Gräberfeld von Zethlingen
Das Gräberfeld von Zethlingen ist ein langobardisches Brandgräberfeld der späten römischen Kaiserzeit und frühen Völkerwanderungszeit am Mühlenberg bei Zethlingen, einem Ortsteil von Kalbe (Milde) im Altmarkkreis Salzwedel in Sachsen-Anhalt.
Fundgeschichte
BearbeitenSpätestens seit den 1820er Jahren war bekannt, dass sich auf dem Zethlinger Mühlenberg ein Urnenfriedhof befindet. Johann Friedrich Danneil führte die ersten dokumentierten Grabungen durch. Er ging noch davon aus, dass es sich um ein wendisches Gräberfeld handelt. Als zu Beginn des 20. Jhs. unter anderen Karl Gaedcke für den Altmärkischen Verein für Vaterländische Geschichte und Industrie auf dem Mühlenberg Ausgrabungen durchführte, hatte sich allerdings weitgehend das Wissen durchgesetzt, dass es sich um einen germanischen Friedhof handelt. Dass es die Langobarden waren, die ihre Toten in der Altmark auf diese Art und Weise bestatteten, postulierte 1905 der Hallenser Provinzialmuseumsdirektor Oskar Förtsch. Er stützte sich bei seiner These allerdings auf das Gräberfeld von Mechau (Altmarkkreis Salzwedel). Heute werden die Funde archäologisch den Elbgermanen zugeordnet.
Vor allem durch den Kiesabbau sind viele Gräber zerstört worden. Dies war Anlass für eine Grabungskampagne der Universität Halle/Wittenberg von 1958 bis 1962. Seit 1976 wurden weitere Ausgrabungen durchgeführt, zunächst durch das Altmärkische Museum Stendal, später durch das Salzwedeler Danneil-Museum sowie durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie / Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale)[1].
Gräberfeld
BearbeitenBis zum heutigen Zeitpunkt wurden fast 2 000 Gräber wissenschaftlich erfasst. Hochrechnungen aufgrund der Fläche des Gräberfeldes gehen von bis zu 15 000 Gräbern aus[1]. Die hauptsächliche Belegung erfolgte vom Ende des 2. bis zu Beginn des 4. Jhs. Einzelne Bestattungen weisen auf eine Kontinuität bis in das 6. Jh. hin. Bisher wurden ausschließlich Brandgräber nachgewiesen. Die Bestattung erfolgte meist in Keramikgefäßen, teilweise auch in römischen Metallgefäßen, organischen Behältnissen oder flachen Gruben, häufig sind Steinsetzungen. Beigaben wie Fibeln, Glas- und Fayenceperlen, Nadeln, Kämme, Schlüssel, Urnenharz, Messer selten Waffen treten in ca. 2/3 der Gräber auf[2].
Siedlungskammer
BearbeitenEtwa einen Kilometer entfernt, nordöstlich des heutigen Dorfes, wurden in den Jahren 1979 bis 1992 Hausgrundrisse einer zeitgleichen Siedlung ausgegraben[1]. Eine weitere Siedlungsstelle liegt westlich in der Feldmark Cheinitz. Am südwestlichen Hang des Mühlenberges wurden zudem Überreste eines Eisenverhüttungsplatzes mit mindestens zwölf Rennöfen gefunden, in denen – so die Annahme der ur- und frühgeschichtlichen Archäologen – das in der Umgebung anstehende Raseneisenerz für den Eigenbedarf verarbeitet wurde.[3]
Aufbewahrung
BearbeitenEin Großteil der Funde ist heute im Bestand des Johann-Friedrich-Danneil-Museums Salzwedel und teilweise in der Dauerausstellung zu sehen. Auf dem Mühlenberg befindet sich seit 1991 die Langobardenwerkstatt Zethlingen, das museumspädagogische Zentrum des Johann-Friedrich-Danneil-Museums.
Literatur
Bearbeiten- Rosemarie Leineweber: Ein spätrömerzeitlicher Verhüttungsplatz im Bereich eines zeitgleichen Brandgräberfeldes von Zethlingen. In: Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 72. Halle an der Saale 1989, S. 97–120.
