Die gleichgradige Integrierbarkeit, auch gleichmäßige Integrierbarkeit genannt, ist in der Mathematik eine Verstärkung des Begriffs der Integrierbarkeit. Im Gegensatz zur Integrierbarkeit ist sie immer eine Eigenschaft einer Familie von Funktionen und nicht die einer einzelnen Funktion. Allerdings kann die Familie auch einelementig sein. Die gleichgradige Integrierbarkeit ist vor allem in der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Maßtheorie von Bedeutung, da sie es ermöglicht, mittels des Konvergenzsatzes von Vitali eine Verbindung von der Konvergenz im p-ten Mittel zu der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Konvergenz nach Maß bzw. der Konvergenz lokal nach Maß der Maßtheorie zu schlagen. Anschaulich ist eine Familie von Funktionen dann gleichgradig integrierbar, wenn das Integral über „kleinen“ Mengen auch keine zu großen Werte annimmt.

Definition

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Sei   ein Maßraum,   ein (positives) Maß auf  . Mit   sei die Menge der bezüglich   integrierbaren Funktionen von   nach   bezeichnet. Der Positivteil einer Funktion sei mit  , die Menge der positiven, bezüglich   integrierbaren Funktionen auf   mit   notiert.

Für allgemeine Maße

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Eine Familie   von messbaren Funktionen auf   heißt gleichgradig integrierbar bezüglich  , wenn sie eine der folgenden vier äquivalenten Bedingungen erfüllt:[1]

  • Es sind die folgenden beiden Bedingungen erfüllt:
  1. Es ist  .
  2. Für jedes   existiert ein   mit   und
 .
  • Es ist
 .
  • Es ist
 .
  • Es sind die folgenden beiden Bedingungen erfüllt:
  1. Es ist  
  2. Für jedes   existieren ein   und ein   derart, dass die Implikation
 
für alle   gültig ist.

Insbesondere ist also jedes Element gleichgradig integrierbarer Familien selbst eine integrierbare Funktion.

Für endliche Maße

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Ist das Maß endlich, ist also  , so existieren vereinfachte Charakterisierungen: Die gleichgradige Integrierbarkeit bezüglich   einer Familie   messbarer Funktionen auf   ist dann äquivalent zu jeder der vier folgenden Aussagen:[2][3]

  • Es ist
 .
  • Es ist
 .
  • Es sind die folgenden beiden Bedingungen erfüllt:
  1. Es ist  .
  2. Für jedes   existiert ein   derart, dass die Implikation
 
für alle   gültig ist.
  • Es existiert eine Funktion   mit   und
 .

Die letzte Bedingung wird manchmal auch De-La-Vallée-Poussin-Kriterium (für gleichgradige Integrierbarkeit) genannt.

Gleichgradig integrierbar im p-ten Mittel

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Eine Familie von Funktionen   heißt „gleichgradig integrierbar im p-ten Mittel“, wenn die Familie   gleichgradig integrierbar ist. Im Falle eines endlichen Maßraums ist dies für   insbesondere der Fall, wenn  .

Eigenschaften

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  • Jede endliche Menge   ist gleichgradig integrierbar.
  • Seien   Familien von Funktionen und sei   gleichgradig integrierbar. Existiert zu jedem   ein  , sodass  , so ist auch   gleichgradig integrierbar.
  • Existiert ein  , sodass   für alle  , so ist   gleichgradig integrierbar. Dies ist ein direkter Spezialfall der beiden obigen Eigenschaften.
  • Eine Folge   messbarer Funktionen konvergiert genau dann im Mittel, d. h. bezüglich der  -Norm, gegen eine Funktion  , wenn sie dem Maße nach konvergiert und gleichgradig integrierbar ist. Dies folgt aus dem Konvergenzsatz von Vitali. Diese Aussage kann als eine Erweiterung des Satzes der majorisierten Konvergenz verstanden werden, da durch die gleichgrade Integrierbarkeit die Anforderung an die Konvergenz der Folge   abgeschwächt wird.
  • Allgemeiner konvergiert eine Folge   messbarer Funktionen genau dann im p-ten Mittel, also bezüglich der  -Norm, gegen eine Funktion  , wenn sie dem Maße nach konvergiert und im p-ten Mittel gleichgradig integrierbar ist. Diese Aussage folgt ebenfalls aus dem Konvergenzsatz von Vitali.
  • Sind   gleichgradig integrierbare Familien, so sind auch   für  ,  ,   und   gleichgradig integrierbare Familien. Die Operationen sind dabei elementweise zu verstehen.

Anwendungen

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Die gleichgradige Integrierbarkeit spielt eine wichtige Rolle in der Wahrscheinlichkeitstheorie im Zusammenhang mit Martingalen. Wichtige Aussagen sind[4]:

  • Ist   ein rechtsstetiges Martingal, dann ist   genau dann gleichgradig integrierbar, wenn   existiert, sodass   fast sicher und   für alle  .
  • Ist   ein gleichgradig integrierbares rechtsstetiges Martingal und   eine Stoppzeit, dann ist der gestoppte Prozess auch ein gleichgradig integrierbares rechtsstetiges Martingal.
  • Ist   ein adaptierter Prozess mit càdlàg Pfaden und   und   für jede beliebige Stoppzeit  , dann ist   gleichgradig integrierbar.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Norbert Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. Eine Einführung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-45386-1, doi:10.1007/978-3-642-45387-8. Definition 13.29, Satz 13.31.
  2. Norbert Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. Eine Einführung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-45386-1, doi:10.1007/978-3-642-45387-8. Satz 13.32.
  3. Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36017-6, doi:10.1007/978-3-642-36018-3. Satz 6.17, Satz 6.24.
  4. Philip Protter: Stochastic Integration and Differential Equations. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2013, ISBN 978-3-662-02619-9, S. 9, 11, 12, doi:10.1007/978-3-662-02619-9.