Georg-Siegfried Schmutzler

deutscher Pfarrer und DDR-Widerstandskämpfer

Ernst Georg Siegfried Schmutzler (zum Vornamen s. u.; * 14. März 1915 in Leipzig; † 11. Oktober 2003 in Berlin)[1] war ein deutscher evangelisch-lutherischer Pfarrer, Dissident und Widerstandskämpfer gegen die SED-Diktatur.

Das Grab von Georg-Siegfried Schmutzler auf dem Friedhof Lilienthalstraße (Berlin)

Namensvarianten

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Autobiographisch und nach DNB, deshalb hier lemmabildend: Georg-Siegfried Schmutzler; daneben sind in der Literatur verschiedene Formen des Vornamens nachweisbar:

Ernst Georg Siegfried Schmutzler – Der vollständige Vorname lautete den Angaben von Angehörigen zufolge Ernst Georg Siegfried Schmutzler, wobei Siegfried der Rufname war[2].

Georg-Siegfried Schmutzler – Die Autobiografien (1992, 1994) u. a. führen den (für das hiesige Lemma maßgeblichen) Doppelnamen Georg-Siegfried Schmutzler; so auch bei der DNB[3] und z. B. Gerhard Besier: Der SED-Staat und die Kirche 1969–1990. Die Vision vom »Dritten Weg«[4].

Georg Siegfried Schmutzler – Die Doppelnamensform ohne Bindestrich scheint außerhalb der Wikipedia selten nachgewiesen, so z. B. im Text [!] des Leipzig-Lexikons und einer landeskirchlichen Bildunterschrift[5].

Siegfried Schmutzler – Dagegen wurde die Dissertation 1939 noch unter dem Rufnamen Siegfried Schmutzler veröffentlicht; die Namensform erscheint ebenso in der Prozessdokumentation des Spiegels von 1957, in den Veröffentlichungen bis 1975 und ebenso später auch bei Gerhard Besier: „Pfarrer, Christen und Katholiken“[6], bei Neubert, im Leipzig-Lexikon (in der Überschrift), in Chrismon, im Untertitel des Gemäldes Aufrecht stehen von Reinhard Minkewitz (s. u. unter Ehrungen, Literatur und Weblinks) sowie im Nekrolog des kirchlichen Amtsblatts[1].

Georg Schmutzler – Diese Namensform verwendete Schmutzler seit den 1970er Jahren zunehmend in seiner Korrespondenz.[2]

Georg-Siegfried Schmutzler wuchs in Leipzig bei seiner Mutter auf. Sein Vater war während des Ersten Weltkriegs in Amerika verschollen. Trotz wirtschaftlich schwieriger Verhältnisse ermöglichte ihm seine Mutter den Besuch an der Oberrealschule-Ost (der späteren Humboldtschule) in Leipzig-Reudnitz.[7] Ab 1933 studierte er Pädagogik und Philosophie an der Universität Leipzig u. a. bei Theodor Litt[8] und wurde dort 1939 über Schleiermachers Erziehungstheorie zum Dr. phil. promoviert.[9] 1939 aufseiten der Bekennenden Kirche stehend, wurde er durch langen Kriegsdienst und eine Tuberkuloseerkrankung am „aktiveren“ Widerstand gehindert.[10]

Bald nach dem Überfall Deutschlands auf Polen wurde er zur militärischen Grundausbildung in Döbeln eingezogen[11] und arbeitete danach als Volksschullehrer, u. a. erteilte er Religionsunterricht. Als Wehrmachtsangehöriger war er ab 1941 in Jugoslawien eingesetzt und in Auseinandersetzungen mit Partisanen verwickelt.[12] Im gleichen Jahr heiratete er die Volksschullehrerin Marianne Dachsel.[12] Bis zum Februar 1946 blieb er Kriegsgefangener.

