Gottfried Kölwel

deutscher Lyriker, Dramatiker und Erzähler

Gottfried Kölwel (* 16. Oktober 1889 in Beratzhausen; † 21. März 1958 in Gräfelfing) war ein deutscher Lyriker, Dramatiker und Erzähler.

Gottfried Kölwel war der Sohn eines früh verstorbenen Färbereibesitzers und besuchte von 1902 bis 1907 die Lehrerbildungsanstalt in Amberg. Danach war er fünf Jahre lang als Hilfslehrer in verschiedenen oberbayrischen Dörfern angestellt (Aising, Walpertskirchen, Marzling, Schrobenhausen).[1] 1912 kam er nach München und hörte an der Universität Vorlesungen in Literaturgeschichte bei Franz Muncker und Artur Kutscher.[2] Während des Ersten Weltkriegs war er – für den Militärdienst untauglich – Lehrer in München und ab 1918 konnte er als freier Schriftsteller leben.

Kölwel veröffentlichte 1913 bis 1915 Gedichte in den Zeitschriften Charon[1] und Die Aktion[2]; und Franz Pfemfert, der Herausgeber der Aktion, widmete dem jungen Lyriker sogar eine Sondernummer (1914, Nr. 12). Als im Mai 1914 in der Monatsschrift Phöbus eine Sympathieerklärung deutscher Literaten zur Unterstützung der Aktion gegen Zensurmaßnahmen veröffentlicht wurde, war Gottfried Kölbel einer der 29 Unterzeichner (neben Wedekind, Kandinsky, Klabund, Heinrich und Thomas Mann, und anderen).[3] Im selben Jahr 1914 erschien, von Martin Buber dem Verleger wärmstens anempfohlen, Kölwels erster Gedichtband Gesänge gegen den Tod im renommierten Leipziger Kurt Wolff-Verlag.[4]

Gottfried Kölwel war ab den 1910er Jahren mit den zeitgenössischen Literaten gut vernetzt; er war mit Rilke, Kafka und Döblin persönlich bekannt,[1] und sogar eng befreundet mit Alfred Wolfenstein (der 1916 bis 1924 in München lebte), Max Pulver, Georg Hecht, Eugen Mondt, Friedrich Wilhelm Wagner, Albert Steffen und Martin Sommerfeld. Seine erste Lesung in der Galerie von Hans Goltz in München fand in Gegenwart von Rilke statt.[2] Als Kafka am Abend des 10. November 1916 – ebenfalls bei Goltz – seine noch unveröffentlichte Erzählung In der Strafkolonie vorlas, war auch Kölwel unter dem (spärlichen) Publikum.[5]

Ab 1917 folgten weitere Lyrikbände im Roland-Verlag (Die frühe Landschaft 1917, Die Erhebung 1918) und seit den 1920er Jahren auch zahlreiche Prosawerke und einige Dramen. Während des Dritten Reiches war Gottfried Kölwel zwar zeitweise Mitglied der NSDAP, unternahm aber dann ausgedehnte Reisen ins Ausland, bevor er sich 1940–1945 in die Einsamkeit nach Fischbachau (Landkreis Miesbach) ins Haus seiner Schwester zurückzog.[1] Er befreundete sich mit Otto Heuschele und war 1949 Gründungsmitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seine Bücher wurden aus rechtlichen Gründen lange nicht nachgedruckt,[1] sind aber noch antiquarisch erhältlich.

In der Anthologie »Beständig ist das leicht Verletzliche« ist Gottfried Kölbel mit den Gedichten

  • Vor dem Krieg (1912/13)
  • Bahnfahrt durch den Vorfrühling (1912/13)
  • Die Uhr (1915)
  • Wir Wehenden (1916)

vertreten.[6]

 
Gottfried Kölwel: Erhebung. Neue Gedichte. München, Roland-Verlag Dr. Albert Mundt, 1918

Sieben Zeilen von Gottfried Kölbel

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Aus: Wir Wehenden

Wir Wehenden durch diese Welt,
wir wünschen uns hierhergestellt
wie Götter, die im Kraftquell baden,
und sind von Ohnmacht weh beladen.
Nur Laub im Hauch des Herrn, am Baum der Erde?
Unwissend, was aus unsrer Herbstspreu werde.
Wir Wehenden durch diese Welt!

