Gerhard Strate

deutscher Rechtsanwalt und Strafverteidiger

Gerhard Strate (* 24. Februar 1950 in Zella-Mehlis) ist ein deutscher Rechtsanwalt und Strafverteidiger und Mitglied des Verfassungsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer. Er befasst sich neben der Verteidigung in Strafsachen besonders mit Verfassungsbeschwerden und Wiederaufnahmeverfahren.

Gerhard Strate (2014)

Werdegang und Tätigkeiten

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Strate besuchte das Otto-Hahn-Gymnasium in Geesthacht, studierte Anfang der 1970er Jahre an der Universität Hamburg und war Mitglied des Kommunistischen Studentenverbandes (KSV). 1978 legte er das zweite juristische Staatsexamen ab und begründete den Informationsbrief Ausländerrecht. Von 1978 bis 1979 war er wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. 1979 wurde er in Hamburg als Rechtsanwalt zugelassen. In den ersten anderthalb Jahren ihres Bestehens war er Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Strafverteidiger (StV), deren Beirat er bis heute angehört. Seit 1985 betreibt er eine Kanzlei mit Klaus Ulrich Ventzke.[1] Der Kanzlei angegliedert ist die von Strate herausgegebene Website hrr-strafrecht.de, die aus der Online-Zeitschrift HRRS (Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht) und einer Rechtsprechungsdatenbank besteht.[2]

Strate war von 1987 bis 2001 Mitglied im Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins. Seit 1989 ist er Mitglied im Vorstand der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer und hatte dort von 1999 bis 2002 das Amt des Vizepräsidenten inne. 2007 folgte er einer Berufung in den Verfassungsrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer.

Strate versteht sich als 68er und als Verteidiger eines liberalen Rechtsstaats.[3] Bekannte Mandanten Strates waren Monika Böttcher, die Hamburger Kiez-Größe Burim Osmani, der Terrorist Mounir al-Motassadeq[3] und der Unternehmer Alexander Falk.[4][5] 1987 erreichte er mit einem als „außerordentliche Leistung“ beschriebenen Antrag ein Wiederaufnahmeverfahren für den wegen Kindesmissbrauchs und Mordes verurteilten Holger Gensmer, der dadurch nach 16 Jahren unrechtmäßiger Haft schließlich freigesprochen wurde.[6] Er vertritt den 2011 wegen Doppelmordes zu lebenslanger Haft verurteilten Andreas Darsow.[7] Strate hat drei Wiederaufnahmeverfahren von Schwurgerichtsfällen betrieben, von insgesamt acht seit Bestehen der Bundesrepublik (Stand ca. 2001).[8][9]

Infolge der Finanzkrise ab 2007 engagierte sich Strate gegen Verantwortliche, indem er, zumeist ohne Auftrag, Strafanträge gegen führende Bankmanager erarbeitete und einreichte.[10] Z. B. erfolgte auf eine Anzeige von ihm eine Anklage der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank Dirk Jens Nonnenmacher und Hans Berger.[11][12] Insgesamt waren ungefähr 80 Personen bundesweit von seinen Strafanzeigen betroffen.[3][13] Als die Angeklagten in einem bundesweit aufsehenerregenden Prozess vor dem Landgericht Hamburg, der von der Journalistin Dani Parthum[14] in einem Buch dokumentiert wurde,[15] am 9. Juli 2014 zunächst freigesprochen wurden,[16] legte die Staatsanwaltschaft dagegen Revision ein.[17] Am 12. Oktober 2016 hob der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes das Urteil auf und verwies die Sache an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hamburg zurück,[18] weswegen der Fall von Beginn an neu aufgerollt werden musste[19]. Im Juni 2019 wurde der Prozess schließlich gegen Auflagen (Zahlung von insgesamt 4,85 Millionen Euro Geldbußen) eingestellt.[20]

Am 26. Mai 2011 diskutierte er bei Maybrit Illner mit anderen das Thema Der Fall Kachelmann – Schon jetzt ein Justizskandal?[21] und ebenfalls bei Maybrit Illner am 7. Juli 2011 zum Thema Sex und mächtige Männer.