Unter geänderten politischen Rahmenbedingungen in der Sowjetischen Besatzungszone konnte er nicht wieder in den Schuldienst zurückkehren. Bereits in den ersten Kriegsjahren entstand der Wunsch, Theologie zu studieren,[10] und so begann er 1946 ein Studium der evangelischen Theologie in Leipzig. Er hörte wieder bei Litt, ferner bei Ernst Sommerlath, dem er assistierte, Albrecht Alt, Albrecht Oepke, Franz Lau und Martin Doerne. Die Evangelische Studentengemeinde wird ihm zur „Mitte“ seines Lebenszusammenhangs.[13] 1951 schloss er das Studium mit dem Fakultätsexamen ab, woran sich die Ausbildung als Lehrvikar im Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenamt Sachsen in Dresden anschloss.[14]

Bereits 1946/47 war er Stadtverordneter in Markranstädt bei Leipzig, 1946–1950 Mitglied der CDU[6].

1952 ordiniert, wirkte er zunächst als Hilfsgeistlicher in Panitzsch (Kirchenbezirk Leipzig-Land), danach arbeitete er als Pfarrer an der Kreuzkirche in Dresden mit Dienstleistung als Studieninspektor im Predigerseminar Lückendorf. Von 1954 bis 1957 wirkte er als Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens an der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde St. Petri in Leipzig und zugleich als Studentenpfarrer der Evangelischen Studentengemeinde Leipzig (ESG Leipzig), wo er sich kritisch mit der herrschenden Ideologie und der entsprechenden staatlichen Praxis der DDR auseinandersetzte.

 
Solidarischer Schweigemarsch in Freiburg im Breisgau (Dezember 1957)

Nach einer Evangelisationswoche in Böhlen vom 23. Februar bis zum 1. März 1957 unter Beteiligung von Studierenden der ESG Leipzig wurde Schmutzler am 5. April 1957 in seiner Wohnung in der Alfred-Kästner-Straße 11 in Leipzig von der Staatssicherheit der DDR verhaftet. Nach einem von gegensätzlichem propagandistischen Medieninteresse im In- und Ausland[15] begleiteten „Schauprozess[16] wurde Schmutzler am 28. November 1957 wegen sog. „Boykotthetze“ zu fünf Jahren Haft verurteilt.[17] Er war bis zu seiner (vorzeitigen) Entlassung am 18. Februar 1961 in Torgau inhaftiert. Ein seitens der DDR geplanter, durch den Jura-Professor Friedrich Karl Kaul sondierter Gefangenenaustausch gegen Robert Esterle, ein am 27./28. Mai 1960 in der Bundesrepublik Deutschland verurteiltes Mitglied der 1956 für illegal erklärten KPD, fand nicht statt.[18] Nach seiner Entlassung hat nach Schmutzlers Angaben der sächsische Landesbischof Gottfried Noth bei ihm – unausgesprochen wohl für die opportunistische, wenigstens zurückhaltend-taktierende Haltung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens – um Vergebung gebeten.[19]

Schmutzler wurde dann Pfarrer an der Jakobikirche in Dresden mit Dienstleistung im Landeskirchenamt und damit für 20 Jahre bis zu seinem Ruhestand Theologisch-pädagogischer Fachberater der sächsischen Landeskirche und beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK).[20] Vom Sommersemester 1968 bis zum Sommersemester 1981 lehrte er als Lehrbeauftragter für Philosophie und im gleichen Zeitraum als Lehrbeauftragter für Pädagogik am Theologischen Seminar Leipzig[21] und war seit 1970 Mitglied der Kommission „Kirchliche Arbeit mit Kindern und Konfirmanden“ des BEK.

1981 trat er in den Ruhestand und zog dann nach West-Berlin, wo er mit seiner zweiten Ehefrau lebte[22]. In der Paul-Schneider-Kirchengemeinde Berlin-Lankwitz war er von 1982 bis 2000 Leiter der Arbeitsgruppe „Frieden“.

Schmutzler wurde am 9. Juli 1991 politisch rehabilitiert.[23] 1996 fanden im Saal 115 des Leipziger Landgerichtes – am Ort seiner Verurteilung – Revisionsprozesse gegen die damaligen DDR-Richter Kurt Bachert und Erich Wirth statt, wobei Schmutzler als Zeuge auftrat.[24]

Die Arbeit der nach dem Tode seines Lehrers 1997 gegründeten Theodor-Litt-Gesellschaft begleitete Schmutzler „mit wachem, manchmal auch kritischem Interesse“[25].

