Gruppe Russitsch
Die Gruppe Russitsch (russisch Группа Русич) ist eine russische paramilitärische Organisation, die am Bürgerkrieg in Syrien, dem Krieg im Donbas und dem Russischen Überfall auf die Ukraine beteiligt war.[1]
Geschichte
Bearbeiten2014 versammelte Alexei Miltschakow in Sankt Petersburg Kämpfer für den Krieg im Donbas und gründete das Kontingent mit dem offiziellen Namen Ablenkungs-Guerilla-Aufklärungsgruppe „Russitsch“ (ДШРГ Русич/DSchRG Russitsch). Mittlerweile führt er die paramilitärische Organisation zusammen mit Jan Petrowski, sie kennen sich seit 2011.[1][2] Zuvor wurden sie in einem Trainingslager der Russischen Reichsbewegung ausgebildet.[3] Die Gruppe Russitsch ist ein Teil des Söldner-Netzwerkes um Jewgeni Prigoschin.[4]
Die Gruppe Russitsch war zunächst eine Untereinheit des Batman Bataillons in der Oblast Luhansk und wurde später neu organisiert. Anfang 2015 wurden Miltschakow und Petrowski auf die Sanktionsliste der EU, des Vereinigten Königreichs und Kanadas gesetzt. Im März 2015 reisten NPD-Angehörige zum Russischen Konservativen Forum in Sankt Petersburg. Miltschakow und Petrowski machten dort vor dem Moskauer Triumphtor zusammen mit Karl Richter und Jens Pühse ein Foto. Die Gruppe Russitsch war an der Schlacht um den Flughafen Donezk, dem Kampf um Debalzewe, der Schlacht um Ilowajsk und einem Angriff auf das Bataillon Ajdar im Rajon Slowjanoserbsk beteiligt. Miltschakow landete dafür auf der von der ukrainischen Regierung veröffentlichten Liste der meistgesuchten Kriegsverbrecher im Donbas. Während ihres Einsatzes im Donbas tötete die Gruppe Russitsch dutzende Freiwillige auf ukrainischer Seite. Sie teilten Fotos in den sozialen Medien, auf denen sie deren Leichen verstümmelten oder anzündeten. Die ukrainische Menschenrechtsgruppe Charkiw und die US-amerikanische Denkfabrik New America werfen der Gruppe Russitsch Foltermethoden und Kriegsverbrechen vor. Ihre Präsenz in sozialen Netzwerken half der Gruppe Russitsch, einen Ruf für außergewöhnliche Brutalität zu erlangen. WDW-Veteranen sollen als Auftragnehmer für die Gruppe Russitsch gearbeitet und mit ihnen zusammen im Donbas gekämpft haben.[1][2][3][5][6][7][8][9]
Im Spätsommer 2015 ist die Gruppe Russitsch aus dem Donbas abgezogen. Petrowski zog nach Norwegen und engagierte sich bei den Soldiers of Odin. Im Oktober 2016 wurde er festgenommen und nach Russland abgeschoben, weil er laut den norwegischen Behörden eine Bedrohung für die staatliche Sicherheit war. Miltschakow war in Russland und Belarus weiter aktiv und stand im Fokus des Staatsschutzes UKZS, der als Teil des FSB in Russland gegen Extremisten und Oppositionelle vorgeht. UKZS-Kräfte nahmen Organisatoren von Trainingslagern fest, bei denen Miltschakow Jugendliche ausgebildet hatte.[1][6][7][10][11]
Mutmaßliche Unterstützer hatten sich an verschiedenen Orten mit dem Abzeichen der Gruppe Russitsch, unter anderem vor dem Brandenburger Tor und der Siegessäule fotografiert.[1]
In Syrien hatte die Gruppe Russitsch zusammen mit Wagner-Söldnern unter anderem bei Palmyra gegen den IS gekämpft und staatseigene und russisch finanzierte Öl- bzw. Gasinfrastrukturen beschützt.[1][2]
Im April 2019 nahm die Gruppe Russitsch an Übungen für Fallschirmsprünge in Pskow, dem Standort der 76. Garde-Luftsturm-Division, teil. Seit 2020 trainiert die Gruppe Russitsch regelmäßig auf dem Gelände des Katastrophenschutzministeriums in Sankt Petersburg. Laut New America wird die Gruppe Russitsch stillschweigend vom Kreml unterstützt.[2] Laut dem Bundesnachrichtendienst ist das Russitsch-Mitglied Alexander M. ein Kriegsberichterstatter für Perwy kanal.[12]
Im Mai 2022 wurde ein Bericht des Bundesnachrichtendienstes von der Kriegsbeteiligung der Gruppe Russitsch in der Ukraine auf russischer Seite veröffentlicht. Es gab einen Aufruf der Söldner im Telegram-Kanal, ihnen aus dem Baltikum Informationen zu Truppenbewegungen, Depots und Grenzposten zu liefern.[1] Außerdem rief die Gruppe Russitsch in einer ins Englische, Deutsche und Polnische übersetzten Botschaft prorussische Partisanen in Europa dazu auf, die Lieferungen und Personaltransfers der NATO zu blockieren.[13] Im April 2023 veröffentlichte die Gruppe Russitsch auf ihrem Telegram-Kanal ein Standbild eines Videos, in dem angeblich ein ukrainischer Kriegsgefangener enthauptet wurde und kommentiere es mit den Worten: „Ihr werdet überrascht sein, wie viele davon noch allmählich auftauchen werden.“[14]
Nachdem der Mitgründer Jan Petrowski in Finnland auf Ersuchen ukrainischer Behörden festgenommen war, stellte Russitsch der russischen Regierung am 25. August 2023 ein Ultimatum. Sollte es Russland nicht gelingen Petrowski freizubekommen, würde Russitsch, das zu diesem Zeitpunkt im Raum um Robotyne operierte, das Kämpfen für Russland einstellen.[15] Im Dezember 2023 gaben die finnischen Behörden bekannt, dass sie Petrowski nicht an die Ukraine ausliefern würden.[16]
