Gradientenverfahren

allgemeines Optimierungsverfahren
(Weitergeleitet von Gradientenabstieg)

Das Gradientenverfahren wird in der Numerik eingesetzt, um allgemeine Optimierungsprobleme zu lösen. Dabei schreitet man (am Beispiel eines Minimierungsproblems) von einem Startpunkt aus entlang einer Abstiegsrichtung, bis keine numerische Verbesserung mehr erzielt wird. Wählt man als Abstiegsrichtung den negativen Gradienten, also die Richtung des lokal steilsten Abstiegs, erhält man das Verfahren des steilsten Abstiegs, welches nicht zu verwechseln ist mit einem weiteren Verfahren in der Analysis und asymptotischen Analysis unter demselben Namen Methode des steilsten Abstiegs. Manchmal werden die Begriffe Gradientenverfahren und Verfahren des steilsten Abstiegs synonym verwendet.

Im Allgemeinen bezeichnet Gradientenverfahren eine Optimierungsmethode, bei der die Abstiegsrichtung durch Gradienteninformation gewonnen wird, also nicht notwendigerweise auf den negativen Gradienten beschränkt ist.[1]

Das Verfahren des steilsten Abstiegs konvergiert oftmals sehr langsam, da es sich dem stationären Punkt mit einem starken Zickzack-Kurs nähert. Andere Verfahren für die Berechnung der Abstiegsrichtung erreichen teils deutlich bessere Konvergenzgeschwindigkeiten, so bietet sich für die Lösung von symmetrisch positiv definiten linearen Gleichungssystemen beispielsweise das Verfahren der konjugierten Gradienten an. Der Gradientenabstieg ist mit dem Bergsteigeralgorithmus (hill climbing) verwandt.

Das Optimierungsproblem

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Das Gradientenverfahren ist einsetzbar, um eine reellwertige, differenzierbare Funktion   zu minimieren:

 

Hierbei handelt es sich um ein Problem der Optimierung ohne Nebenbedingungen, auch unrestringiertes Optimierungsproblem genannt.

Das Verfahren

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Das Gradientenverfahren generiert ausgehend von einem Startpunkt   eine Folge von Punkten   gemäß der Iterationsvorschrift

 

wobei   eine positive Schrittweite ist und   eine Abstiegsrichtung. Dabei werden sowohl   als auch   in jedem Iterationsschritt so bestimmt, dass die Folge   zu einem stationären Punkt von   konvergiert.

Bestimmen der Abstiegsrichtung

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Abstiegsrichtungen   haben einen Winkel größer als 90° mit dem Gradienten im Punkt  . Die strichlierte Gerade ist die Tangente an die Isolinie der zweidimensionalen Funktion, sie stellt den Grenzfall dar, bei dem der Winkel mit dem Gradient 90° beträgt. Die Abstiegsrichtung   zeigt in Richtung des negativen Gradienten, d. h. in Richtung des steilsten Abstiegs.

Eine Abstiegsrichtung im Punkt   ist ein Vektor  , der

 

erfüllt. Intuitiv bedeutet das, dass der Winkel zwischen   und   größer als 90° ist. Da der Gradient   in Richtung des steilsten Anstiegs zeigt, ist   eine Richtung entlang derer sich der Funktionswert verringert.

Viele Gradientenmethoden berechnen die Abstiegsrichtung anhand

 

wobei   eine positiv definite Matrix ist. In diesem Fall lautet die Bedingung für die Abstiegsrichtung

 

und ist dank der positiven Definitheit von   immer erfüllt.

Mit der Wahl der Matrix   erhält man folgende Algorithmen:

  •  , wobei   die Einheitsmatrix ist, ergibt das Verfahren des steilsten Abstiegs. Die Abstiegsrichtung ist in diesem Fall einfach der negative Gradient,  .
  •  , wobei   sodass   positiv definit ist, ist ein diagonal skalierter steilster Abstieg. Oft werden die   als Approximation der Inversen der 2. Ableitung gewählt, also  .
  •  , die Inverse Hesse-Matrix, ergibt das Newton-Verfahren für die Lösung nichtlinearer Minimierungsprobleme.
  • Da die Berechnung der Hesse-Matrix oft aufwändig ist, gibt es eine Klasse von Algorithmen, welche eine Approximation   verwenden. Solche Methoden werden als Quasi-Newton-Verfahren bezeichnet, es gibt verschiedene Arten wie die Approximation berechnet wird. Ein wichtiger Vertreter aus der Klasse der Quasi-Newton Methoden ist der BFGS Algorithmus.
  • Falls das Optimierungsproblem in der speziellen Form
 ,
also als Summe von Quadraten von Funktionen, gegeben ist, erhält man mit  , wobei   die Jacobi-Matrix von   im Punkt   ist, das Gauß-Newton-Verfahren.

Bestimmen der Schrittweite

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Die Bestimmung der Schrittweite   ist ein wichtiger Teil des Gradientenverfahren, der großen Einfluss auf die Konvergenz haben kann. Ausgehend vom Iterationsschritt   betrachtet man den Wert von   entlang der Linie  , also  . Man spricht in diesem Zusammenhang oft auch von Liniensuche. Die ideale Wahl wäre es, die Schrittweite als jenen Wert zu berechnen, der die Funktion   minimiert, also das eindimensionale Problem

 

zu lösen. Dies wird als exakte Liniensuche bezeichnet und wird in dieser Form in der Praxis selten angewandt, da selbst für einfache Optimierungsprobleme die exakte Bestimmung der Schrittweite sehr rechenaufwändig ist.

