Georg Schmidgall

deutscher Verwaltungsbeamter und Studentenhistoriker

Georg Schmidgall (* 23. Februar 1867 in Rutesheim (Königreich Württemberg); † 17. Februar 1953 in Tübingen) war ein württembergischer Verwaltungsbeamter. Bekannt wurde er als Studentenhistoriker.

Georg Schmidgall

Als Sohn eines schwäbischen Pfarrers besuchte Schmidgall das Realgymnasium in Stuttgart. Ab 1886 studierte er an der Eberhard Karls Universität Tübingen Kameralwissenschaft.[1] Dort wurde er Mitglied der Burschenschaft Normania.[2] Nach den Abschlussprüfungen trat er in den Württembergischen Staatsdienst. Vom Dienst wenig begeistert, übernahm er 1906 die wirtschaftliche Leitung des Evangelischen Waisenhauses in Stuttgart.[3] Dessen 200-jähriges Jubiläum weckte seine alte Neigung zur Geschichte.

Schmidgall beteiligte sich an der Gründung (1919) des württembergischen Landesverbands der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei. Mit der Verlegung des Württembergischen Landeswaisenhauses zog er 1923 nach Ellwangen. Nach 25-jähriger Dienstzeit 1931 als Regierungsrat pensioniert, zog er wieder nach Tübingen.[1]

Studentengeschichte

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Etwa seit 1905 veröffentlichte Schmidgall studentengeschichtliche Beiträge, 1911 im Schwäbischen Merkur.[4] Er befasste sich mit dem Tübinger Senioren-Convent der erloschenen Corps Suevia I (1807), Obersuevia (1808) und Franconia (1808). Schmidgalls schon damals bedeutende Sammlung von Studentica wurde 1921 im Landesgewerbemuseum Stuttgart und in der Universitätsbibliothek Tübingen ausgestellt.[1]

In seinem „zweiten Leben“ verschrieb er sich ganz der Studentengeschichte, wobei er der Studentengeschichte in Tübingen besondere Aufmerksamkeit widmete. Kaum nach Tübingen zurückgekehrt, veröffentlichte er 1932 anonym den „Spaziergang durch Tübingen“ mit 300 Anmerkungen. Er befasste sich mit Studentenorden und studentischem Brauchtum, Studentenliedern und Couleur. Wie kein anderer hat er die Geschichte der Tübinger Urburschenschaft und ihrer Entwicklung zu Burschenschaften aufgearbeitet.[1] Er widmete sich außerdem der Geschichte von Korporationen in Altdorf, Bonn, Breslau, Dorpat, Erlangen, Freiburg, Gießen, Göttingen, Greifswald, Halle, Heidelberg, Hohenheim, Jena, Marburg, München und Stuttgart. Von ihm stammt u. a. der einzige Bericht über Transsylvania, das erloschene Corps der Siebenbürger Sachsen in Tübingen (1855–1857).[2]

Als Erich Ludendorff sich gegen das „verfreimaurerte“ Brauchtum der Korporationen stellte, verteidigte Schmidgall den Landesvater (Studentenverbindung).[5][6]

Schmidgall initiierte die ersten Studentenhistorikertagungen in Stuttgart (1924, 1925) und Tübingen (1926). Er berichtete über alle Tagungen des Arbeitskreises der Studentenhistoriker in der Zwischenkriegszeit und über das Verbindungswesen in der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit. Seit 1927 war er Mitglied und seit 1933 Ausschussmitglied der Burschenschaftlichen Historischen Kommission (BHK), aus der die Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung (GfbG) hervorging. Schmidgall starb kurz vor seinem 86. Geburtstag.