Im November 2012 legte Strate ein Gutachten vor, das er im Auftrag der Freien Wähler Bayern über den Fall Gustl Mollath erstellt hatte, und erhob dabei schwere Vorwürfe gegen die bayerische Justiz.[22][23][24] Kurz darauf übernahm er ein Mandat für Mollath mit dem Ziel einer Wiederaufnahme des Verfahrens.[25][26][27][28] Am 6. August 2013 ordnete das Oberlandesgericht Nürnberg aufgrund eines parallel gestellten Antrags der Staatsanwaltschaft Regensburg die Wiederaufnahme an.[29][30] Kurz danach stellte Strate in Absprache mit seinem Mandaten die psychiatrischen Gutachten, die zu dessen Unterbringung geführt hatten, auf seine Website.[31]

In diesem pro bono übernommenen Mandat[32] für Gustl Mollath dokumentierte Strate außerdem den kompletten Verfahrensgang mit Originalschriftsätzen und Beschlüssen der Gerichte und ließ auf eigene Kosten Mitschriften sämtlicher Verhandlungstage der Hauptverhandlung vom 7. Juli bis 14. August 2014 anfertigen, die er ebenfalls jeweils zeitnah auf seiner Seite veröffentlichte.[33] Auch dieses Wiederaufnahmeverfahren gewann Strate: Mollath wurde überwiegend wegen fehlender Nachweisbarkeit aus tatsächlichen und in einem Punkt (bzgl. einer gefährlichen Körperverletzung) wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit aus rechtlichen Gründen freigesprochen; die hiergegen gerichtete Revision Mollaths zum Bundesgerichtshof blieb erfolglos (BGH 1 StR 56/15). Mollath erwirkte Anspruch auf Entschädigung für seine siebeneinhalb Jahre andauernde unrechtmäßige Unterbringung in der Psychiatrie.[34]

2014 vertrat Strate Carsten Maschmeyer im Streit gegen die Schweizer Bank J. Safra Sarasin,[35] was u. a. zu einer Großrazzia – auch in der Schweiz[36] – und zum Rücktritt Eric Sarasins von seinen Bankämtern führte.[37]

Strate vertrat den Volkswagen-Patriarchen Ferdinand Piëch seit Anfang 2017 wegen möglicher Verstrickungen in den Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Diesel-Motoren des VW-Konzerns.[38] In Sachen AfD-Parteispendenaffäre vertrat er Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag.[39] Das Ermittlungsverfahren wurde am 20. September 2021 eingestellt, da kein hinreichender Tatverdacht bestehe.[40]

Gerhard Strate gehörte von 2012 bis 2017 zu einer privaten Ermittlungsgruppe um Wolfgang Sielaff, dem ehemaligen Leiter des Landeskriminalamts Hamburg, dessen Schwester Birgit Meier im Sommer 1989 verschwunden war. Der Gruppe gelang nicht nur die endgültige Aufklärung des an ihr verübten Mordes,[41] sie barg außerdem am 29. September 2017 im früheren Haus des Mörders den in einer Kraftfahrzeuggrube unter Zement vergrabenen Leichnam der Vermissten.[42]

In einem Beitrag der Neuen Juristischen Wochenschrift schätzte Strate 2017 den Rahmenbefehl zum Polizeieinsatz während des G20-Gipfel in Hamburg 2017 als verfassungswidrig ein.[43]

Im Januar 2018 wurde der Vorschlag, Strate den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland zu verleihen, vom Hamburger Senat abgelehnt.[44]

Strate arbeitet mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte zusammen und legte 2018 für diese Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz sog. Staatstrojaner ein, mit deren Hilfe Online-Durchsuchungen möglich werden.[45]

Am 26. Februar 2020 erreichte Strate als Vertreter des Schweizer Vereins Dignitas gemeinsam mit vier weiteren Klägern in einem dreijährigen Verfahren die Nichtigerklärung des § 217 StGB durch das Bundesverfassungsgericht.[46]

Am 15. Februar 2022 erstattete Strate Strafanzeige gegen Bundeskanzler Olaf Scholz und den Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher wegen des Cum-Ex-Skandals. Die Staatsanwaltschaft lehnte einen Monat später die Eröffnung beider Ermittlungsverfahren ab.[47]