Im September 2006 übergab Schmutzlers Witwe Regina den schriftlichen Nachlass ihres Mannes an das Leipziger Universitätsarchiv.[25]

Folgen des Prozesses gegen Schmutzler

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Das Schicksal der im Gefolge des Schmutzler-Prozesses[26] vom Ministerium für Staatssicherheit festgenommenen und verhörten, zunächst mit Uni-Betretungverbot und Stipendienentzug belegten, dann zu Haftstrafen verurteilten oder (zeitweilig und DDR-weit) exmatrikulierten bzw. (dauerhaft und DDR-weit) relegierten und ab 1990 nur z. T. rehabilitierten Studentinnen und Studenten ist bisher lediglich ansatzweise aufgearbeitet worden.[27] Während die Theologiestudenten vergleichsweise problemlos an andere, d. h. kirchliche Ausbildungsstätten wechseln und das Studium ohne nennenswerte Unterbrechung fortsetzen konnten, musste sich z. B. ein exmatrikulierter Chemiestudent anderthalb Jahre „in der Produktion bewähren“, bevor er sein Studium durch eine „Bürgschaft“ (für politisches Wohlverhalten) des Theologie-Professors Emil Fuchs wieder aufnehmen durfte.

Eine Entschuldigung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens gegenüber den anderen Inhaftierten und Verfolgten – ähnlich der Vergebungsbitte von Landesbischof Noth 1961 (s. o.) – ist unterblieben; eine moralische wie materielle Wiedergutmachung ist bisher allein über die (staatlichen) Rehabilitierungsgesetze gegeben. Die Verfolgungen der Studierenden im Umfeld des Schmutzler-Prozesses und eine kritische Auseinandersetzung mit der damaligen Haltung der Landeskirche sowie Schmutzlers selbst sind – bei Würdigung lokal und inhaltlich begrenzter Ansätze (und dies erst 2011!) – in die gesamtkirchliche Erinnerungskultur der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens erkennbar nicht eingegangen.[28] Abgesehen von Schmutzlers eigenen Erinnerungen[29] ist die Opferperspektive bis auf eine bekannte Ausnahme undokumentiert geblieben[30]. Die Täterperspektive ist des zeitlichen Abstands wegen nur noch aus den schriftlichen Zeugnissen (wie z. B. Stasi-Unterlagen, Berichten der SED-Kreisleitung und [SED-]Universitätsparteileitung sowie Gerichtsprotokollen) rekonstruierbar.

Zu den namentlich bekannten politisch verfolgten Studierenden[31] im Zusammenhang des Schmutzler-Prozesses gehören die Theologie-Studenten Andreas Jentsch[32][33], Wolfgang Wohllebe[32][33], Hanno Schmid[32], Eva Opitz sowie der Gymnasiast Friedemann Berger.

Als Nachfolger Schmutzlers setzte die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens den „loyalere[n]“[34] Studentenpfarrer Dietrich Mendt ein, der seinen Schwerpunkt (zunächst) nicht in der politischen Auseinandersetzung und Außenwirkung der ESG vielmehr in der inneren und geistlichen Konsolidierung derselben angesichts ihrer „kompletten Überwachung“ sah[35].

Bericht über den Schmutzler-Prozess vor Senatsmitgliedern der Universität Halle

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Der damalige Prorektor für Studienangelegenheiten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Rudolf Herrmann nutzte 1957 eine Sitzung des Senats dazu, um über den Gerichtsprozess und das Urteil gegen den Studentenpfarrer der ESG Leipzig zu berichten.[36] Er leitete mit dem Schmutzler-Prozess den Lagebericht an der Hallenser Universität ein. Seine Ausführungen über den „Kurs gegen die Kirche und die Studentengemeinden in dieser Zeit“ wurden als „erschreckend“ empfunden, besonders von jenen Senatsmitgliedern, die mit der evangelischen Kirche eng verbunden waren, wie der Religionswissenschaftler Arno Lehmann und der Agrarwissenschaftler Erich Hoffmann, und deren Kinder Veranstaltungen der ESG Halle besuchten und sie selbst dort als Referenten wirkten.

Ehrungen

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Im Oktober 1996 wurde Schmutzler das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.[37][38]

Am 17. September 1997 beschloss die Ratsversammlung der Stadt Leipzig, Schmutzler die Ehrenmedaille der Stadt Leipzig zu verleihen. Am 18. November 2004 wurde beschlossen, einer neu angelegten Straße im Leipziger Stadtteil Gohlis-Süd den Namen Schmutzlerstraße zu geben.