Als Alternative zur exakten Liniensuche lockert man die Erfordernisse und beschränkt sich darauf, dass der Funktionswert sich mit jedem Iterationsschritt „genügend“ verringert. Dies wird auch als inexakte Liniensuche bezeichnet. Die einfachste Möglichkeit besteht darin, die Schrittweite   ausgehend von einem Startwert (z. B.  ) so lange zu verringern, bis   erreicht ist. Diese Methode funktioniert in der Praxis oft zufriedenstellend, man kann jedoch zeigen, dass für manche pathologischen Funktionen diese Liniensuche zwar in jedem Schritt den Funktionswert verringert, die Folge   jedoch nicht zu einem stationären Punkt konvergiert.

Armijo-Bedingung

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Die Armijo-Bedingung formalisiert das Konzept „genügend“ in der geforderten Verringerung des Funktionswertes. Die Bedingung   wird modifiziert zu

 

mit  . Die Armijo-Bedingung umgeht die Konvergenzprobleme aus der vorigen einfachen Bedingung, indem sie fordert, dass die Verringerung zumindest proportional zur Schrittweite und zur Richtungsableitung   ist, mit Proportionalitätskonstante  . In der Praxis werden oft sehr kleine Werte verwendet, z. B.  .

Backtracking-Liniensuche

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Die Armijo-Bedingung gilt immer dann, wenn die Schrittweite genügend klein ist und kann damit zum Stillstand des Gradientenverfahrens führen – der Schritt ist so klein, dass kein nennenswerter Fortschritt mehr gemacht wird. Eine einfache Kombination aus wiederholter Verkleinerung der Schrittweite und der Armijo-Bedingung ist die Backtracking-Liniensuche. Sie stellt sicher, dass die Schrittweite klein genug ist, um die Armijo-Bedingung zu erfüllen, andererseits aber nicht zu klein. In Pseudocode:

Wähle Startwert für  , z. B.  , wähle Konstanten  
while  
   
end
Setze  

Die Backtracking-Liniensuche verringert die Schrittweite wiederholt um den Faktor  , bis die Armijo-Bedingung erfüllt ist. Sie terminiert garantiert nach einer endlichen Anzahl von Schritten und wird wegen ihrer Einfachheit oft in Praxis verwendet.

Konvergenz

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Im Allgemeinen konvergiert das Gradientenverfahren weder zu einem globalen noch zu einem lokalen Minimum. Garantiert werden kann nur die Konvergenz zu einem stationären Punkt, also einem Punkt  mit  . Schränkt man die Klasse der Zielfunktionen auf konvexe Funktionen ein, so sind stärkere Garantien möglich, siehe konvexe Optimierung.

Für den allgemeinen Fall kann weder über die Konvergenzgeschwindigkeit der Folge   noch über die Konvergenzgeschwindigkeit der Folge   eine Aussage getroffen werden. Ist   eine Lipschitz-Konstante von  , so kann man zeigen, dass die Norm der Gradienten   mit der Rate

 

gegen 0 konvergiert, wobei   eine positive Konstante ist.

Beispiel

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Die Rosenbrock-Funktion mit  

Die Rosenbrock-Funktion

 

wird häufig als Test für Optimierungsmethoden verwendet, da sie wegen des schmalen und flachen Tals, in welchem iterative Methoden nur kleine Schritte machen können, eine Herausforderung darstellt. Die Konstanten werden üblicherweise mit   gewählt, das globale Optimum liegt in diesem Fall bei   mit dem Funktionswert  .

Der Gradient sowie die Hesse-Matrix ergeben sich als

 

sowie

 .

Damit lassen sich die Algorithmen Verfahren des steilsten Abstiegs und Newton-Verfahren direkt implementieren. Um das Gauß-Newton-Verfahren anzuwenden, muss die Rosenbrock-Funktion zunächst in die Form „Summe von Quadraten von Funktionen“ gebracht werden. Dies ist auf der Seite zum Gauß-Newton-Verfahren im Detail erklärt.

 
Optimierung mit Verfahren des steilsten Abstiegs, Newton-Verfahren und Gauß-Newton-Verfahren

Für die Liniensuche kommt bei allen Verfahren ein Backtracking mit folgenden Parametern zum Einsatz: Startwert  ,  ,  . Als Startpunkt wird   gewählt.

Das Verfahren des steilsten Abstiegs findet auch nach 1000 Iterationen nicht zum globalen Optimum und steckt in dem flachen Tal fest, wo nur sehr kleine Schritte möglich sind. Im Gegensatz dazu finden sowohl das Newton-Verfahren als auch der Gauß-Newton-Algorithmus in wenigen Iterationen zum globalen Optimum.

Siehe auch

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Literatur

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  • Yurii Nesterov: Introductory Lectures on Convex Optimization: A Basic Course. Springer Science & Business Media, 2003, ISBN 1-4419-8853-X.
  • Dimitri P. Bertsekas: Nonlinear Programming. 2. Auflage. Athena Scientific, 1995, ISBN 1-886529-14-0.
  • Jorge Nocedal, Stephen Wright: Numerical Optimization. Springer Science & Business Media, 2000, ISBN 0-387-98793-2.
  • Andreas Meister: Numerik linearer Gleichungssysteme. 2. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2005, ISBN 3-528-13135-7.

Einzelnachweise

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  1. Dimitri P. Bertsekas: Nonlinear programming. 3. Auflage. Athena Scientific, 2016, ISBN 978-1-886529-05-2.