Im Februar 2024 weigerte sich die Gruppe Rusitsch der Aufforderung russischer Behörden nachzukommen, einen Telegram-Post zu löschen, in welchem zur Ermordung von ukrainischen Kriegsgefangenen aufgerufen wird.[17]
Die Gruppe Russitsch besteht schätzungsweise aus ein paar Hundert Mitgliedern.[13]
Finanzierung
BearbeitenDie Gruppe Russitsch verbreitet Schadprogramme, mit denen sie ihre Cyberwallets finanziert, um sich Ausrüstung und Versorgung zu kaufen. Seit September 2022 sind fünf der Wallets auf einer US-amerikanischen Sanktionsliste. Eine der Wallet-Adressen tauchte auch auf der Webseite einer ukrainischen Spenden-Stiftung auf. Zwischen Juli und Oktober 2022 hat die Gruppe Russitsch Geld von drei separaten Drogenbörsen erhalten.[18] Seit Kriegsbeginn im Februar bis September 2022 hat die Gruppe Russitsch mehr als 144.000 US-Dollar gesammelt.[6]
In einem Interview mit Meduza sagte Miltschakow:
„Die Finanzabteilung führt Operationen in den Bereichen Krypto, Edelsteine, Cash-Transaktionen und Geldwäscherei (nur ausserhalb Russlands, wir halten uns an die Gesetze unseres Landes) durch. Dazu gehören auch Geschäfts-Trips zu internationalen Schwarzmarkthändlern, die uns als Sponsoren unterstützen möchten (Mexiko, Hongkong, Somalia etc.). Unser Projekt erhält, unserer Meinung nach große Unterstützung von Gangs und Kartellen, die mit der globalen Hegemonie der USA unzufrieden sind.“[18]
Im September 2022 schlug Miltschakow auf dem Telegram-Kanal der Gruppe Russitsch russischen Soldaten vor, Angehörige ukrainischer Kriegsgefangenen zu erpressen. Der Beitrag wurde von Telegram gelöscht, weil er „Aufrufe zur Gewalt“ beinhaltete.[13][18]
Ideologie
BearbeitenDas Wort Russitsch bedeutet „Rus-Person“.[19] Der Name der Gruppe Russitsch hat eine Mehrdeutigkeit. Er ist eine Anspielung auf die mythische mittelalterliche Festung, oder „Sitsch“ der „Rus“, der vorimperialen Konföderation nordischer Völker, die ursprünglich aus Schweden stammten und das Gebiet zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer besiedelten.[2]
Die Gruppe Russitsch hat enge Verbindungen zu Weißen Vorherrschaftsgruppen in Sankt Petersburg.[6] Internationale Medien bezeichnen die Mitglieder der Gruppe Russitsch als Neonazis.[3][7][8][9][12][20][21][22][23][24][25][26]
Auf Instagram haben einige Mitglieder der Gruppe Russitsch mit dem Hitlergruß posiert.[3]
Auf einem der Abzeichen der Gruppe Russitsch ist das Kolowrat, eine slawische Version der Schwarzen Sonne, und die schwarz-gold-weißen Farben des russischen Reichs, abgebildet.[7][13] Bei einem Angriff der Gruppe Russitsch auf das Bataillon Ajdar im September 2014 wurde einem verwundeten ukrainischen Soldaten das Kolowrat in die Wange geritzt.[27] Ein weiteres Abzeichen stellt den Valknut dar.[13]
In einem Interview beim der Volksrepublik Donezk unterstellten Fernsehsender Noworossija TV sagte Petrowski:
„„Russitsch“ ist eine panslawische, panskandinavische Gruppe. Wir nennen uns russische Nationalisten, aber tatsächlich stellt sich heraus, dass wir slawische Nationalisten, slawische Patrioten sind.“[27]
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c d e f g Lars Wienand: Kriegsverbrecher und Hitler-Fans – Die brutale Söldnertruppe, die sich gegen Putin stellt. In: t-online.de. 4. Januar 2023, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ a b c d e Candace Rondeaux, Ben Dalton, Jonathan Deer: Wagner Group Contingent Rusich on the Move Again. In: newamerica.org. 26. Januar 2022, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ a b c d Nicholas Potter: Russische Rechtsextreme im Ukraine-Krieg – NEONAZIS FÜR NOWOROSSIJA. In: www.belltower.news. 4. August 2022, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ Jannis Gogolin: Russlands Kriegsziele: Neonazi-Söldner sorgt für Entsetzen – „Tote Menschen zeugen keine Kinder“. In: merkur.de. 25. Januar 2023, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ Violent Crimes Committed During the Armed Conflict in Eastern Ukraine between 2014–2018. In: library.khpg.org. Abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ a b c d Candace Rondeaux: Inquiry into the Murder of Hamdi Bouta and Wagner Group Operations at the Al-Shaer Gas Plant, Homs, Syria 2017. In: newamerica.org. 8. Juni 2020, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ a b c d Kacper Rękawek: Foreign Fighters in Ukraine – The Brown–Red Cocktail. Taylor & Francis, 2022, ISBN 978-1-00-083041-5, Kapitel 1: Introduction – The Western European Foreign Fighter Secret Society.