Seit 2012 erinnert eine Gedenktafel am Georg-Siegfried-Schmutzler-Haus, Sitz der ESG Leipzig, an Schmutzlers Leben und Wirken.[39]

Auf dem Monumentalgemälde Aufrecht stehen von Reinhard Minkewitz von 2015 im Leipziger Universitätsgebäude figuriert Schmutzler neben anderen politischen Opfern des DDR-Regimes an der Leipziger Universität: Herbert Belter, Werner Ihmels, Wolfgang Natonek, Ernst Bloch, Hans Mayer und Erich Loest.

Schriften

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Autobiografien

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  • Siegfried Schmutzler: Die Prinzipien der Unterstützung und der Gegenwirkung in Schleiermachers Erziehungstheorie. Dissertation, Universität Leipzig. Hoffmann, Inh. Fritz Seifert, Leipzig 1939, OCLC 247803961 (112 S.).
  • Siegfried Schmutzler: Wir haben das Leben gesehen.[41] Eine biblische Bilderfolge für Christenlehre und Gemeinde (mit Hans-Georg Anniès und Magdalena Kupfer). Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1970, DNB 750042796; 2. Aufl. Ebenda 1973, DNB 750052422.
  • Siegfried Schmutzler: Zeichen. Vierzehn Holzschnitte zu den Evangelien Ausgelegt für kirchliche Kinder-, Jugend- und Gemeindearbeit von Siegfried Schmutzler (mit Hans-Georg Anniès). Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1975, DNB 780146077; 2. Aufl. Ebenda 1980 DNB 821104039.
  • Georg-Siegfried Schmutzler: Opposition in der frühen DDR. Die Evangelische Studentengemeinde (ESG) Leipzig in den 50er Jahren. In: Gert Kaiser, Ewald Frie (Hrsg.): Arbeitskreis Christen, Staat und Gesellschaft in der DDR. [2] Vorträge und Diskussionen 1993/94. Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1994, ISBN 3-929-48306-8 (S. 66 zur Situation vor seiner Verhaftung), zit. n. Aribert Rothe: Evangelische Studentengemeinden in der DDR (PDF; 184 kB), S. 3. In: bejm-online.de. Website des Bundes Evangelischer Jugend in Mitteldeutschland (vgl. Evangelische Studierendengemeinde#Geschichte).
  • Georg-Siegfried Schmutzler: Die Rolle der Religion in Theodor Litts Pädagogik und Philosophie in seiner Leipziger Zeit. In: Theodor-Litt-Jahrbuch. ISSN 1439-1805, 2001/2. Leipzig 2002, ISBN 3-936522-22-7, S. 162.[42][43]

