mai 2013, abgerufen am 26. Dezember 2015).
  26. Datenbank – Nachhaltig-einkaufen.de. In: www.nachhaltig-einkaufen.de. Abgerufen am 21. Juli 2016.
  27. Invitaton Sustainability Award. Abgerufen am 21. Juli 2016.
  28. Oeko-tex honours sustainable textile production. Abgerufen am 21. Juli 2016.
  29. Baden-Württemberg sucht: 100 Betriebe für Ressourceneffizienz | Übersicht | Pure BW Portal. In: pure-bw.de. Abgerufen am 21. Juli 2016.
  30. Gebrüder Otto nominated for ITMA award with Mayer & Cie.’s spinitsystems, knittingindustry.com vom 10. September 2015, abgerufen am 26. Dezember 2015.
  31. Industry Excellence Award Finalist – Gebrüder Otto GmbH & Co. KG auf YouTube, 10. November 2015, abgerufen am 26. Dezember 2015.
  32. Mitglieder von „Südwesttextil“ (suedwesttextil.de, abgerufen am 26. Dezember 2015)
  33. Landesschau Baden-Württemberg heute und Baden-Württemberg aktuell vom 24. April 2003 in der Deutschen Digitalen Bibliothek, abgerufen am 26. Dezember 2015.
  34. Bio-Spinnerei in Dietenheim: Baumwolle ohne Gift | Startseite | natürlich! In: swr.online. Abgerufen am 21. Juli 2016.
  35. Gebr. Otto Feinzwirnerei, Färberei u. Bleicherei, Mercerissieranstalt: 1901–1951, Hoppenstedt, Heppenheim 1951.

Koordinaten: 48° 12′ 32,3″ N, 10° 4′ 16,2″ O