Lyrikbände

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  • Gesänge gegen den Tod (1914)
  • Die frühe Landschaft (Gedichte und Skizzen, 1917)
  • Erhebung (1918)
  • Irdische Fülle (1937)
  • Münchner Elegien (1947)
  • Gedichte (1949)
  • Wir Wehenden (1959)

Erzählungen und Romane

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  • Bertolzhausen (1925)
  • Volk auf alter Erde (1929)
  • Der vertriebene Pan (1930)
    • umgearbeitet: Franz Sebas (1940)
  • Das Jahr der Kindheit (1935)
    • neu veröffentlicht: Das glückselige Jahr (1941)
  • Das Glück auf Erden (1936)
  • Irdische Fülle (1936)
  • Die Wanderung nach Rödelsee (1938)
  • Der geheimnisvolle Wald (1938)
  • Franz Sebas (1939)
  • Der Bayernspiegel, 2 Bände:
    • Die heitere Welt von Spiegelberg
    • Das Tal von Lauterbach (1940/41)
  • Die schöne Welt (1942)
  • Der verborgene Krug (1944)
  • Die Stimme der Grille (1950)
  • Das Himmelsgericht (1951)
  • Aufstand des Herzens (1952)
  • Der Hoimann (1933)
  • Franziska Zachez (1934)

Hörspiele

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  • Am Strom (1936)
  • Das Drachenspiel, dramatische Dichtung
    • als Hörspiel gesendet 1951

Gottfried Kölwel zählt zu den Autoren des literarischen Spätexpressionismus. Kölwels kulturkritischer Ansatz und seine Kritik der Moderne gehen auf die Jugendbewegung der zwanziger Jahre zurück. Er bekämpft weniger einen Gegensatz zwischen Stadt und Land, als vielmehr Egoismus und soziale Fehlhaltungen. Seine Kapitalismuskritik ist Kritik an der Ausbeutung des Menschen und der Zerstörung der Natur. Auch die Zerstörung vorgeblich unwerten Lebens im Nationalsozialismus wird kritisiert.

„Es sind trostreiche Gedichte, Trostgesänge alle; Sie halten sich förmlich nur mit einer Hand im Dunkel, vielleicht um nicht ganz losgebrochen zu werden aus der Erde, alles andere ist Helligkeit, gute und wahrhaftige. Gerade weil Sie die Bestimmung dazu haben, stört mich manchmal eine kühle Gefühlswendung, die sich so eindeutig gibt, als werde sie auf dem Trapez, und sei es auch das höchste, vollführt und nicht im Herzen; sie ist einwandfrei, aber das genügt gewiß Ihnen am allerwenigsten. So z. B. die Wendung im Trostgesang, die das Gedicht, das doch auf höchste Wahrheit ausgeht, erfüllt, wie mit zwei riesigen Stützbalken. Oder zum Teil auch im Gekreuzigten, in dessen einzelnen Versen man allerdings versinkt. Ein starkes Gegenbeispiel in meinem Sinn ist etwa der Herbstgesang, der in seiner Gänze schwebt und darum auch tragen kann.“

Franz Kafka[7]

Ehrungen

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Geburtshaus von Göttfried Kölwel in Beratzhausen

Literatur

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  • Kuratorium zur Pflege des dichterischen Werkes von Gottfried Kölwel (Hrsg.): Gottfried Kölwel zum 70. Geburtstag am 16. Oktober 1959. Kösel, München 1959.
  • Otto HeuscheleKölwel, Gottfried. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 327 f. (Digitalisat).
  • Ingrid Girlinger: Gottfried Kölwel. Studien zu seinem erzählerischen und dramatischen Werk (= Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft. Reihe B: Untersuchungen. Band 50). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1991, ISBN 3-631-43164-3 (Zugleich: Regensburg, Universität, Dissertation, 1990).
  • Hartmut Binder (Hrsg.): Prager Profile : vergessene Autoren im Schatten Kafkas. Berlin : Mann 1991
  • Jan Neidhardt, Christine Riedl-Valder: Gottfried Kölwel und Beratzhausen – eine Marktgemeinde ehrt ihren Dichter. In: Christine Riedl-Valder, Sigmund Bonk, Benhard Lübbers (Hrsg.): Georg Britting und Gottfried Kölwel – Neue Facetten zu ihrem schriftstellerischen Werk. Regensburg 2012, S. 119–142.
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Einzelnachweise

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  1. a b c d e Kölwel, Gottfried in: Lutz Hagestedt (Hrsg.): Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert. Biographisch-bibliographisches Handbuch. Band 30: Koch, Jurij – Kokontis. De Gruyter, Berlin, Boston, 2018. DOI Spalte 218 ff.
  2. a b c Paul Raabe: Kölwel, Gottfried in: derselbe: Die Aktion. 1. Jahrgang 1911. Bio-Bibliographischer Anhang, Cotta Stuttgart 1961, Seite 72. Online Seite 70
  3. Paul Raabe: Kölwel, Gottfried in: derselbe: Die Aktion. 1. Jahrgang 1911. Bio-Bibliographischer Anhang, Cotta Stuttgart 1961, Seite 23. Online Seite 21
  4. Ulrich Kelber: Gottfried Kölwel – Dichter als Menschenfreund. In: Mittelbayerische Zeitung. 19. März 2008.
  5. S. Fischer Verlag, Kafkaportal, Fundstücke Kafka-Lesung als Körperverletzung?
  6. Alle aus Gottfried Kölbel: Prosa. Dramen. Verse. Dritter Band Albert Langen / Georg Müller, München, Wien, 1964 © Charlotte Kaiser, Beratzhausen
  7. Franz Kafka: Brief an Gottfried Kölwel, 1917 Franz Kafka - Briefe und Tagebücher