Gerhard Friedrich Müller

deutscher Sibirienforscher

Gerhard Friedrich Müller (auch Fjodor Iwanowitsch Miller; * 29. Oktober 1705 in Herford, Westfalen; † 11. Oktoberjul. / 22. Oktober 1783greg. in Moskau) war ein deutscher Historiker, Geograph, Russlandforscher und Forschungsreisender. Er wird „der Vater der sibirischen Geschichtsschreibung“ genannt.

Leben und Wirken

Bearbeiten
 
Gerhard Friedrich Müller

Müller besuchte zunächst das Friedrichs-Gymnasium Herford, an dem sein Vater Rektor war. Er studierte an der Universität Rinteln und der Universität Leipzig Philosophie und Geschichte. 1725 ging er nach Sankt Petersburg und war dort an der 1724/25 gegründeten Russischen Akademie der Wissenschaften als Geschichts- und Lateinlehrer tätig. Im Alter von 25 Jahren wurde er 1730 zum ordentlichen Professor an der Akademie der Wissenschaften ernannt, wie zuvor 1725 nur ein Landsmann, der Universalgelehrte Johann Peter Kohl. 1730 wurde Müller zudem zum Mitglied (Fellow) der Royal Society gewählt.[1]

Im Forschungsauftrag der Akademie bereiste er Holland und England. Nach seiner Rückkehr wurde er zusammen mit Johann Georg Gmelin von der Zarin Anna Iwanowna mit der Leitung der historischen und ethnographischen Arbeitsgruppe der Zweiten Kamtschatkaexpedition (1733–1743) beauftragt. Als Dolmetscher diente ihm dabei der Veterinär-Praporschtschik Jakob Lindenau, der eine detaillierte geographische und ethnographische Beschreibung der besuchten Örtlichkeiten und Völker Sibiriens, insbesondere der Jakuten und Tungusen, verfasste.[2] 1736 fand Professor Müller im Archiv der Jakutsker Kanzlei Beweise, dass nicht Vitus Bering 1728 als erster die Beringstraße durchfuhr, sondern schon Jahre zuvor der russische Pelztierhändler Semjon Deschnjow zusammen mit Fedot Popow und Gerassim Ankudinow. 1761 wurde er korrespondierendes Mitglied der Académie des sciences.[3]

Schriften

Bearbeiten
  • Gerhard Friedrich Müller: Sammlung rußischer Geschichte, 9 Bände, Sankt Petersburg 1732–1764 (später fortgesetzt von Ewers und von Engelhardt), online abrufbar über das Digitalisierungszentrum der SUB Göttingen (enthält als Band 3: Nachrichten von Seereisen, und zur See gemachten Entdeckungen, die von Rußland aus längst den Küsten des Eißmeeres und auf dem Ostlichen Weltmeere gegen Japon und Amerika geschehen sind, Sankt Petersburg 1758)
  • Gerard Fridrich Miller [Gerhard Friedrich Müller]: Opisanie sibirskich narodov. [Beschreibung sibirischer Völker]. Hrsg. von Aleksandr Christianovich Elert und Wieland Hintzsche. Pamjatniki Istoricheskoj Mysli, Moskau 2009.
  • Gerhard Friedrich Müller: Ethnographische Schriften I. Bearbeitet von Wieland Hintzsche und Aleksandr Christianovich Elert unter Mitarbeit von Heike Heklau. Verlag der Franckeschen Stiftungen zu Halle, Harrassowitz Verlag in Kommission (= Quellen zur Geschichte Sibiriens und Alaskas aus russischen Archiven, Bd. 8, Teilbd. 1: Beschreibung der sibirischen Völker [ca. 1736–1747]). Halle 2010, ISBN 978-3-447-06402-6.

Briefwechsel: Die Berliner und die Petersburger Akademie der Wissenschaften im Briefwechsel Leonhard Eulers, Teil 1: Der Briefwechsel L. Eulers mit G. F. Müller 1735–1767 (=Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas, Band III/1), Akademie-Verlag Berlin 1959 Peter Hoffmann (Hrsg.): Geographie, Geschichte und Bildungswesen in Rußland und Deutschland im 18. Jahrhundert. Briefwechsel Anton Friedrich Büsching – Gerhard Friedrich Müller 1751–1783 (=Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas, Band XXXIII), akademie-Verlag Berlin 1995, ISBN 3-=5-002251-5

Literatur

Bearbeiten
  • Joseph Lawrence Black: G.F. Müller and the Imperial Russian Academy of Sciences, 1725-1783: First Steps in the Development of the Historical Sciences in Russia McGill-Queen’s University Press, Kingston-Montréal 1986, ISBN 0-7735-0553-9.
  • Joseph Lawrence Black, Dieter K. Buse: G.-F. Müller and Siberia, 1733-1743. With translations of German materials by Victoria Joan Moessner (= Russia and Asia Series, Bd. 1). Limestone Press, Kingston, Ontario / Fairbanks, Alaska 1989, ISBN 0-919642-23-3.
  • Aleksander Christianovich Elert: Ekspedicionnye materialy G. F. Millera kak istocnik po istorii Sibiri [Reisebericht 1733–1743, Halbinsel Kamtschatka]. Akademija Nauk SSSR, Sibirskoe Otdelenie, Institut Istorii, Filologii i Filosofii, Novosibirsk, 1990. ISBN 5-02-029627-9.
  • Gudrun Bucher: „Von Beschreibung der Sitten und Gebräuche der Völcker“. Die Instruktionen Gerhard Friedrich Müllers und ihre Bedeutung für die Geschichte der Ethnologie und der Geschichtswissenschaft (= Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa, Bd. 63). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-515-07890-8.
  • Ludwig StiedaMüller, Gerhard Friedrich von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 22, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 547–553.
  • Claus Priesner: Müller, Gerhard Friedrich von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 394 f. (Digitalisat).
  • Peter Hoffmann: Gerhard Friedrich Müller (1705-1783): Historiker, Geograph, Archivar im Dienste Russlands. Peter Lang, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-631-54586-X.
  • Konstantin Kaminskij: Der Normannenstreit als Gründungsschlacht der russischen Geschichtsschreibung. Zur Poetik wissenschaftlicher Anfangserzählungen. In: Thomas Wallnig [et al.] (Hg.): Europäische Geschichtskulturen um 1700 zwischen Gelehrsamkeit, Politik und Konfession. de Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-025918-6, S. 553–581.
  • Han F. Vermeulen: Before Boas. The genesis of ethnography and ethnology in the German Enlightenment. University of Nebraska Press, Lincoln 2015, ISBN 978-0-8032-5542-5; darin Kapitel 4: Ethnography and Empire: G. F. Müller and the Description of Siberian Peoples, S. 131–218.
Bearbeiten
Commons: Gerhard Friedrich Müller – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Eintrag zu Muller, Gerhard Friedrich (1705 - 1783) im Archiv der Royal Society, London
  2. Lindenau J. I.: Описание народов Сибири (первая половина XVIII века). Магаданское книжное издательство, Magadan 1983.
  3. Verzeichnis der Mitglieder seit 1666: Buchstabe M. Académie des sciences, abgerufen am 26. Januar 2020 (französisch).