Gilles Cistac

französisch-mosambikanischer Verfassungsrechtler

Gilles Cistac (* 1961 in Toulouse, Frankreich; † 3. März 2015 in Maputo, Mosambik) war ein französisch-mosambikanischer Verfassungsrechtler.

Gilles Cistac (links) gemeinsam mit Adolf Heschl bei der Landsgemeinde Appenzell 1986

Gilles Cistac wurde 1961 in der südfranzösischen Stadt Toulouse geboren.[1] Sein Studium des öffentlichen Rechts absolvierte er ebenfalls in Toulouse, wo er 1998 auch promovierte.[2] Von 1985 bis 1986 war Gilles Cistac Stipendiat der Helvetischen Konföderation an der Universität Genf, wo er sich insbesondere mit Fragen des internationalen Rechts beschäftigte. Im Frühjahr 1986 nahm er zusammen mit anderen Stipendiaten an einer Exkursion der Universität Genf zur Landsgemeinde Appenzell teil, wo jedes Jahr die anwesenden Stimmbürger per Handzeichen über aktuelle Anträge abstimmen.

Umzug nach Mosambik

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1993 kam Cistac als Berater im Auftrag des französischen Außenministeriums erstmals nach Maputo, wo er unter anderem für Universidade Eduardo Mondlane arbeitete. Nach kurzer Rückkehr nach Frankreich siedelte er 1995 dauerhaft nach Maputo um, wo er seitdem als Hochschullehrer Jura an der staatlichen Universidade Eduardo Mondlane dozierte. Bis zu seinem Tod war er stellvertretender Leiter der Forschungsstelle der juristischen Fakultät.[3] 2008 entstand auf sein Betreiben hin das Centro de Estudos sobre a Integração Regional (CEDIR), ein kleines Forschungszentrum, das sich der Harmonisierung des Rechts innerhalb der SADC annimmt.[3]

2009 erhielt Cistac den Ordre des Palmes Académiques im Range des Ritters (Chevalier) für seine Verdienste um die Dezentralisierung des Landes, die höchste Auszeichnung in Frankreich für Verdienste um das französische Bildungswesen.[4] 2010 nahm Cistac zusätzlich die mosambikanische Staatsbürgerschaft an.[5]

 
Gedenkmarsch zu Ehren von Gilles Cistac in Maputo am 7. März 2015, in vorderer Reihe Ivone Soares, RENAMO-Fraktionsvorsitzende im nationalen Parlament

Cistac starb am Morgen des 3. März 2015, nachdem er beim Einsteigen in ein Taxi vor einem Straßencafé im Stadtteil Polana aus einem vorbeifahrenden Auto angeschossen worden war.[6] Wenige Stunden später erlag Cistac seinen Verletzungen im Zentralkrankenhaus von Maputo. Die Oppositionspartei RENAMO wie auch Oppositionsmedien beschuldigen radikale Kräfte der FRELIMO, Cistac erschossen zu haben, was die FRELIMO-Führung bestritt.[7] Mehrere Gedenk- und Demonstrationszüge gedachten des Verfassungsrechtlers,[8] Botschaften verschiedener Staaten, unter anderem Frankreichs, der EU und der Vereinigten Staaten, verurteilten den Mord und forderten eine schnelle Aufklärung der Hintergründe.[9][10][11]

Der Mord an Cistac gilt als weiteres Zeichen für die Verschärfung der seit 2013 bestehenden politischen Krise in Mosambik.[12][13]

Cistacs Leichnam wurde am 12. März 2015 nach Frankreich überführt.[14]

Im Zuge der Ermittlungen nahm die mosambikanische Polizei zwei Verdächtige fest, die jedoch wieder freigelassen wurden. Der Mord ist bis heute ungeklärt, Menschrechtsaktivisten beklagen, dass die Polizei sehr langsam bis „gar nicht“ ermitteln würde.[15]

Öffentliches Wirken

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Cistac galt als Kritiker der seit 1975 regierenden FRELIMO-Partei und gab des Öfteren Interviews in oppositionellen Medien, auch wenn er sich selbst als parteilos bezeichnete. Er kritisierte unter anderem konstante Verletzung der Menschenrechte, die Vereinnahmung des Staatsapparats durch die Partei, die Machtfülle der Exekutive und die schwache, parteiische mosambikanische Staatsanwaltschaft.[16][17]

Nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2014 protestierte die größte Oppositionspartei RENAMO gegen die Ergebnisse, laut denen die FRELIMO haushoch gewann. Insbesondere forderte die RENAMO, die Provinzen, in denen sie die meisten Stimmen erlangen konnte, selbst regieren zu dürfen – bisher werden die Provinzgouverneure von der Zentralregierung in Maputo ernannt. Oppositionsführer Dhlakama forderte die Einführung „Autonomer Provinzen“ und damit eine Föderalisierung des zentral regierten Landes. Die FRELIMO, insbesondere Staatspräsident Nyusi, lehnte dies mit der Begründung ab, dies sei verfassungsrechtlich gar nicht möglich. Cistac widersprach Nyussi, dass die Verfassung sehr wohl die Möglichkeit vorsehe, föderale Strukturen unterhalb der Zentralregierung einzuführen, und entwarf für die RENAMO ein Gesetzesprojekt, das in der Assembleia da República diskutiert werden soll.[1][18]

Insbesondere der FRELIMO nahestehende Medien kritisierten Cistac für seine Äußerungen.[19][20] Der Sprecher der FRELIMO, Damião José, warf Cistac Lügen und Unehrlichkeit vor, zudem sei er undankbar gegenüber dem mosambikanischen Volk, obwohl dieses ihn doch „freundlich“ aufgenommen habe.[21]

Privates

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Gilles Cistac war Witwer und hinterließ ein Kind.

