Kreuzprodukt

Verknüpfung von zwei Vektoren, deren Ergebnis wieder ein Vektor ist
(Weitergeleitet von Graßmannscher Entwicklungssatz)

Das Kreuzprodukt, auch Vektorprodukt, vektorielles Produkt oder äußeres Produkt, ist eine Verknüpfung im dreidimensionalen euklidischen Vektorraum, die zwei Vektoren wieder einen Vektor zuordnet. Um es von anderen Produkten, insbesondere vom Skalarprodukt, zu unterscheiden, wird es im deutsch- und englischsprachigen Raum mit einem Malkreuz als Multiplikationszeichen geschrieben (vgl. Abschnitt Schreibweisen). Die Bezeichnungen Kreuzprodukt und Vektorprodukt gehen auf den Physiker Josiah Willard Gibbs zurück, die Bezeichnung äußeres Produkt wurde von Hermann Graßmann geprägt.[1]

Kreuzprodukt

Das Kreuzprodukt der Vektoren und ist ein Vektor, der senkrecht auf der von den beiden Vektoren aufgespannten Ebene steht und mit ihnen ein Rechtssystem bildet. Die Länge dieses Vektors entspricht dem Flächeninhalt des Parallelogramms, das von den Vektoren und aufgespannt wird.

In der Physik tritt das Kreuzprodukt an vielen Stellen auf, zum Beispiel im Elektromagnetismus bei der Berechnung der Lorentzkraft oder des Poynting-Vektors. In der klassischen Mechanik wird es bei Drehgrößen wie dem Drehmoment und dem Drehimpuls oder bei Scheinkräften wie der Corioliskraft benutzt.

Geometrische Definition

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Rechte-Hand-Regel

Das Kreuzprodukt   von zwei Vektoren   und   im dreidimensionalen Anschauungsraum ist ein Vektor, der orthogonal zu   und  , und damit orthogonal zu der von   und   aufgespannten Ebene ist.

Dieser Vektor ist so orientiert, dass   und   in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem bilden. Mathematisch heißt das, dass die drei Vektoren   und   gleich orientiert sind wie die Vektoren  ,   und   der Standardbasis. Im physikalischen Raum bedeutet es, dass sie sich wie Daumen, Zeigefinger und abgespreizter Mittelfinger der rechten Hand verhalten (Rechte-Hand-Regel). Ein Drehen des ersten Vektors   in den zweiten Vektor   ergibt die positive Richtung des Vektors   über den Rechtsschraubensinn.

 
 
Abhängigkeit des Kreuzproduktes und dessen Betrag vom Winkel

Der Betrag von   gibt den Flächeninhalt des von   und   aufgespannten Parallelogramms an. Ausgedrückt durch die Längen   und   der Vektoren   und   sowie den von   und   eingeschlossenen Winkel   gilt

 ,

wobei   den Sinus des eingeschlossenen Winkels   bezeichnet.

Streng genommen lässt sich diese Formel nur für   anwenden, da ansonsten   nicht erklärt ist.

Zusammenfassend gilt also

 

wobei der Vektor   derjenige zu   und   senkrechte Einheitsvektor ist, der diese zu einem Rechtssystem ergänzt.

Schreibweisen

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Je nach Land sind für das Vektorprodukt zum Teil unterschiedliche Schreibweisen gebräuchlich. Im englisch- und deutschsprachigen Raum wird für das Vektorprodukt zweier Vektoren   und   für gewöhnlich die Schreibweise   verwendet, in Frankreich und Italien wird dagegen die Schreibweise   bevorzugt. In Russland wird das Vektorprodukt oft in der Schreibweise   oder   notiert.

Die Schreibweise   und die Bezeichnung äußeres Produkt werden nicht nur für das Vektorprodukt verwendet, sondern auch für die Verknüpfung, die zwei Vektoren einen sogenannten Bivektor zuordnet, siehe Graßmann-Algebra.