- ↑ a b Candace Rondeaux, Daniel Rothenberg, David Sterman, Peter Bergen: Understanding the New Proxy Wars – Battlegrounds and Strategies Reshaping the Greater Middle East. Oxford University Press, 2022, ISBN 978-0-19-768874-8, Kapitel 8: Decoding the Wagner Group.
- ↑ a b Dmitry Kozhurin: Who Are The Neo-Nazis Fighting For Russia In Ukraine? In: rferl.org. 27. Mai 2022, abgerufen am 4. August 2023.
- ↑ Christine Svendsen: Kriget i Ukraina: Nå vil Norge utvise denne mannen. In: nrk.no. 7. Oktober 2016, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ Lukas Andriukaitis: Zeichen der Neonazi-Ideologie unter russischen Söldnern. In: InformNapalm. 28. März 2021, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ a b Russian Neo-Nazis Participate in ‘Denazifying’ Ukraine – Der Spiegel. In: themoscowtimes.com. 4. Mai 2023, abgerufen am 4. August 2023.
- ↑ a b c d e Nicholas Potter: Neonazi-Söldner Rusich – MIT CROWDFUNDING GEGEN KIEW. In: belltower.news. 10. Januar 2023, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ Niamh Cavanagh, James Rushton: Zelensky condemns video allegedly showing Ukrainian soldier's beheading. In: news.yahoo.com. 12. April 2023, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ Andrew Stanton, Russian Neo-Nazi Paramilitary Group Issues Putin an Ultimatum: ISW, Newsweek vom 28. August 2023.
- ↑ Finland Refuses Kyiv Request To Extradite Russian Ultranationalist Detained In Helsinki. In: rferl.org. 8. Dezember 2023, abgerufen am 19. Mai 2024.
- ↑ Russian Neo-Nazi Unit Defying Putin's Orders To Cover Up 'War Crimes'. In: newsweek.com. 27. Februar 2024, abgerufen am 19. Mai 2024.
- ↑ a b c Carl-Philipp Frank: «Nur die Spitze des Eisbergs»: Wie russische Neonazis Kryptogeld von Spendenseiten stehlen. In: watson.ch. 18. November 2022, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ Rusich. In: GlobalSecurity.org. Abgerufen am 4. Juni 2024.
- ↑ Mark Townsend: Neo-Nazi Russian militia appeals for intelligence on Nato member states. In: theguardian.com. 11. Dezember 2022, abgerufen am 4. August 2023.
- ↑ What You Need to Know About the Wagner Group’s Role in Russia’s War Against Ukraine. In: ajc.org. 21. Februar 2023, abgerufen am 4. August 2023.
- ↑ Aleksandar Đokić: When Russia calls others 'Nazis', it should be taking a hard look at itself. In: euronews.com. 13. April 2023, abgerufen am 4. August 2023.
- ↑ Joshua Zitser: Russian neo-Nazi militia fighting in Ukraine advocates the murder and torture of POWs: report. In: businessinsider.com. 2. Oktober 2022, abgerufen am 4. August 2023.
- ↑ Alexei Remizov: What denazification? How Governor Beglov helps Neo-Nazis teach Russian children to kill. In: theins.ru. 2. Mai 2023, abgerufen am 4. August 2023.
- ↑ US blacklists Russian neo-Nazi fighters, children's rights head. In: france24.com. 15. September 2022, abgerufen am 4. August 2023.
- ↑ Are neo-Nazi Russian groups planning attacks on NATO countries? - report. In: jpost.com. 12. Dezember 2022, abgerufen am 4. August 2023.
- ↑ a b Руни, православ'я та георгіївські стрічки. Що відомо про неонацистів у російській армії. In: BBC. 5. Juni 2022, abgerufen am 3. August 2023.