Siehe auch

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. a b Vgl. Wir gedenken verstorbener kirchlicher Mitarbeiter. In: Amtsblatt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Dresden, am 27. Februar 2004, Nrn. 3 und 4, S. A 25 (evlks.de (Memento vom 6. Mai 2005 im Internet Archive; PDF; 116 kB); abgerufen am 8. Dezember 2015; knapper Nekrolog des jeweils letzten Kalenderjahres, lediglich Namen, Geburts- und Sterbedatum sowie die letzte Tätigkeit umfassend).
  2. a b Angaben gemäß den Angehörigen (Memento vom 13. Juli 2012 im Webarchiv archive.today). In: esg-leipzig.de. 16. Februar 2011, Foren-Beitrag, 18:03 Uhr, abgerufen am 17. April 2017.
  3. Literatur von und über Georg-Siegfried Schmutzler im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek.
  4. Propyläen, Berlin u. a. 1995, ISBN 3-549-05454-8.
  5. Schmutzler im Theologischen Seminar Leipzig, undatiert. (Memento vom 21. Dezember 2015 im Internet Archive) In: evlks.de, abgerufen am 25. Mai 2017.
  6. a b „Pfarrer, Christen und Katholiken“. Das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR und die Kirchen (= Historisch-theologische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert / Quellen. Band 1). Hrsg. von Gerhard Besier. 2., vermehrte Auflage. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1992, ISBN 3-7887-1416-6, S. 942.
  7. Gerald Wiemers (Hrsg.): Leipziger Lebensbilder. Der Stadt Leipzig zu ihrer Ersterwähnung vor 1000 Jahren. 1015–2015 (= Sächsische Lebensbilder. Band 7; Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte. Band 39). Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Leipzig; Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-515-11145-4, S. 489–494, hier S. 490 f.
  8. In seiner Autobiographie würdigt Schmutzler seinen Lehrer Litt. Dieser gab ihm und seiner Generation „das philosophisch-pädagogische Rüstzeug zum geistigen Widerstand gegenüber den Zumutungen der NS-Ideologie und ihres Wahrheitsanspruches wie auch gegenüber der Ideologie, mit der wir es im östlichen Nachkriegsdeutschland zu tun hatten.“ G.-S. Schmutzler: Gegen den Strom, S. 29; zit. n. Wiemers, 2015, S. 492.
  9. Die Prinzipien der Unterstützung und der Gegenwirkung in Schleiermachers Erziehungstheorie. Dissertation, Universität Leipzig. Hoffmann, Inh. Fritz Seifert, Leipzig 1939. – In seiner Autobiografie Gegen den Strom (1992) bezeichnete Schmutzler den wegen politischer Differenzen auf eigenen Wunsch bereits 1937 emeritierten Theodor Litt als seinen „heimliche[n] Doktorvater“ (S. 40). – Zum Hintergrund siehe Wiemers, 2015, S. 491 (f.): Erstgutachter ist „der eher farblose Hermann Schneider […]. Zweitgutachter ist Hans-Georg Gadamer.“ (Beide waren 1933 Mitunterzeichner des Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat.)
  10. a b Wiemers, 2015, S. 492.
  11. G.-S. Schmutzler: Gegen den Strom. S. 54.
  12. a b G.-S. Schmutzler: Gegen den Strom. S. 56.
  13. G.-S. Schmutzler: Gegen den Strom, S. 68; zit. n. Wiemers, 2015, S. 493.
  14. Vgl. das Biogramm bei Cornelia Schnapka-Bartmuß: Die evangelischen Studentengemeinden Leipzig und Halle/Saale in den Jahren 1945 bis 1971. Dissertation, Universität Leipzig. Leipzig 2008, S. 398 f.
  15. Vgl. Der Spiegel unter Weblinks.
  16. Der Begriff wird auch von Wiemers, 2015, S. 489, verwendet.