Komponentenweise Berechnung

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In einem rechtshändigen kartesischen Koordinatensystem bzw. im reellen Koordinatenraum   mit dem Standardskalarprodukt und der Standardorientierung gilt für das Kreuzprodukt:

 

Ein Zahlenbeispiel:

 

Eine Merkregel für diese Formel beruht auf einer symbolischen Darstellung über die Determinante. Dabei notiert man eine  -Matrix, in deren erster Spalte die Symbole  ,   und   für die Standardbasis stehen. Die zweite Spalte wird von den Komponenten des Vektors   und die dritte von denen des Vektors   gebildet. Diese Determinante berechnet man nach den üblichen Regeln, zum Beispiel indem man sie nach der ersten Spalte entwickelt

 

oder mit Hilfe der Regel von Sarrus:

 

Mit dem Levi-Civita-Symbol   schreibt sich das Kreuzprodukt als

 

Herleitung

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Führt man im euklidischen Raum ein rechtshändiges kartesisches Koordinatensystem mit den Basiseinheitsvektoren   ein, so erhält man direkt aus der geometrischen Definition und der Antikommutativität

 

Drückt man zwei Vektoren   mithilfe der Basiseinheitsvektoren aus, so liest sich deren Kreuzprodukt als

 

Unter Vorwegnahme der Bilinearität des Kreuzprodukts (siehe Eigenschaften) lässt sich die rechte Seite ausmultiplizieren:

 

Einsetzen der obigen Kreuzprodukte liefert

 

Durch Zusammenfassung gleicher Terme erhält man hieraus

 

Eigenschaften

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Bilinearität

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Das Kreuzprodukt ist bilinear,[2] das heißt, für alle reellen Zahlen  ,   und   und alle Vektoren  ,   und   gilt

 

Die Bilinearität impliziert insbesondere auch das folgende Verhalten hinsichtlich der Skalarmultiplikation

 
 

Alternierende Abbildung

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Das Kreuzprodukt eines Vektors mit sich selbst oder einem kollinearen Vektor ergibt den Nullvektor:

 .

Bilineare Abbildungen, für die diese Gleichung gilt, werden alternierend genannt.[2]

Antikommutativität

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Antikommutativität in einem Rechtssystem

Das Kreuzprodukt ist antikommutativ. Das heißt, bei Vertauschung der Argumente wechselt es das Vorzeichen:[2]

 

Dies folgt aus der Eigenschaft, (1) alternierend und (2) bilinear zu sein, da

 

für alle   gilt.

Jacobi-Identität

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Das Kreuzprodukt ist nicht assoziativ. Stattdessen gilt die Jacobi-Identität, das heißt die zyklische Summe wiederholter Kreuzprodukte verschwindet:

 

Aufgrund dieser Eigenschaft und den zuvor genannten bildet der   zusammen mit dem Kreuzprodukt eine Lie-Algebra.

Beziehung zur Determinante

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Für jeden Vektor   gilt

 .

Dabei bezeichnet der Malpunkt das Skalarprodukt. Durch diese Bedingung ist das Kreuzprodukt eindeutig bestimmt:[2]

Für jeden Vektor   gilt: Sind zwei Vektoren   und   gegeben, so gibt es genau einen Vektor  , so dass   für alle Vektoren   gilt. Dieser Vektor   ist  .

Graßmann-Identität

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Für das wiederholte Kreuzprodukt von drei Vektoren (auch doppeltes Vektorprodukt genannt[3]) gilt die Graßmann-Identität (auch Graßmannscher Entwicklungssatz, nach Hermann Graßmann). Diese lautet:

 

bzw.

 

wobei die Malpunkte das Skalarprodukt bezeichnen. In der Physik wird oft die Schreibweise

 

verwendet. Nach dieser Darstellung wird die Formel auch BAC-CAB-Formel genannt. In Indexschreibweise lautet die Graßmann-Identität

 .

Hierbei ist   das Levi-Civita-Symbol und   das Kronecker-Delta.

Lagrange-Identität

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Für das Skalarprodukt von zwei Kreuzprodukten gilt[2]

 

Dabei bezeichnet der Malpunkt das Skalarprodukt.

