Gerhard Schmidt (Biochemiker)

Biochemiker (1901-1981)

Gerhard Schmidt (* 26. Dezember 1901 in Stuttgart; † 30. April 1981 in Boston) war ein in Deutschland geborener Arzt und Biochemiker, der weltweit als Autorität auf dem Gebiet Nukleinsäuren und Phospholipide galt.[1]

Herkunft

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Gerhard Schmidt wurde in Stuttgart geboren, wo sein Vater Julius Schmidt Professor für Chemie an der Universität Stuttgart war. Er studierte Medizin in Tübingen und Frankfurt und wurde 1926 an der Goethe-Universität unter Gustav Embden promoviert.

Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und als Privatdozent an der Abteilung für Biochemie der Goethe-Universität und am Senckenberg-Institut für Pathologie, wo er Mitarbeiter und Protegé des Institutsdirektors und Rektors der Goethe-Universität Bernhard Fischer-Wasels war. Nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland wurde ihm 1933 als Jude aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (§ 3) die Lehrbefugnis entzogen.[2] Über seine Verfolgung durch die Nationalsozialisten berichtet Herman Kalckar:

„Die Nazis stellten den Leiter der Pathologieabteilung, Dr. Fischer-Wasels, zur Rede und beschuldigten den jungen ‚jüdischen Arzt‘ Gerhard Schmidt, die Autopsieergebnisse gefälscht zu haben. Da Gerhard ausschließlich in der medizinischen Forschung tätig war und keinerlei Verantwortung für Autopsien trug, vermutete Fischer-Wasels sofort eine Verschwörung und drängte Schmidt mit tiefer Trauer, Nazideutschland zu verlassen. Zunächst fand Gerhard die Anschuldigungen zu absurd, um beunruhigt zu sein. Doch als Fischer-Wasels schließlich darauf bestand, ihn zum nächsten Zug in die Schweiz zu begleiten, war Gerhard von der drohenden Gefahr der Verschwörung überzeugt. Mit nur wenigen Habseligkeiten (vielleicht einschließlich seines geliebten Cellos) verließ er Deutschland in Richtung der neutralen Schweiz“

Herman Kalckar[3]

Flucht und Leben in den Vereinigten Staaten

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Die nächsten zwei Jahre verbrachte Schmidt als Flüchtling in Italien und Schweden, wo er an der Universität Neapel, der Universität Stockholm und der Universität Florenz arbeitete.[3][4]

1935 erhielt er ein Forschungsstipendium der Carnegie Foundation für vertriebene deutsche Wissenschaftler an der Queen’s University in Kingston in Kanada. 1937 wechselte er an das Rockefeller Institute for Medical Research in New York City und im folgenden Jahr an die Washington University School of Medicine. 1940 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Tufts University School of Medicine, wo er den Rest seiner Karriere verbrachte, ab 1948 als Forschungsprofessor und ab 1955 als Professor für Biochemie.[3][5]

Er „machte eine bahnbrechende Entdeckung hinsichtlich der Entwicklung des Nukleinsäurestoffwechsels und führte eine quantitative Methode zur Bestimmung von DNA und RNA in Geweben ein. Die Einfachheit und Zuverlässigkeit der Methode spielt weiterhin eine wichtige Rolle in der molekularbiologischen Forschung.“[6]

1952 wurde er zum Mitglied der American Academy of Arts and Sciences,[7] 1976 zum Mitglied der National Academy of Sciences ernannt.[8]

Literatur

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  • Schmidt, Gerhard, in: Michael Grüttner: Ausgegrenzt: Entlassungen an den deutschen Universitäten im Nationalsozialismus. Biogramme und kollektivbiografische Analyse, de Gruyter/Oldenbourg, Berlin/Boston 2023, ISBN 978-3-11-123678-0, S. 263.

Einzelnachweise

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  1. Excellence in Exile: German Emigré Physicians at TUSM. Hirsh Health Sciences Library, abgerufen am 27. Mai 2021 (englisch).
  2. Michael Grüttner, Ausgegrenzt: Entlassungen an den deutschen Universitäten im Nationalsozialismus, Berlin/Boston 2023, S. 263.
  3. a b c Herman Kalckar: Gerhard Schmidt 1901–1981. In: Biographical Memoirs. 57. Jahrgang. National Academy of Sciences, 1987, S. 399–428 (englisch, nasonline.org [PDF]).
  4. Dr. Gerhard Schmidt, Biochemist In: The New York Times, 26. April 1981 (englisch). 
  5. B. David Stollar, Sol Gittleman: Out of Nazi Germany in Time, a Gift to American Science: Gerhard Schmidt, Biochemist (= Transactions of the American Philosophical Society. Band 104, Nr. 1). American Philosophical Society, 2014, S. i–191, JSTOR:24396566 (englisch).
  6. Henry H. Banks: A Century of Excellence: The History of Tufts University School of Medicine, 1893–1993. Tufts University, Boston 1993, S. 112 (englisch).
  7. Book of Members 1780–present, Chapter S. (PDF; 1,5 MB) In: amacad.org. American Academy of Arts and Sciences, abgerufen am 27. Januar 2025 (englisch).
  8. Gerhard Schmidt. National Academy of Sciences, abgerufen am 28. Mai 2021 (englisch).