  17. Vgl. zu Verhaftung, Verhören und Prozess: Schnapka-Bartmuß: Die evangelischen Studentengemeinden. S. 219–227; und ihre Einschätzung S. 225 Anm. 990: „Der Prozess gegen Schmutzler war ein klassischer Schauprozess.“ Vgl. Falco Werketin: Art. Schauprozesse. In: Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur. Hrsg. von Hans-Joachim Veen u. a. München 2000, S. 317 f., zit. nach Schnapka-Bartmuß, S. 225 Anm. 990. – Die Gedenktafel am Georg-Siegfried-Schmutzler-Haus, Sitz der ESG Leipzig (s. u. Ehrungen), nimmt diesen Begriff 2011 auf. – Zum Schmutzler-Prozess gibt es eine vorausgehende Parallele in der DDR-Justizgeschichte: Bereits 1952 wurde Johannes Hamel, der Studentenpfarrer von Halle (Saale), wegen „Boykotthetze“ verurteilt, nach internationalen Protesten und dem Volksaufstand 1953 freigelassen. Vgl. Schnapka-Bartmuß, S. 318–324.
  18. Vgl. Schnapka-Bartmuß: Die evangelischen Studentengemeinden. S. 233 f.
  19. Vgl. G.-S. Schmutzler: Gegen den Strom. S. 231, über die erste Begegnung Schmutzlers und seiner Frau seit dem Prozess mit dem Landesbischof Noth im Dresdener Landeskirchenamt: „Jetzt hielt der Bischof meine Hand, blickte mich an und fragte: »Bruder Schmutzler, können Sie uns vergeben?« Ich wusste nicht, wie mir geschah. Ich stammelte ein unbeholfenes Ja.“
  20. Vgl. G.-S. Schmutzler: Gegen den Strom. S. 231, und Schnapka-Bartmuß: Die evangelischen Studentengemeinden. S. 399.
  21. Der Nekrolog vermerkt: „zuletzt tätig als Landeskirchlich[er] Beauftragter für theologisch-pädagogische Arbeit“. Wir gedenken verstorbener kirchlicher Mitarbeiter. In: Amtsblatt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Dresden, am 27. Februar 2004, Nrn. 3 und 4, S. A 25 (evlks.de (Memento vom 6. Mai 2005 im Internet Archive; PDF; 116 kB); abgerufen am 8. Dezember 2015; knapper Nekrolog des jeweils letzten Kalenderjahres, lediglich Namen, Geburts- und Sterbedatum sowie die letzte Tätigkeit umfassend).
  22. Vgl. Dagmar Paffenholz: Art. Verurteilt, rehabilitiert und ausgezeichnet. S. 5.
  23. Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Wiemers, 2015, S. 489 Anm. 1.
  24. Armin Görtz: Pfarrer Schmutzler durchlebte nochmals DDR-Schauprozess. Zeuge sagte im Verfahren gegen Bachert aus. In: Leipziger Volkszeitung. Nr. 106, 7. Mai 1996; zit. n. Wiemers, 2015, S. 493.
  25. a b Wiemers, 2015, S. 494.
  26. Der Begriff bei Schnapka-Bartmuß: Die evangelischen Studentengemeinden. S. 152, 187, 289, 294, 302, 309, 340 f. u. ö.
  27. Vgl. dazu Cornelia Schnapka-Bartmuß: Die evangelischen Studentengemeinden. S. 214–234, bsd. S. 222 f., 222, 222 Anm. 974 (zu den verhafteten Theologie-Studenten Andreas Jentsch, Wolfgang Wohllebe und Hanno Schmid), S. 227, 227 Anm. 1002 (zur hier „sehr ambivalente[n] Rolle“ des Theologie-Professors Emil Fuchs, vgl. S. 288: Schmutzler sei „selbst dafür verantwortlich“), S. 229, 231 f., 233 (scheinbar ähnliche, etwas unscharfe, letztlich kritische Einschätzung von Schnapka-Bartmuß [„Er (Schmutzler) mischte sich in aktuelle politische und gesellschaftliche Themen ein und verlangte auch hier von seinen Studenten, sich aktiv damit zu beschäftigen. Dies führte zu Exmatrikulation, Verhaftung und Verurteilung von jungen Menschen, denen er eigentlich ein Seelsorger hätte sein müssen.“]); sowie S. 260–293, bsd. 287 (Beurlaubung der Vertrauensstudenten nach der Evangelisation in Böhlen vom 23. Februar bis zum 1. März 1957), S. 289 (zur Medizinstudentin Ingrid W. und sämtlich exmatrikulierten Vertrauensstudenten), S. 290 (Relegationsverfahren wegen Unterstützung der sog. „Boykotthetze“ Schmutzlers gegen „16 Studenten der Theologischen, zwei der Medizinischen und einen Studenten der Chemischen Fakultät“), S. 291 (insgesamt bis zu 20 Relegationen bzw. Exmatrikulationen: „Das war, abgesehen von 1953, die größte Massenexmatrikulation von Theologiestudenten in der Geschichte der DDR.