Hans-Werner Schock

deutscher Ingenieur der Elektrotechnik und Ingenieurwissenschaftler

Hans-Werner Schock (* 10. Juli 1946 in Tuttlingen) ist ein deutscher Ingenieur der Elektrotechnik und Ingenieurwissenschaftler. Er wirkte drei Jahrzehnte am Institut für Physikalische Elektronik (IPE) der Universität Stuttgart (seit 2011 Institut für Photovoltaik) und war bis 2012 Direktor des Instituts für Technologie am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH sowie Professor an der Technischen Universität Berlin. Schock ist als Experte für Dünnschicht-Technologien und Dünnschicht-Solarzellen bekannt. Für sein Lebenswerk und seine Pionierarbeit im Bereich der Photovoltaik-Forschung erhielt er 2010 den Becquerel-Preis der Europäischen Kommission.

Hans-Werner Schock 2024

Leben und Wirken

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Ausbildung

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Hans-Werner Schock wuchs in seiner Heimatstadt Tuttlingen auf. Er besuchte das dortige Gymnasium (heute Immanuel-Kant-Gymnasium) und legte im Frühjahr 1966 das Abitur ab.[1] Nach seiner zweijährigen Bundeswehrzeit studierte er, einer frühen Neigung folgend, Elektrotechnik an der Universität Stuttgart und schloss das Studium 1974 als Diplomingenieur ab.[2]

1978 heiratete er Johanna, geborene Lang. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

Berufliche Laufbahn

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Ab 1974 konzentrierte sich Schocks Arbeit am IPE verstärkt auf die Verbesserung von Dünnschicht-Solarzellen, als diese Technologie noch in ihren Anfängen steckte.[2] Im Jahr 1982 wurde er wissenschaftlicher Leiter der Forschungsgruppe „Polykristalline Dünnschicht-Solarzellen“, eine Funktion, die er bis 2004 innehatte.[3] Parallel dazu war er beratend tätig am 1988 gegründeten Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Einer der Gründer dieser Forschungseinrichtung war der Direktor des IPE und Schocks späterer Doktorvater Werner H. Bloss (1930–1995), ein Pionier der Solarenergieforschung mit Schwerpunkten in der Photovoltaik, speziell auf dem Gebiet der Dünnschicht-Solarzellen.[2] 1986 wurde Schock zum Dr.-Ing. promoviert über das Thema „Analyse und Optimierung des Aufdampfvorgangs zur Herstellung halbleitender Dünnschichten aus II-VI-Verbindungen für Dünnschichtsolarzellen“.[4]

Schock leitete mehrere Forschungsprojekte am Institut und war seit 1984 Koordinator von EU-Projekten für die Entwicklung von Dünnschicht-Filmen, Dünnschicht-Solarzellen und Dünnschicht-Elektrolumineszenz.[5] In jahrzehntelanger Arbeit baute er ein europäisches Netzwerk an Fachleuten auf, das unter seiner Leitung die Forschung an Dünnschicht-Solarzellen vorantrieb und deutliche Fortschritte in deren Wirkungsgrad erzielte.[2]

Nach der Wende war Schock beteiligt an Projekten der Internationalen Vereinigung zur Förderung der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus den GUS-Staaten der früheren Sowjetunion (INTAS), die sich zum Ziel gesetzt hatte, wissenschaftliche Institute und Universitäten dieser Staaten mit der westlichen Forschungslandschaft zu verbinden.