Veröffentlichungen

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Ehrungen

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2003 verlieh ihm die Juristische Fakultät der Universität Rostock die Ehrendoktorwürde für seine wissenschaftlichen Leistungen und sein didaktisches Engagement.[48]

2014 wurde Strate als Ehren-Schleusenwärter ausgezeichnet.[49]

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Interviews

Fußnoten

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  1. Kanzlei. In: Website der Kanzlei. Strate und Ventzke Rechtsanwälte, 24. August 2018, abgerufen am 12. November 2019.
  2. Über uns. In: HRR-Strafrecht.de. Strate und Ventzke Rechtsanwälte, abgerufen am 12. November 2019.
  3. a b c Lukas Heiny: Wie Juristen die Finanzkrise aufarbeiten. In: Financial Times Deutschland, 4. März 2010.
  4. Justiz wegen Verfahren gegen Alexander Falk in der Kritik. In: heise online, 10. November 2003.
  5. Anna von Münchhausen: Recht behalten aus Berufung. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. 5. Dezember 2004
  6. Erzählen sie mal. Der Spiegel, 53/1987
  7. Mein Mann ist unschuldig! (Memento vom 16. Februar 2014 im Internet Archive) Website von Anja Darsow, abgerufen am 29. Juli 2014.
  8. Sabine Rückert: Quälgeister der Justiz. In: Die Zeit, Nr. 18, 26. April 2001.
  9. Kein Mann für alle Fälle: Der Strafverteidiger Gerhard Strate; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Magazin, Heft 886 vom 21. Februar 1997, Seite 40 ff.
  10. Rechtsanwaltskanzlei Strate und Ventzke: Dokumentation – Ältere Dokumente (Memento vom 29. August 2013 im Internet Archive)
  11. Johannes Ritter: Nach Anklage: HSH-Manager kritisieren Staatsanwaltschaft. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Januar 2012.
  12. Alexander Sturm: Prozess gegen Ex-Vorstand der HSH Nordbank: Dr. No auf der Anklagebank. In: stern.de, 24. Juli 2013.
  13. Kristina Läsker & Klaus Ott: Banken-Kritiker Strate – „Vieles ist auf Verschleierung angelegt“. In: Süddeutsche Zeitung, 8. März 2010.
  14. Website: Dani Parthum – Zur Autorin. Abgerufen am 12. Oktober 2016.
  15. „DR. NO und die Unschuldigen – der Prozess gegen sechs Ex-Vorstände der HSH Nordbank“. Abgerufen am 12. Oktober 2016.
  16. HSH-Urteil: Freispruch für Ex-Vorstand Nonnenmacher und Co. (Memento vom 18. Oktober 2016 im Internet Archive) In: Die Zeit, 9. Juli 2014
  17. Staatsanwaltschaft legt Berufung gegen HSH-Urteil ein In: Die Zeit, 10. Juli 2014
  18. Bundesgerichtshof Mitteilung der Pressestelle Nr. 182/2016. Abgerufen am 12. Oktober 2016.
  19. Ex-Vorstände der HSH Nordbank müssen wieder vor Gericht In: Die Welt, 12. Oktober 2016
  20. HSH Nordbank: Dirk Jens Nonnenmacher zahlt Millionen - Verfahren eingestellt. In: Der Spiegel. Abgerufen am 23. Februar 2022.
  21. Sendung (Teil 1) auf YouTube
  22. FREIE WÄHLER stellen Gutachten zum Fall Gustl Mollaths vor - Statement Gerhard Strate. (Video; 14:14 min). YouTube, 27. November 2012, abgerufen am 22. Januar 2018.
  23. Olaf Przybilla, Uwe Ritzer: Ungereimtheiten im Fall Mollath – Deckname „Monster“. In: Süddeutsche Zeitung, 26. November 2012.
  24. Nach Gutachten im Fall Mollath – „Merk hat versucht, Dinge zu vertuschen“. In: Süddeutsche Zeitung. 26. November 2012