“), S. 291 Anm. 1259 („Es wurden aber nicht nur in Leipzig Studenten relegiert. Auch in Halle und an der Humboldt-Universität Berlin zog der Schmutzler-Prozess Konsequenzen nach sich. Für diejenigen, die sich für ihn eingesetzt haben und die Mitglieder der Evangelischen Studentengemeinde waren.“), S. 291–293 (zu Jentsch und Wohllebe). – Vgl. dazu die Kurzbiographien in der vom Verband Deutscher Studentenschaften herausgegebenen Dokumentation des Terrors: Namen und Schicksale der seit 1945 in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands verhafteten und verschleppten Professoren und Studenten. 5. Aufl., Berlin-Dahlem 1962, S. 55, 69, 125 f., 160; zit. n. Schnapka-Bartmuß: Die evangelischen Studentengemeinden. S. 222 (f.) Anm. 974.
  28. Vgl. „vor Ort“ zwar die Umbenennung des Sitzes der ESG Leipzig in Georg-Siegfried-Schmutzler-Haus, dagegen aber die Satzung (Memento vom 21. Dezember 2015 im Internet Archive) und den Internetauftritt der Evangelischen Studierendengemeinde Leipzig (ESG Leipzig), die außer der Gedenktafel Schmutzlers von 2011 (s. unter Ehrungen) nichts zur Geschichte der Institution (etwa in der Präambel) bieten. Auf einer (nicht mehr direkt erreichbaren, jedoch 2014 archivierten) Internetsite der ESG Leipzig wird hinsichtlich Schmutzlers lapidar vermerkt: „Seid herzlich Willkommen in unserem ESG Haus, auch Georg-Siegfried-Schmutzler-Haus genannt, das einem ehemaligen Studentenpfarrer gewidmet wurde.“ (In: esg-leipzig.de (Memento vom 12. August 2014 im Internet Archive), abgerufen am 10. Dezember 2015). Auf einer Website der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens zu „Personen der sächsischen Kirchengeschichte“ (Memento vom 21. Dezember 2015 im Internet Archive) wird Schmutzler ebenso nicht erwähnt, desgleichen nicht in der (zweiseitigen, daher eklektischen) „Übersicht zur Geschichte der Landeskirche“ „Von der Reformation bis zur friedlichen Revolution – Durch Umkehr zur Wende“ (PDF; 931 kB) (Memento vom 23. März 2013 im Internet Archive), © Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1/2007 (wohingegen die politische Verfolgung von Werner Ihmels 1947–1949 und der Jungen Gemeinde 1952–1953 immerhin Erwähnung findet). Die landeskirchliche Information zur Jubiläumsfeier anlässlich der Gründung des Theologischen Seminars Leipzig vor 50 Jahren (1964–2014) (Memento vom 21. Dezember 2015 im Internet Archive) zeigt nur ein Foto Schmutzlers (o. J.) (Memento vom 21. Dezember 2015 im Internet Archive) mit der Bildunterschrift allein zu seiner Lehrtätigkeit: „Dr. Georg Siegfried Schmutzler (1915–2003)[,] von 1968 bis 1981 lehrte er Philosophie und Pädagogik am Theologischen Seminar Leipzig (Quelle: Landeskirchenarchiv; Foto: Prof. Dr. Hans Seidel, Markkleeberg)“.
  29. Vgl. die Autobiografien und die altersbedingt wenig ergiebige Befragung Schmutzlers durch Cornelia Schnapka-Bartmuß: „Schmutzler war von Krankheit und Schwäche bereits so gezeichnet, dass wenig Substantielles heraus kam.“ (S. 13)
  30. Vgl. das Interview Achim Beiers mit zwei Zeitzeugen am 1. Dezember 2015, Dokumentation (im Erscheinen) unter Archiv Bürgerbewegung.
  31. „Verfolgter Schüler“ und „Verfolgter Student“ sind Rechts- und Statusbegriffe der Rehabilitierungsgesetze.
  32. a b c Vgl. Cornelia Schnapka-Bartmuß: Die evangelischen Studentengemeinden. S. 222, 222 Anm. 974.
  33. a b „Seine Mitstreiter, die Theologiestudenten Andreas Jentsch und Wolfgang Wohllebe wurden zu einem Jahr und sechs Monaten beziehungsweise zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt.“ Wiemers, 2015, S. 493; vgl. Anm. 12: „Amtsblatt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen Jg. 1992, Nr. 11/B 21, Dresden 15. Juni 1992, und Nr. 12/B 23, Dresden 30. Juni 1992.“
