Zariski-Tangentialraum

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Der Zariski-Tangentialraum ist ein Konzept aus der algebraischen Geometrie, welches die aus der elementaren Geometrie und der Differentialgeometrie bekannten Begriffe von Tangenten, Tangentialebenen und Tangentialräumen in die Sprache der algebraischen Geometrie übersetzt.

Um einem Punkt einer Varietät einen affinen Unterraum des umgebenen Raumes zuzuordnen, werden die analytischen Methoden der Differentialgeometrie in eine algebraische Sprache übersetzt. In der Sprache der modernen algebraischen Geometrie wird der Tangentialraum eines Schemas intrinsisch, also ohne Bezugnahme auf einen umgebenen Raum definiert.

Motivation

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Analogie zur Differentialgeometrie

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Klassisch wird der Tangentialraum an einem Punkt als Menge der Tangentialvektoren definiert. Diese wiederum entsprechen eindeutig den Richtungsableitungen in diesem Punkt. Richtungsableitungen sind genau die Derivationen (siehe den Abschnitt weiter unten) der glatten Funktionen, weshalb man den Tangentialraum auch als Menge der Derivationen in einem Punkt definieren kann.

Weil Derivationen linear sind und die Derivation einer konstanten Funktion Null ergibt, ist eine Derivation schon durch ihre Anwendungen auf die Elemente des Maximalideals   eindeutig bestimmt. Weiterhin verschwindet jede Derivation aufgrund der für sie geltenden Leibniz-Regel auf  . Man kann also Derivationen als lineare Abbildungen   auffassen. Das motiviert die nachfolgende Definition.

(Während diese Definition sich auch auf den Tangentialraum von Mannigfaltigkeiten übertragen lässt, hat sie dort aber kaum Anwendungen. Innerhalb der algebraischen Geometrie ermöglicht die algebraische Definition die Verwendung der Idealtheorie auch bei der Untersuchung von Tangentialräumen, sowie auch die Verallgemeinerung des Begriffs in den Kontext der Schemata.)

Tangentialraum einer affinen Hyperfläche

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Sei im Folgenden   ein algebraisch abgeschlossener Körper,   der affine  -dimensionale Raum und   ein irreduzibles Polynom.   sei die durch   definierte Hyperfläche

 

Ist   ein Punkt der Hyperfläche, so ist eine Gerade eine Tangente an   im Punkt  , wenn sie einen mehrfachen Schnittpunkt mit   im Punkt   hat. Algebraisch ausgedrückt bedeutet das:

Ohne Beschränkung der Allgemeinheit sei   der Nullpunkt. (Nach einem Koordinatenwechsel kann man dies stets erreichen.) Ist   ein beliebiger Punkt, so hat die Gerade

 

die durch den Nullpunkt und   geht, genau in den Nullstellen des Polynoms  :

 

Schnittpunkte mit  .

Das Polynom   ist von der Form

 

Da Null ein Schnittpunkt ist, ist  . Ist nun auch  , so hat die Gerade einen mehrfachen Schnittpunkt mit   im Nullpunkt und ist eine Tangente an  . Die Vereinigung aller Tangenten ist ein affiner Unterraum und wird als der Tangentialraum von   bezeichnet.

Definition

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Sei   eine algebraische Varietät (über einem Körper  ) mit Koordinatenring  , und sei   ein Punkt mit zugehörigem Maximalideal

 .

Dann ist der Kotangentialraum   definiert als

 

und der Zariski-Tangentialraum   als dessen Dualraum

 .

Allgemeiner kann man für einen lokalen Ring   mit Maximalideal   den Kotangentialraum als   definieren, und analog den Zariski-Tangentialraum als dessen Dualraum  . Der Zariski-Tangentialraum einer algebraischen Varietät im Punkt   ist dann der Zariski-Tangentialraum des lokalen Ringes  , also des Ringes der Keime regulärer Funktionen in  .

Explizite Berechnung

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Sei   eine algebraische Varietät mit definierendem Ideal   und sei  . Für   sei

 .

Dann ist der Zariski-Tangentialraum isomorph zu  , wobei   das von den

 

aufgespannte Ideal ist. Also

 .

Sind   Erzeuger von  , dann sind   Erzeuger von  .

Beispiele

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Graphen der über   definierten Kurven y2 = x3x und y2 = x3x + 1
  •  :
Die Tangente in   an   ist die y-Achse, also  . Der Tangentialraum in   ist derselbe, d. h. der Tangentialraum ist nicht als affiner Raum, sondern als Vektorraum zu verstehen. Allgemein ist die Tangente im Punkt   der Kern der linearen Abbildung  , also der vom Vektor   aufgespannte 1-dimensionale Unterraum des  .
  •  :
Auch hier ist die Tangente im Punkt   der Kern der linearen Abbildung  , also der vom Vektor   aufgespannte 1-dimensionale Unterraum des  .
Hier kann man in   zwei Tangenten anlegen,   und  . Der Tangentialraum ist der davon aufgespannte  . Die Dimension des Tangentialraumes ist in diesem Punkt größer als die Dimension der Varietät, es handelt sich um eine Singularität (siehe unten).
Ebenso wie im vorigen Beispiel ist hier  , also  .
  •  :
Man berechnet  . Insbesondere ist   eine Singularität. Es gibt auf dieser Fläche keine weiteren Singularitäten. Beispielsweise ist  .

Derivationen

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Äquivalent kann man den Tangentialraum auch mit Hilfe von Derivationen definieren. (Dies entspricht der Interpretation von Vektorfeldern als Richtungsableitungen.)

Sei   eine algebraische Varietät und   der Ring ihrer regulären Funktionen. Eine Derivation von   in einem Punkt   ist eine  -lineare Abbildung   mit

 

für alle  .

Der  -Vektorraum der Derivationen in   ist isomorph zum Zariski-Tangentialraum  .

Dimension und Singularitäten

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Für einen noetherschen lokalen Ring   mit Maximalideal   gilt stets

 ,

wobei   die Krull-Dimension von   bezeichnet.

Insbesondere gilt für alle Punkte   einer algebraischen Varietät  :

 .

Punkte  , in denen   ist, werden als Singularität bezeichnet. Punkte, in denen   ist, heißen reguläre Punkte oder glatte Punkte.

Die glatten Punkte bilden eine offene und dichte Teilmenge der Varietät  .

Eine glatte Varietät ist eine algebraische Varietät, in der alle Punkte glatt sind, es also keine Singularitäten gibt.

Literatur

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  • Oscar Zariski: The concept of a simple point of an abstract algebraic variety. Trans. Amer. Math. Soc. 62, 1-52 (1947)
  • Pierre Samuel: Méthodes d'algèbre abstraite en géométrie algébrique. Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete (N.F.), Heft 4. Springer-Verlag, Berlin-Göttingen-Heidelberg, 1955.
  • Igor Shafarevich: Basic algebraic geometry. Translated from the Russian by K. A. Hirsch. Revised printing of Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, Vol. 213, 1974. Springer Study Edition. Springer-Verlag, Berlin-New York, 1977. (Band 1, Kapitel II.1.2)
  • Joe Harris: Algebraic geometry. A first course. Corrected reprint of the 1992 original. Graduate Texts in Mathematics, 133. Springer-Verlag, New York, 1995. ISBN 0-387-97716-3 (Kapitel 14)
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