  25. Dokumentation, abgerufen am 11. August 2023
  26. Olaf Przybilla, Uwe Ritzer: Verteidiger im Wiederaufnahmeverfahren – Rechtsanwalt Strate vertritt Gustl Mollath. In: Süddeutsche Zeitung, 20. Dezember 2012.
  27. Barbara Nazarewska: Gustl Mollath: Zwischen Wahnsinn und Justizskandal. In: Münchner Merkur, 3. Januar 2013.
  28. Gerhard Strate zur Medienbühne für Mollath (Memento vom 16. August 2013 im Internet Archive). In: Zapp, 14. August 2013 (Video; 20:54 min).
  29. Daniel Herder: Gerhard Strate: Der Mann, der Gustl Mollath rausholte. In: Die Welt, 9. August 2013.
  30. Sabine Rückert, Heinrich Wefing: Gerhard Strate Interview: Ist Gustl Mollath gesund, Herr Strate? In: Die Zeit, Nr. 35, 22. August 2013.
  31. Dieter Kassel: „Mollath muss sich einfach wehren“. In: Deutschlandradio Kultur, 29. August 2013.
  32. Ansgar Siemens: REPORT: "Das war grotesk". In: Focus Online. 16. August 2014, abgerufen am 15. Oktober 2016.
  33. Dokumentation zum Fall Gustl Mollath (Memento vom 23. Mai 2014 im Internet Archive)
  34. Marcus Klöckner: Urteil im Fall Mollath: Freispruch und Anspruch auf Entschädigung. In: heise.de. 14. August 2014, abgerufen am 15. Oktober 2016.
  35. Oliver Stock: Mollath-Anwalt vertritt jetzt Maschmeyer. In: handelsblatt.com. 18. August 2014, abgerufen am 15. Oktober 2016.
  36. Großrazzia in der Schweiz: Sarasin und Anwaltskanzlei durchsucht
  37. Eric Sarasin tritt aus der Geschäftsleitung der Bank J. Safra Sarasin aus (Memento vom 19. April 2015 im Internet Archive)
  38. Marcus Jung: Ein Prellbock für Piëch In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Februar 2017
  39. TAZ vom 24. Februar 2019: Spendenaffäre der AfD - Führung weist Verantwortung von sich
  40. Strafverfahren im Parteispendenfall um Alice Weidel eingestellt
  41. Britta Schmeis: NDR-Doku über Göhrde-Morde: Wenn der Ex-Bulle die alte Gang zusammentrommelt. In: DIE WELT. 26. September 2019 (welt.de [abgerufen am 18. September 2020]).
  42. NDR: Eiskalte Spur: Die Göhrde-Morde und Birgit Meier | True Crime | NDR Doku. In: YouTube. NDR, 27. September 2019, abgerufen am 18. September 2020.
  43. Per Hinrichs: „Das verstößt gegen die Verfassung“. In: Die Welt. 23. Juli 2017, abgerufen am 10. Januar 2018.
  44. Julia Witte genannt Vedder: Hamburger Senat lehnt Bundesverdienstkreuz für Staranwalt ab. In: Die Welt. 8. Januar 2018, abgerufen am 10. Januar 2018.
  45. Anna Livia Mattes: Pressemitteilung: Verfassungsbeschwerde gegen Staatstrojaner eingelegt. In: Website der GFF. Gesellschaft für Freiheitsrechte, 24. August 2018, archiviert vom Original am 12. November 2019; abgerufen am 12. November 2019.
  46. Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15. In: Website des BVerfG. Bundesverfassungsgericht, 26. Februar 2020, abgerufen am 1. März 2020.
  47. Olaf Scholz: Staatsanwaltschaft lehnt Ermittlungen in Cum-ex-Affäre ab. In: Der Spiegel. 16. März 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 17. März 2022]).
  48. Rechtsanwaltskanzlei Strate und Ventzke: Kanzleiprofil (Memento vom 23. Januar 2018 im Internet Archive)
  49. Strate neuer Ehren-Alster-Schleusenwärter. (Memento vom 24. September 2014 im Webarchiv archive.today) Norddeutscher Rundfunk, 3. Februar 2014, abgerufen am 24. September 2014.