Klockerkarkopf
Der Klockerkarkopf, irrtümlicherweise auch Glockenkarkopf geschrieben,[1] italienisch Vetta d’Italia, ist ein 2911 m ü. A. hoher Gipfel im Hauptkamm der Zillertaler Alpen. Er liegt genau auf der Grenze zwischen dem österreichischen Bundesland Salzburg und der italienischen Provinz Südtirol sowie zwischen dem Nationalpark Hohe Tauern und dem Naturpark Rieserferner-Ahrn.
Klockerkarkopf | ||
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Blick vom Lausitzer Weg Richtung Gipfel | ||
Höhe | 2911 m ü. A. | |
Lage | Salzburg, Österreich/Südtirol, Italien | |
Gebirge | Zillertaler Alpen | |
Dominanz | 0,3 km → Pfaffenschneidkopf | |
Schartenhöhe | 37 m ↓ Scharte zum Pfaffenschneidkopf | |
Koordinaten | 47° 5′ 28″ N, 12° 10′ 50″ O | |
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Erstbesteigung | 1895 durch Fritz Koegel und Franz Hofer |
Lage
BearbeitenDer Klockerkarkopf liegt im Zillertaler Hauptkamm zwischen dem Krimmler Tauern im Westen und der Birnlücke im Osten. Rund 300 m südwestlich des Gipfels liegt der etwas höhere Pfaffenschneidkopf (2918 m), getrennt durch eine nur 37 m tiefe Einschartung. Knapp über 400 m nordöstlich des Klockerkarkopfs befindet sich das Westliche Zwillingsköpfl (2835 m).
Nordseitig fällt das Gelände zum Krimmler Achental ab, südseitig zum Ahrntal. Von dort ist der Klockerkarkopf auch durch einen markierten Wanderweg erschlossen, der vom die Südhänge querenden Lausitzer Weg zum Gipfel abzweigt.
Geschichte
BearbeitenDie erste bekannte Besteigung des Klockerkarkopfs erfolgte am 10. Juli 1895 als Überschreitung vom Norden her durch den ersten Herausgeber des Nietzsche-Archivs Fritz Koegel und den Bergführer Franz Hofer.[2][3]
Eine besondere Signifikanz hatte der Gipfel für den italienischen Nationalisten, Irredentisten und späteren Faschisten Ettore Tolomei, der den damals noch in Österreich-Ungarn gelegenen Klockerkarkopf am 16. Juli 1904 zusammen mit seinem Bruder Ferruccio Tolomei, Elvira und Ilda Tomasi sowie dem Bergführer Franz Gasser aus Prettau bestieg. Er vermeinte, nun am nördlichsten Punkt des Einzugsgebiets des Mittelmeers im Alpenbogen zu stehen, und glaubte gemäß der von ihm vertretenen Naturgrenztheorie, sich somit auch am nördlichsten Punkte des rechtmäßig Italien zustehenden Gebiets zu befinden.[4] Da er sich zudem zum Erstbesteiger erklärte, hielt er es für sein gutes Recht, den Gipfel Vetta d’Italia (deutsch „Spitze Italiens“) benennen zu dürfen, um die Gebietsansprüche Italiens auf das mehrheitlich deutschsprachige Südtirol zu untermauern. Abgesehen vom Umstand, dass der Klockerkarkopf zu diesem Zeitpunkt schon längst bestiegen gewesen war, hatte Tolomeis Gipfelsieg noch einen weiteren Makel: Beim Klockerkarkopf handelt es sich gar nicht um den nördlichsten Punkt des mediterranen Einzugsgebiets, denn das ganz in der Nähe liegende Westliche Zwillingsköpfl (2835 m ü. A.) befindet sich nochmals rund 100 m weiter nördlich.
In italienischen Landkarten wurde Tolomeis Bezeichnung des Berges bereits seit 1905 verwendet. Seit dem Inkrafttreten des Friedensvertrags von Saint-Germain 1920 verläuft die italienisch-österreichische Staatsgrenze tatsächlich über den Gipfel des Klockerkarkopfs. Nach Erik von Kuehnelt-Leddihn habe der Name „Vetta d’Italia“ bei den Verhandlungen den in Geographie und Geschichte Europas recht wenig bewanderten US-Präsidenten Woodrow Wilson von der Legitimität der neuen italienischen Nordgrenze überzeugt.[5]
Namensdiskussion
BearbeitenDie früher weiter verbreitete, aber auch heute noch von der Österreichischen Karte verwendete Namensvariante Glockenkarkopf wurde bereits von Karl Finsterwalder als Falschschreibung des originären Toponyms erkannt. Der Gipfel hat nämlich nichts mit Glocken zu tun, sondern erhielt seinen Namen nach einem nordseitig gelegenen Kar, das wiederum als zugehöriges Almgelände nach dem Krimmler Hof Klocker benannt wurde.[6]
Die Bezeichnung Vetta d’Italia stößt bei der mehrheitlich deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols weitgehend auf Ablehnung, wird aber auch bisweilen scherzhaft in der Form die Wätta verwendet.[6] Vor diesem Hintergrund benannte 1989 Alexander Langer, der Vorkämpfer für einen gesellschaftlichen Austausch und eine intensivere Verständigung zwischen den Südtiroler Sprachgruppen, den Berg in einer symbolischen Aktion in Europagipfel – Vetta d’Europa um, was 2011 von den Südtiroler Grünen durch Anbringung einer entsprechenden Tafel im Gipfelbereich erneut bekräftigt wurde.[7]
Literatur und Karte
Bearbeiten- Heinrich Klier, Walter Klier: Alpenvereinsführer Zillertaler Alpen, München 1996, ISBN 3-7633-1269-2
- Hanspaul Menara: Südtiroler Gipfelwanderungen. Athesia, Bozen 2001, ISBN 88-8266-013-3
- Alpenvereinskarte 1:25.000, Blatt 35/3, Zillertaler Alpen, östliches Blatt
- Werner Beikircher und Karl Hellweger: Alpinführer Tauferer - Ahrntal. Athesia, Bozen 1981, S. 205f.
- J. Kaser: Die "Erstbesteigung" des Glockenkarkopfes durch Tolomei, in: Südtirol in Wort und Bild, II/1960
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Hanspaul Menara: Südtiroler Gipfelwanderungen. Athesia, Bozen 2001, ISBN 88-8266-013-3, S. 200
- ↑ Fritz Koegel: Die Reichenspitzgruppe. In: Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins 28 (1897), S. 188–228, hier S. 192ff. (online ( des vom 18. November 2021 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. )
- ↑ David Marc Hoffmann: Zur Geschichte des Nietzsche-Archivs, Nachdruck, Walter de Gruyter, Berlin 1991, S. 138 f.
- ↑ Rolf Steininger: Südtirol vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Haymon Taschenbuch, Innsbruck-Wien 2014, ISBN 978-3-85218-925-3, Seite 29 ff.
- ↑ "Wilson was won ... by means of a fake map" Erik von Kuehnelt-Leddihn: Leftism revisited: from de Sade and Marx to Hitler and Pol Pot. Regnery Gateway, 1990, ISBN 0-89526-537-0, S. 205 und 484
- ↑ a b Egon Kühebacher: Die Ortsnamen Südtirols und ihre Geschichte. Die geschichtlich gewachsenen Namen der Gebirgszüge, Gipfelgruppen und Einzelgipfel Südtirols. Athesia, Bozen 2000, ISBN 88-8266-018-4, S. 144.
- ↑ Florian Kronbichler: Was gut war – Ein Alexander-Langer-Abc. Edition Raetia, Bozen 2005, S. 130 (mit Foto).