- Rosemarie Leineweber: Die Altmark in spätrömischer Zeit (= Veröffentlichungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Band 50).Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 1997, ISBN 3-910010-27-X.
- Rosemarie Leineweber: Langobarden einst in Zethlingen. Vom Kommen und Gehen – Leben und Sterben elbgermanischer Siedler in der Altmark vom 2. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. Tredition, Hamburg 2019, ISBN 978-3-7482-5734-9.
- Rosemarie Leineweber: Zethlingen – ein Brandgräberfeld der spätrömischen Kaiserzeit aus der Altmark. Die Ausgrabungen der Jahre 1978–1988 (= Veröffentlichungen des Landesamtes für Archäologie Sachsen Anhalt. Band 83). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2021, ISBN 978-3-948618-26-1.
- Rosemarie Leineweber: Zethlingen – ein Brandgräberfeld der spätrömischen Kaiserzeit aus der Altmark. Die Ausgrabungen der Jahre 1989–2011 (= Veröffentlichungen des Landesamtes für Archäologie Sachsen Anhalt. Band 92). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2023, ISBN 978-3-948618-68-1.
- Lothar Mittag: Über einen wichtigen Neufund vom Zethlinger Mühlenberg und einige damit verbundene Betrachtungen. In: Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für Vaterländische Geschichte zu Salzwedel. Band 75, 2009, S. 7–9.
- Oskar Förtsch: Langobardische Gräber von dem Mühlenberge bei Mechau, Landeskreis Osterburg. In: Jahresschrift für Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder. Band 3, 1904, S. 65–70 (Online).
- Matthias Becker: Untersuchungen zur römischen Kaiserzeit zwischen südlichem Harzrand, Thüringer Becken und Weißer Elster. (= Veröffentlichungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 48). Halle an der Saale 1996.
- Fabian Gall: Siedlungen der römischen Kaiser- und Völkerwanderungszeit in der westlichen Altmark. (= Veröffentlichungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 65). Halle an der Saale 2012.
- Rudolf Laser: Die Brandgräber der spätrömischen Kaiserzeit im nördlichen Mitteldeutschland. (= Forschungen zur Vor- und Frühgeschichte 7). Berlin 1965.
- Rudolf Laser: Römische Funde zwischen Thüringer Wald und Ostsee. Leipzig 1979.
- Matthias Becker, Jan Bemmann, Rudolf Laser, Rosemarie Leineweber, Berthold Schmidt-Thielbeer: Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum. Deutschland. Band 6: Sachsen-Anhalt. Habelt, Bonn 2006, ISBN 978-3-7749-3391-0.
- Berthold Schmidt, Jan Bemmann: Körperbestattungen der jüngeren römischen Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit Mitteldeutschlands. (= Veröffentlichungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 61). Halle an der Saale 2008.
- Rosemarie Worbs: Zethlingen – ein Brandgräberfeld der spätrömischen Kaiserzeit aus der Altmark (= Wissenschaftliche Beiträge / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Band 1979/12 = Wissenschaftliche Beiträge. Reihe L / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Band 14). Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale) 1979.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c Rosemarie Leineweber: Zethlingen - ein Brandgräberfeld der spätrömischen Kaiserzeit aus der Altmark. Die Ausgrabungen der Jahre 1978-1988. In: Veröffentlichungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt - Landesmuseum für Vorgeschichte. Band 83. Halle (Saale) 2021, ISBN 978-3-948618-26-1, S. 7 ff.
- ↑ Rosemarie Worbs: Zethlingen – ein Brandgräberfeld der spätrömischen Kaiserzeit aus der Altmark. In: Wissenschaftliche Beiträge / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Band 1979/12 = Wissenschaftliche Beiträge. Reihe L / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Band 14. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale) 1979, S. 15.
- ↑ Rosemarie Leineweber: Langobarden einst in Zethlingen. Vom Kommen und Gehen – Leben und Sterben elbgermanischer Siedler in der Altmark vom 2. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. Tredition, Hamburg 2019, ISBN 978-3-7482-5734-9, S. 16.