Für das Quadrat der Norm erhält man hieraus

 

also gilt für den Betrag des Kreuzproduktes:

 

Da  , der Winkel zwischen   und  , immer zwischen 0° und 180° liegt, ist   Daraus folgt die Abschätzung

 .

Kreuzprodukt aus zwei Kreuzprodukten

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Sonderfälle:

 
 
 

Kreuzproduktmatrix

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Das Kreuzprodukt definiert für einen festen Vektor   eine lineare Abbildung, die einen Vektor   auf den Vektor   abbildet. Diese kann mit einem schiefsymmetrischen Tensor zweiter Stufe identifiziert werden. Bei Verwendung der Standardbasis   entspricht die lineare Abbildung einer Matrixoperation. Die schiefsymmetrische Matrix

     mit     

leistet das Gleiche wie das Kreuzprodukt mit  , d. h.  :

 .

Die Matrix   heißt Kreuzproduktmatrix. Sie wird auch mit   bezeichnet. In Indexnotation gilt

 

mit

 .

Bei gegebener schiefsymmetrischer Matrix   gilt

 ,

wobei   die Transponierte von   ist, und man erhält den zugehörigen Vektor aus

 .

Hat   die Gestalt  , so gilt für die zugehörige Kreuzproduktmatrix:

  und   für alle  .

Hierbei bezeichnet „ “ das dyadische Produkt.

Polare und axiale Vektoren

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Bei der Anwendung des Kreuzprodukts auf vektorielle physikalische Größen spielt die Unterscheidung in polare oder Schubvektoren (das sind solche, die sich wie Differenzen zweier Ortsvektoren verhalten, zum Beispiel Geschwindigkeit, Beschleunigung, Kraft, elektrische Feldstärke) einerseits und axiale oder Drehvektoren, auch Pseudovektoren genannt, andererseits (das sind solche, die sich wie Drehachsen verhalten, zum Beispiel Winkelgeschwindigkeit, Drehmoment, Drehimpuls, magnetische Flussdichte) eine wichtige Rolle.

Polaren oder Schubvektoren ordnet man dabei die Signatur (oder Parität) +1 zu, axialen oder Drehvektoren die Signatur −1. Bei der vektoriellen Multiplikation zweier Vektoren schließlich multiplizieren sich diese Signaturen: zwei Vektoren mit gleicher Signatur liefern ein axiales, zwei mit verschiedener Signatur ein polares Vektorprodukt. Operationell ausgedrückt: Ein Vektor überträgt seine Signatur auf das Kreuzprodukt mit einem anderen Vektor, wenn dieser axial ist; ist der andere Vektor dagegen polar, bekommt das Kreuzprodukt die entgegengesetzte Signatur.

Vom Kreuzprodukt abgeleitete Operationen

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Spatprodukt

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Die Kombination von Kreuz- und Skalarprodukt in der Form

 

wird als Spatprodukt bezeichnet. Das Ergebnis ist eine Zahl, die dem orientierten Volumen des durch die drei Vektoren aufgespannten Spats (Parallelepipeds) entspricht. Das Spatprodukt lässt sich auch als Determinante der benannten drei Vektoren darstellen

 

Rotation

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In der Vektoranalysis wird das Kreuzprodukt zusammen mit dem Nabla-Operator   verwendet, um den Differentialoperator „Rotation“ zu bezeichnen. Ist   ein Vektorfeld im  , so ist

 

wieder ein Vektorfeld, die Rotation von  .

Formal wird dieses Vektorfeld also als Kreuzprodukt des Nabla-Operators und des Vektorfelds   berechnet. Die hierbei auftretenden Ausdrücke   sind jedoch keine Produkte, sondern Anwendungen des Differentialoperators   auf die Funktion  . Deshalb sind die oben angeführten Rechenregeln wie z. B. die Graßmann-Identität in diesem Fall nicht gültig. Stattdessen gelten für doppelte Kreuzprodukte mit dem Nabla-Operator besondere Rechenregeln.