Peter Goeßler schrieb 1947:

„Wenn die Studentengeschichte sich die geachtete Rolle und Wertung als Sonderabteilung der deutschen Kulturgeschichte erworben hat und wenn die Tübinger Studentengeschichte zu den geradezu für andere beispielhaft erforschten gehört, so gebühret daran Schmidgall das größte Verdienst.“

Peter Goeßler

Nachlass

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Vieles aus Schmidgalls Sammlungen ging seit 1943 an das Universitätsarchiv Tübingen. Die Masse kam ins Institut für Hochschulkunde in Würzburg, Teile ins Archiv der Deutschen Burschenschaft.[7] Schmidgalls Töchter überließen den restlichen Nachlass 1976 dem Universitätsarchiv Tübingen.[8] Er umfasst u. a. 45 Nummern mit Druckschriften und Presseausschnitten (1817–1973) und 80 Nummern mit Bildern, Schattenrissen, Fotografien und Fotoplatten (1799–1983).[9]

  • Älteres Verbindungsleben in Tübingen. Landau 1910.
  • Was wollen die Studentenhistoriker? Tübingen 1934.
  • mit Max Doblinger: Geschichte und Mitgliederverzeichnisse burschenschaftlicher Verbindungen in Alt-Österreich und Tübingen 1816 bis 1936. C. A. Starke, Limburg 1940 (Eintrag bei Google).
  • Tübinger Konviktoren und das Verbindungswesen. Mit besonderer Berücksichtigung der „Elvacia“ und der von Ellwangen stammenden Theologen. Schwabenverlag, Ostfildern 1949 (Eintrag bei Google).

Herausgeber

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  • Beiträge zur Tübinger Studentengeschichte (Dezember 1937 bis Sommer 1941) (DNB 010088172).
  • Beiträge zur deutschen Studentengeschichte (DNB 010006915).

Literatur

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  • Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender. 1950.
  • Ottobert L. Brintzinger: Georg Schmidgall, Historiker des Studententums. In: Der Convent, 3 (1952), S. 77–79.
  • Harry Gerber: Georg Schmidgall 85 Jahre alt! In: Burschenschaftliche Blätter 67/4 (1952), S. 118 f.
  • Friedhelm Golücke: Verfasserlexikon zur Studenten- und Hochschulgeschichte. Ein bio-bibliographisches Verzeichnis, Köln 2004, S. 293–295 (= Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen, Bd. 13).
  • Volker Schäfer: Zum Gedenken an Georg Schmidgall. Eine Ausstellung des Universitätsarchivs Tübingen. 1983, 3 Seiten (Eintrag bei Google).
  • Robert Paschke: Studentenhistorisches Lexikon, Köln 1999, S. 235 (= GDS-Archiv für Hochschul- und Studentengeschichte. Beiheft 9).
  • K.-H. Schröder: Georg Schmidgalls Vermächtnis, Ansprache zur Eröffnung der Schmidgall-Gedächtnisausstellung in der Universitätsbibliothek Tübingen, 13. Februar 1983. In: Der Convent 35 (1984), S. 267–269.
  • Hermann Steidle: Georg Schmidgall. In: Der Convent 11 (1960), S. 173–176.
  • Paul Wentzcke: Georg Schmidgall zum Gedächtnis. In: Burschenschaftliche Blätter 68/4 (1953), S, 117–119.
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Einzelnachweise

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  1. a b c d Tübinger Blätter, 60, 1946/47.
  2. a b Einst und Jetzt, Bd. 13 (1968), S. 132–137.
  3. Landesarchiv Baden-Württemberg.
  4. Tübinger Studenten vor 100 Jahren.
  5. D. Langewiesche, G. Schmidt: Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum Ersten Weltkrieg (2000).
  6. Harald Lönnecker: Wenn Helden zu Problemen werden. Hindenburg und Ludendorff als Ehrenmitglieder akademischer Verbände. In: GDS-Archiv für Hochschul- und Studentengeschichte 6 (2002), S. 30–41.
  7. Mitteilung Harald Lönnecker (2013).
  8. Bestandssignatur: UAT 214.
  9. Universitätsarchiv Tübingen.