Im Jahr 2000 arbeitete Schock als Research Scholar (Forschungs-Stipendiat) am Institute of Energy Conversion auf Einladung der University of Delaware, Newark, Delaware (USA).[3]

Im Oktober 2004 folgte Hans-Werner Schock einem Ruf nach Berlin und war bis 2012 Direktor des Instituts für Technologie am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH (bis 2009 Hahn-Meitner-Institut) und Bereichssprecher Solarenergieforschung. 2005 wurde er zum Honorarprofessor der Technischen Universität Berlin ernannt für seine Lehrtätigkeit im Bereich physikalische Elektronik, Energieumwandlung und Photovoltaik.[3]

Für Schock war es ein großes Anliegen, die Grundlagenforschung im Bereich Dünnschicht-Technologie mit der industriellen Umsetzung zu verbinden und Firmen als Kooperationspartner für Forschungseinrichtungen zu gewinnen.[6] Dazu gründete er 2008 zusammen mit Kollegen das Kompetenzzentrum Photovoltaik Berlin (PVcomB).[7]

Forschungsschwerpunkte

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Schocks Arbeitsschwerpunkte lagen von Beginn an im Bereich der Photovoltaik. Er konzentrierte sich rasch auf das Gebiet der polykristallinen Halbleiter, kombiniert aus den chemischen Elementen der II., III. und VI. Hauptgruppen. Sein besonderes Augenmerk lag dabei auf der Materialforschung und -analyse. Als Halbleitermaterialien dienten in den 1970er Jahren zunächst Verbindungen wie Kupfersulfid (Cu2S) und Cadmiumsulfid (CdS).[2]

Bereits in den 1980er Jahren fanden die ersten Pilot-Projekte zu Chalkopyrit basierten Solarzellen statt, die die Solarenergie effizienter und kostengünstiger machen sollten.[8] Solche Solarzellen bestehen beispielsweise aus Kupfer-Indium-Sulfid oder -Selenid.

Zusätzlich konzentrierte sich seine Forschung auf die vielversprechenden CIGS-Solarzellen mit Halbleitern aus einem Mischkristallsystem wie Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid/Disulfid, Cu(In,Ga)(Se,S)2, um ihnen den Weg zur Marktreife zu ebnen. Der Indium- bzw. Gallium-Zusatz erwies sich als Stabilitätsfaktor und verhalf mit zum Durchbruch. Vor allem durch die Verbesserung der Zusammensetzung und Struktur sowie der Beschichtungstechnik der nur wenige Mikrometer dünnen Halbleiterschichten konnten die Wirkungsgrade deutlich gesteuert werden. So wurde dieser Solarzellentyp durch sein geringes Gewicht und seine Flexibilität (beispielsweise geeignet für Solarfassaden, flache Dächer und große Freilandsolaranlagen) für industrielle Hersteller interessant. Auch in der Raumfahrt gewinnen diese Solarzellen immer mehr an Bedeutung, nicht zuletzt wegen der erhöhten Strahlungsbeständigkeit.[2]

In dieser Zeit entwickelte sich die interdisziplinär arbeitende Stuttgarter Forschungsgruppe am IPE zu einer der weltweit führenden Gruppen in dieser Technologie.[2]

Nach seinem Wechsel nach Berlin konzentrierten sich Schocks Forschungen am dortigen Helmholtz Zentrum (HZB) mit seiner Spitzenausstattung und optimalen Arbeitsbedingungen (Zugang zum BESSY Synchrotron) weiterhin auf die Untersuchung neuer Materialkombinationen mit häufig vorkommenden und umweltfreundlicheren Elementen wie Zinn und Zink, die preiswerter und besser recycelbar sind. Diese sogenannten CZTS-Zellen (Cu2(Zn,Sn)(Se,S)4) sind auch bekannt als Kësterit-Solarzellen. Die unter seiner Leitung am HZB weiterentwickelten Solarzellen, darunter auch CIS-Solarzellen, erzielten in ihrem Wirkungsgrad Spitzenwerte im internationalen Vergleich, nicht zuletzt auch dank der intensiven Kooperation mit Forschungseinrichtungen in Deutschland und Europa.[8]

Schock ist Erfinder oder Miterfinder von zehn Patenten (deutsche, europäische und US-Patente) zur Herstellung von Dünnschichtsolarzellen, ihrer Halbleiter, der Entwicklung von Verdampfern für Beschichtungsprozesse sowie Verfahren zur Bestimmung der stofflichen Zusammensetzung von optisch dünnen Schichten.[3][9]

