Sprengwerk
Ein Sprengwerk ist ursprünglich ein Tragwerk im Holzbau, bei dem die auf dem Träger (Balken) lastende Kraft in der Art eines Bockes durch schräge Streben unter dem Träger aufgenommen („auf das Auflager abgesprengt“) wird. Die Last auf dem Tragwerk wird dadurch in vertikale und horizontale Kräfte aufgeteilt, die von den Widerlagern und den Fundamenten der Streben aufgenommen werden müssen. Wird nur ein Punkt von den Streben unterstützt, spricht man von einem einfachen Sprengwerk, werden mehrere Punkte unterstützt, handelt es sich um ein zwei- oder mehrfaches Sprengwerk.[2] Die Tragfähigkeit des Balkens wird durch die schrägen Stützen fast in der gleichen Größe erhöht, wie das einfache senkrechte Stützen leisten könnten, die an denselben Punkten ansetzen.[1]
Sprengwerk im Brückenbau
BearbeitenIm Brückenbau besteht der Vorteil dieser Konstruktionsweise darin, dass der Querschnitt eines Flusses nicht so sehr eingeengt wird wie durch senkrechte Stützen. Außer bei Holzbrücken wird diese Tragwerksform heute im Stahl- und im Stahlbetonbrückenbau angewendet. Die größte Sprengwerkbrücke ist das Viadotto Sfalassà auf der Autostrada A2 in Kalabrien.
-
Einfaches Sprengwerk
A-förmig -
Zweifaches Sprengwerk
-
Kein Sprengwerk, doppel-π-förmiger Starrrahmen
Im Englischen werden Sprengwerkbrücken als batter-post rigid-frame bridge bezeichnet, was in der freien Rückübersetzung etwa Schrägpfahl-Starrrahmen-Brücke bedeutet. batter leitet sich in anderen Bedeutungen auch von beat (schlagen, trümmern, niederschmettern) ab, was dem im deutschen verwendeten Begriff etwas näher steht. Auch inclined-leg an Stelle von batter-post ist belegbar.[3]
Sind die Stützen mittig im gleichen Fundament verankert und streben v-förmig zur obenliegenden Fahrbahn, wird der Form nach (und abkürzend) von v-leg oder v-shaped rigid-frame bridge gesprochen. Das einfache Sprengwerk würde dem folgend ein A-leg oder A-shaped voranstellen. Anders als v- und A-, nutzen pi-förmige (π-shaped) Starrrahmen-Konstruktionen kein Sprengwerk.
Sprengwerk als Lehrgerüst
BearbeitenSprengwerke sind in der Baugeschichte für vielfältige, weitgespannte Baukonstruktionen eingesetzt werden. Weniger bekannt sind die jeweils nach einem Bau wieder entfernten Lehrgerüste zum Bogen- und Gewölbebau. Als Auflager können vorkragende Kämpfersteine dienen.
-
Sprengwerk in einem Bogenlehrgerüst, nach François Blondel, 1698
-
Sprengwerk: Korbbogen Lehrgerüstschalung
Hängewerk
BearbeitenBeim Hängewerk hängt die Last an dem oberhalb angeordneten Tragwerk; wenn dies ein Sprengwerk ist, ergibt die Kombination beider Systeme ein Hänge- und Sprengwerk, das ebenfalls größere Spannweiten einer Fahrbahn oder einer Deckenbalkenlage ermöglicht.[4]
Hänge- und Sprengwerke bei Dachwerken
BearbeitenAuch bei Dachwerken gibt es Sprengwerke und Hängesprengwerke. Wie bei Brücken sollen damit größere Spannweiten erreicht werden, so dass sich z. B. bei Hallen, Sälen in Schlössern, Kirchen, Reithallen usw. keine störenden Stützen im Raum befinden.
-
Kehlbalkendach mit durchgehender Balkenlage, mit liegenden Stühlen und dreifachem Hängesprengwerk, 1770 (Stadtkirche Göppingen)
-
Kehlbalkendach ohne durchgehende Balkenlage, mit liegenden Stühlen und dreifachem Hängesprengwerk, ca. 1585 (Entwurf für das Neue Lusthaus, Stuttgart)
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 19. Februar 2024), S. 434 f.: Sprengwerk.
- Theodor Krauth, Franz Sales Meyer (Hrsg.): Das Zimmermannsbuch – Die Bau- und Kunstzimmerei mit besonderer Berücksichtigung der äußeren Form, Originalausgabe von 1895; Reprint: Verlag Th. Schäfer, Hannover 1981, ISBN 3-88746-004-9.
- Karl-Eugen Kurrer: Geschichte der Baustatik. Auf der Suche nach dem Gleichgewicht, Ernst und Sohn, Berlin 2016, ISBN 978-3-433-03134-6, S. 34 f.
- Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon, Band 4: Q bis Z. Leipzig 1884, S. 241: Sprengwerck; Sprengwerkbrücke (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 19. Februar 2024)
- Franz Stade: Die Holzkonstruktionen – Lehrbuch zum Selbstunterrichte, Originalausgabe von 1904, Reprint Primus Verlag, 2013, ISBN 3-8262-3053-1.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Sprengwerk. In: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 227–228.[1].
- ↑ Gerhard Mehlhorn (Hrsg.): Handbuch Brücken. 2. Auflage, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2010, ISBN 978-3-642-04422-9, S. 282, 283
- ↑ Bridge Basics. Archiviert vom am 9. Juli 2017; abgerufen am 28. September 2017 (englisch).
- ↑ a b c Hängewerk. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 773–774. [2].