  34. „Im Mai 1958 wurde in einem Bericht der SED-Bezirksleitung [Leipzig] über die ESG [Leipzig] festgestellt, dass das Verhältnis von Mendt zu seinen Gemeindegliedern sehr gut sei. […] Mendt lehne den von Schmutzler eingeschlagenen Weg ab und zeige dem Staat gegenüber eine loyalere Haltung.“ Cornelia Schnapka-Bartmuß: Die evangelischen Studentengemeinden. S. 236 (sowie Anm. 1046 und 1047), zitiert hier aus: SächsStAL (Sächsisches Staatsarchiv Leipzig), SED-Bezirksleitung Leipzig, IV/2/14/624, Bl. 238–240 und IV/2/14/637, Bl. 7.
  35. Vgl. Cornelia Schnapka-Bartmuß: Die evangelischen Studentengemeinden. S. 234–237. Bereits im November 1958 berichtete die Universitätsparteileitung nach einer öffentlichen Vortragsreihe, „dass die ESG sich nicht zurückziehe und sich nur auf ihre Gemeindemitglieder konzentriere. Sie trage den christlichen Gedanken immer noch öffentlich in die Gesellschaft, aber nicht mehr so offensiv, wie zur Zeit, als Schmutzler Pfarrer in Leipzig war.“ (S. 237 und Anm. 1051: Vgl. SächsStAL, SED-Bezirksleitung Leipzig, IV/4/14/089). Und dieselbe zitiert 1962 Mendt folgendermaßen: „Nach dem Mauerbau müssen alle, auch die Christen, mitarbeiten. Mitarbeit sei eine spezifische Form des Martyriums. Man dürfe nicht zurückweichen. [ – ] Die staatlichen Stellen sahen darin keinen grundlegenden Wandel, sondern ein taktisches Manöver [Mendts], um das sozialistische System von unten moralisch-ideologisch aufzuweichen und zu unterwandern.“ (S. 237 und Anm. 1052: Vgl. SächsStAL, SED-Bezirksleitung Leipzig, IV/A-4/14/066).
  36. Prorektor Herrmann berichtet über die Verhaftung des Studentenpfarrers Schmutzler. In: Sybille Gerstengarbe / Horst Hennig: Opposition, Widerstand und Verfolgung, Leipzig 2009, S. 520 ff.; ISBN 978-3-86583-262-7
  37. Eduard Kopp: Siegfried Schmutzler. In: chrismon. Nr. 8, 2009, S. 39; Dagmar Paffenholz: Art. Verurteilt, rehabilitiert und ausgezeichnet. Pfarrer Siegfried Schmutzler erhielt das Bundesverdienstkreuz. In: Die Kirche. Nr. 48, 1. Dezember 1996, S. 5.
  38. Armin Görtz: (Interview): Hirte Schmutzler ging für seine Herde ins DDR-Zuchthaus. Verdienstkreuz für einstigen Studentenpfarrer. In: Leipziger Volkszeitung. Nr. 253, 29. Oktober 1996; zit. n. Wiemers, 2015, S. 493.
  39. Gedenktafel der ESG Leipzig (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive). Auch hier fehlt jeder Hinweis auf die im Umkreis des Prozesses gegen Schmutzler verfolgten Studierenden (s. oben).
  40. „Das Motto dieses Buches weist hin auf meine Erfahrung, daß alle Geschichte, auch ein Stück Lebensgeschichte wie dieses, keineswegs gesetzmäßig festgelegt ist, sondern in jedem Augenblick Möglichkeiten bereithält, die entweder wahrgenommen werden oder nicht, entweder so oder anders. Ich habe es aber nicht aus abstrakt-geschichtsphilosophischen Gründen gewählt, sondern fand es in einer bemerkenswerten Interview-Aussage des ehemaligen Vizechefs der Stasi in der DDR, Markus Wolf. Über die Praktiken der Stasi zur Rede gestellt, antwortete er: »Das war ja das Schlechte an der Sicherheitsdoktrin, daß manches, was unter dem Oberbegriff ›ideologische Diversion‹ bezeichnet wurde, dann auch strafrechtlich umgesetzt worden ist, d. h. es war tatsächlich möglich, nach Gesetzen Andersdenkende zu kriminalisieren, zu verfolgen und zu verurteilen.« Diese, hegelisch formuliert, »schlechte Möglichkeit« war also, wie ich am eigenen Leibe zu spüren bekommen habe, gegeben. Möglich war aber auch der Widerstand gegen sie wie auch gegenüber dem System des Nationalsozialismus.“ S. 5 (Kursivschreibungen im Orig.).
  41. Vgl. 1 Joh 1,2 LUT.
  42. Jahrbuch 2001/2 Inhaltsübersicht. In: uni-leipzig.de, abgerufen am 31. Oktober 2016.
  43. Zit. n. Wiemers, 2015, S. 492 Anm. 9.