Schock pflegte die internationale Zusammenarbeit, trieb europaweit die Entwicklung von Dünnschichtsolarzellen voran und war Mitorganisator von Photovoltaik-Konferenzen und Symposien der Materials Research Society und der European Materials Research Society sowie Vorsitzender der „International Conference on Ternary and Multinary Compounds (ICTMC)“ 1995 in Stuttgart und 2008 in Berlin.[3][10]

Über die Jahrzehnte folgte Hans-Werner Schock zahlreichen Einladungen zu Vorträgen auf internationalen Konferenzen weltweit sowie zu Kolloquien von Universitäten und Forschungsinstituten in Deutschland und Europa. Zudem war Schock Mitglied von Programm-Kommites der Europäischen Photovoltaik Solarenergie Konferenzen und anderer internationaler Photovoltaik-Konferenzen. Damit verbunden waren Gutachter-Tätigkeiten bei europäischen und nationalen Forschungsprogrammen.[3][5]

Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit in Stuttgart und seiner Professur in Berlin betreute Schock zahlreiche Doktoranden.[6]

Hans-Werner Schock ist Autor oder Mitautor von Büchern und von weit über 300 Fachbeiträgen in Zeitschriften, Büchern und Tagungsbänden. Google Scholar nennt für diese mehr als 27 000 Zitierungen. Zudem war er Mitherausgeber verschiedener Publikationen, beispielsweise der Fachzeitschrift „Progress in Photovoltaics Research and Application“.[8]

Im Juli 2012 trat Schock in den Ruhestand, pflegt aber weiter sein kollegiales Netzwerk und den wissenschaftlichen Austausch. Anfänglich betätigte er sich auch noch als unabhängiger Berater für Institute[11], beispielsweise crystalsol,[12] eine Ausgründung der Technischen Universität Tallinn (TUT) sowie als Gutachter für nationale Forschungsprogramme in Europa.

Ehrungen

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  • 1975: Preis der Freunde der Universität Stuttgart (verliehen für seine Diplomarbeit über die „Elektronenstrahlabtastung von lichtemittierenden Dioden und deren Basismaterialien“).[2][5]
  • 2010: Becquerel-Preis der Europäischen Kommission für seine Leistungen auf dem Gebiet der Photovoltaik und der Entwicklung der CIGS-Dünnschicht-Solarzellen, verliehen in Valencia, Spanien.[13][14]

Veröffentlichungen (Auswahl)

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Quellen:[9][16][17][18]

  • High Efficiency Polycrystalline Thin Film CuInSe2 and CuInS2 Based Solar Cells. In: Optoelectronics – Devices and technology. Band 9, 1994, S. 511ff.
  • Dünnschichtsolarzellen aus Kupfer-Indium-Diselenid. In: Photovoltaik –Strom aus der Sonne. C. F. Müller Verlag GmbH, Heidelberg 1994, S. 36ff.
  • Preparation of Eu –doped and EuCl3 –doped CaS-based thin film electroluminescent devices. In: Acta polytechnica Scandinavica Applied Physics. 1990, S. 227ff.
  • mit Werner H. Bloss, Fritz Pfisterer: Polycrystalline II-VI-Related Thin Film Solar Cells. In: Advances in Solar Energy. Band 4. Plenum Publishing Corporation, New York 1988, S. 201ff.
  • mit Werner H. Bloss: Cu2S-CdS Thin Film Solar Cells. In: Nato Advanced Study Institutes Series B. Band 69. Plenum Press, New York 1981.