Kreuzprodukt im n-dimensionalen Raum

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Das Kreuzprodukt lässt sich für beliebige Dimension   auf den n-dimensionalen Raum   verallgemeinern. Dabei ist das Kreuzprodukt im   kein Produkt von zwei Faktoren, sondern von   Faktoren.

Das Kreuzprodukt   der Vektoren   ist dadurch charakterisiert, dass für jeden Vektor   gilt

 

In Koordinaten lässt sich das Kreuzprodukt im   wie folgt berechnen. Es sei   der zugehörige  -te kanonische Einheitsvektor. Für   Vektoren

 

gilt

 

analog zu der oben erwähnten Berechnung mit Hilfe einer Determinante.

Der Vektor   ist orthogonal zu  . Die Orientierung ist so, dass die Vektoren   in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem bilden. Der Betrag von   ist gleich dem  -dimensionalen Volumen des von   aufgespannten Parallelotops.

Für   erhält man dabei kein Produkt, sondern nur eine lineare Abbildung

 ,

die Rotation um 90° im Uhrzeigersinn.

Hieran ist auch zu erkennen, dass die Komponentenvektoren des Kreuzprodukts inklusive des Ergebnisvektors in dieser Reihenfolge – anders als aus dem   gewohnt – im Allgemeinen kein Rechtssystem bilden; diese entstehen nur in reellen Vektorräumen mit ungeradem  , bei geraden   bildet der Ergebnisvektor mit den Komponentenvektoren ein Linkssystem. Dies liegt wiederum daran, dass die Basis   in Räumen geradzahliger Dimension nicht dasselbe ist wie die Basis  , die per Definition (siehe oben) ein Rechtssystem ist. Zwar würde eine kleine Veränderung der Definition dazu führen, dass die Vektoren in der erstgenannten Reihenfolge im   stets ein Rechtssystem bilden, nämlich wenn in der symbolischen Determinante die Spalte der Einheitsvektoren ganz nach rechts gesetzt würde, diese Definition hat sich allerdings nicht durchgesetzt.

Eine noch weitergehende Verallgemeinerung führt auf die Graßmann-Algebren. Anwendung finden diese Algebren etwa in Formulierungen der Differentialgeometrie, welche die rigorose Beschreibung der klassischen Mechanik (Symplektische Mannigfaltigkeiten), der Quantengeometrie sowie in allererster Linie der Allgemeinen Relativitätstheorie erlaubt. In der Literatur wird das Kreuzprodukt im höherdimensionalen und ggf. gekrümmten Raum meist indexweise mit Levi-Civita-Symbol ausgeschrieben.

Kreuzprodukt in komplexwertigen Vektorräumen

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Behandelt man Vektoren aus komplexen Vektorräumen, z. B. in  , muss das Kreuzprodukt entsprechend angepasst werden. Die konkrete Realisation hängt dabei von der gewählten Definition des komplexen Skalarprodukts ab. Wählt man das Standardskalarprodukt zweier Vektoren  , bei dem der erste Vektor als komplexe Konjugation eingeht:

 ,

dann wird das Kreuzprodukt wie im   berechnet und das Ergebnis anschließend komplex konjugiert:

 

Anwendungen

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Das Kreuzprodukt findet Anwendung in vielen Bereichen der Mathematik und Physik, unter anderem bei folgenden Themen:

Literatur

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Commons: Kreuzprodukt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kreuzprodukt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Max Päsler: Grundzüge der Vektor- und Tensorrechnung. Walter de Gruyter, 1977, ISBN 3-11-082794-8, S. 33.
  2. a b c d e Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis. 2. Band 2. korrigierte Auflage. Birkhäuser-Verlag, Basel u. a. 2006, ISBN 3-7643-7105-6 (Grundstudium Mathematik), S. 312–313
  3. Doppeltes Vektorprodukt (Vorlesungsskript Klassische und relativistische Mechanik, Othmar Marti, abgerufen am 2. Oktober 2020)