Werke (Auswahl)

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Gilles Cistac veröffentlichte mehr als 50 Schriften und Werke zu mosambikanischem Recht.

  • O direito eleitoral moçambicano – Le droit électoral mozambicain (1994)
  • O tribunal administrativo de Moçambique (1997)
  • Aspectos jurídicos, económicos e sociais do uso e aproveitamento da terra (2003)
  • Turismo e desenvolvimento local (2007)
  • 10 anos de descentralização em Moçambique : os caminhos sinuosos de um processo emergente (2008)
  • Direito processual administrativo contencioso teoria e prática (2010)
  • Manual Prático de Jurisprudência Eleitoral (2011), ISBN 978-989-670-026-3
  • Aspectos jurídicos da integração regional (2012), ISBN 978-989-670-031-7

Einzelnachweise

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  1. a b António Cascais: Mord an Verfassungsrechtler verschärft politische Krise in Mosambik. Deutsche Welle, 4. März 2015, abgerufen am 14. März 2015.
  2. Daniel Hourquebie: Gilles Cistac, «un homme de dialogue qui aimait la vie». In: La Depêche. 5. März 2015, abgerufen am 14. März 2015 (französisch).
  3. a b UEM exalta feitos do Professor Gilles Cistac em velório. Universidade Eduardo Mondlane, 11. März 2015, abgerufen am 14. März 2015 (portugiesisch).
  4. Professeur Gilles Cistac Chevalier de l’Ordre des Palmes Académiques. Ambassade de France au Maputo, 27. Januar 2010, abgerufen am 14. März 2015 (französisch).
  5. Elodie Lanfroy: Mozambique : l’avocat toulousain Gilles Cistac tué par balles en pleine rue. In: La Depêche. 5. März 2015, abgerufen am 14. März 2015 (französisch).
  6. Adrien Barbier: Un avocat critique du pouvoir assassiné à Maputo. In: Le Monde Afrique. 3. März 2015, abgerufen am 15. März 2015 (französisch).
  7. Nelson Carvalho: Afonso Dhlakama promete vingar assassinato de Gilles Cistac. Deutsche Welle, 4. März 2015, abgerufen am 14. März 2015 (portugiesisch).
  8. Guilherme Correia da Silva: Moçambicanos de luto pela morte de Gilles Cistac. Deutsche Welle, 6. März 2015, abgerufen am 14. März 2015 (portugiesisch).
  9. Local statement following the assassination of Professor Gilles Cistac in Maputo on 3 March 2015 (03/03/2015). Delegation of the European Union to the Republic of Mozambique, 3. März 2015, abgerufen am 14. März 2015 (englisch).
  10. Déclarations du porte-parole : Assassinat de M. Gilles Cistac (3 mars 2015). Ambassade de France au Maputo, 3. März 2015, abgerufen am 14. März 2015 (französisch).
  11. Declaração à Imprensa: Assassinato Gilles Cistac. U.S. Embassy in Maputo, Mozambique, 3. März 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. März 2015; abgerufen am 14. März 2015 (portugiesisch).
  12. Murder of prominent lawyer presents double threat to Mozambique's new president. In: Menas.co.uk. 11. März 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. April 2015; abgerufen am 14. März 2015 (englisch).
  13. Norman Taku: Press release: Centre calls for immediate and independent investigation into the tragic assassination and untimely death of Prof Gilles Cistac, esteemed human rights educator and activist. Centre for Human Rights / University of Pretoria, 3. März 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. April 2015; abgerufen am 14. März 2015 (englisch).
  14. Nádia Issufo: Polícia moçambicana sem desenvolvimentos sobre caso Cistac. Deutsche Welle, 10. März 2015, abgerufen am 27. März 2015 (portugiesisch).
  15. Club of Mozambique: Mozambique: Concerns over the unsolved murder of Gilles Cistac. In: clubofmozambique.com. 2. September 2015, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 2. September 2015 (englisch).@1@2Vorlage:Toter Link/www.clubofmozambique.com (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  16. Raul Senda: Sobre os poderes na ditosa Pátria amada. In: The Delagoa Bay Review. 20. September 2011, abgerufen am 14. März 2015 (portugiesisch).
  17. Gilles Cistac: “Projecto da Frelimo é pouco substancial”. In: opais.sapo.mz. 14. Oktober 2011, archiviert vom Original am 2. April 2015; abgerufen am 29. Juli 2024 (portugiesisch).
  18. Emildo Sambo: Gilles Cistac prevê gestão autónoma das províncias onde a Renamo reclama vitória. In: A Verdade. 30. Januar 2015, abgerufen am 14. März 2015 (portugiesisch).
  19. Télio Chamuço: Os equívocos do Prof. Gilles Cistac. In: Jornal de Notícias. 5. Februar 2015, abgerufen am 14. März 2015 (portugiesisch).
  20. Rádio Moçambique: Dhlakama tenta explicar “províncias autónomas”. In: rm.co.mz. 18. Februar 2015, archiviert vom Original am 3. März 2016; abgerufen am 29. Juli 2024 (portugiesisch).
  21. AINDA OS PRONUNCIAMENTOS DE CISTAC: Porta-voz da Frelimo deplora. In: Jornal de Notícias. 19. Februar 2015, abgerufen am 14. März 2015 (portugiesisch).