Literatur

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  • David Cahen, Rommel Noufi: Adventures in Cu‐chalcogenide solar cells. A special issue for the occasion of the 65th birthday of Prof. Dr.‐Ing. Hans‐Werner Schock. In: Progress in Photovoltaics: Research and Applications, Jahrgang 20, Band 5. Wiley VCH Online-Library, 2012, S. 505–507.
  • Hans-Werner Schock: High Efficiency Thin-Film Solar Cells In: Zeitschrift Green 2(4), Walter de Gruyter, Berlin 2012, S. 149–157.
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Einzelnachweise

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  1. Vor 50 Jahren das Abi bestanden Ehemalige Schüler treffen sich in Tuttlingen. In: schwäbische. 12. Juni 2016, abgerufen am 27. Januar 2025.
  2. a b c d e f g h Gerd Stadermann: Das Notwendige möglich machen Die solare Forschungswende in Deutschland. In: Springer Nature Link. Springer Verlag Wiesbaden, 2021, abgerufen am 27. Januar 2025.
  3. a b c d e f Visitenkarte Prof. Dr. Hans-Werner Schock. In: Helmholtz-Zentrum Berlin. Abgerufen am 27. Januar 2025.
  4. Analyse und Optimierung des Aufdampfvorgangs zur Herstellung halbleitender Dünnschichten aus II-VI-Verbindungen für Dünnschichtsolarzellen. In: DNB Katalog Hochschulschrift Universität Stuttgart Dissertation. 1986, abgerufen am 27. Januar 2025.
  5. a b c Hans-Werner Schock: Curriculum Vitae Persönliche Aufzeichnungen des Verfassers zu Berufslaufbahn, Aktivitäten, Ehrungen.
  6. a b David Cahen, Rommel Noufi: Adventures in Cu‐chalcogenide solar cells. A special issue for the occasion of the 65th birthday of Prof. Dr.‐Ing. Hans‐Werner Schock. In: Progress in Photovoltaics: Research and Applications, Jahrgang 20. Band 5. Wiley VCH Online-Library, 2012, S. 505–507.
  7. Saskia Feil, Torsten Knödler: centrotherm photovoltaics schließt Kooperationsvertrag im Bereich Dünnschicht mit der renommierten Berliner Forschungseinrichtung PVcomB. In: Helmholtz Zentrum Berlin. 15. April 2011, abgerufen am 27. Januar 2025.
  8. a b c Franziska Rott: Unermüdlich: Prof. Dr. Schock HZB-Forscher wird für seine erfolgreichen Forschungen mit Solar-Preis geehrt. In: Pressemitteilung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Adlershof (WISTA). 10. September 2010, abgerufen am 27. Januar 2025.
  9. a b Hans Werner Schock: List of Publications 1976–2014 persönliche Aufzeichnungen des Autors. 2015.
  10. History of ICTMC. In: ICTMC-19 19th International Conference on Ternary and Multinary Compounds. 21. September 2014, abgerufen am 27. Januar 2025.
  11. a b Prof. Dr. Hans-Werner Schock. In: European Environment Foundation. 2013, abgerufen am 28. Januar 2025.
  12. Pressemitteilung: Crystalsol, Specialist in Flexible Photovoltaic Film, Welcomes Prof. H. W. Schock and T. Schiøtz to Its Advisory Board. In: NEWSWIRE. 2. April 2013, abgerufen am 28. Januar 2025.
  13. European Becquerel Prize for Outstanding Merits in Photovoltaics Prof. Dr. Hans-Werner Schock. 2010, abgerufen am 28. Januar 2025.
  14. Becquerel-Prize for outstanding Merits in Photovoltaics Previous Becquerel Prize Winners. Becquerel Prize Committee, abgerufen am 28. Januar 2025.
  15. Ehren-Doktor für Prof. Hans-Werner Schock. In: Helmholtz Zentrum Berlin Nachrichten. 8. November 2013, abgerufen am 28. Januar 2025.
  16. Hans-Werner Schock. In: Google scholar. Abgerufen am 28. Januar 2025.
  17. Hans-Werner Schock. In: Research Gate. Abgerufen am 28. Januar 2025.
  18. Hans Werner Schock. In: Württembergische Landesbibliothek Katalog Plus Fernleihe. Abgerufen am 28. Januar 2025.