Hans Müller (Jurist, 1906)

deutscher Jurist; Richter beim Volksgerichtshof (geb. 1906 in Gießen)

Hans Müller (* 18. September 1906 in Gießen; † nach 1947) war ein deutscher Jurist. Er wechselte 1942 als Sachbearbeiter in die Parteikanzlei der NSDAP, wo er im Sommer 1943 persönlicher Referent des Leiters der Parteikanzlei der NSDAP, Martin Bormann, wurde. Gleichzeitig war er Richter beim Volksgerichtshof. Nach dem Krieg wurde er als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen vernommen.

Hans Müller (als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen)

Nach dem Schulbesuch studierte Müller Rechtswissenschaften. Seit seiner Referendarszeit 1929 war er Beamter im Justizdienst: Noch im selben Jahr wurde Müller Landgerichtsrat in Berlin. 1932 bestand er die bayerische Assessorprüfung und war in den folgenden Jahren war er im Justizdienst als Staatsanwalt, Amtsgerichtsrat, Senatspräsident und Oberlandesgerichtsrat beschäftigt.[1]

Nationalsozialismus

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Im November 1933 trat er in die SA ein, in der er zuletzt den Rang eines SA-Rottenführers innehatte. Während der NS-Zeit war Müller unter anderem am Kammergericht tätig. Mit Wirkung vom 1. Mai 1937 trat er in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 5.017.343) und war kurzzeitig stellvertretender Blockleiter.[1][2]

Ende Juli 1940 wurde Müller zum Reichskommissariat für die besetzten niederländischen Gebiete nach Den Haag versetzt, bis er im Frühling 1941 nach München zurückgerufen wurde, um in der Rechtsabteilung des NSDAP-Hauptquartiers zu arbeiten.[3]

Im August 1942 kam Müller in die Parteikanzlei der NSDAP, in der er zunächst Sachbearbeiter in der staatsrechtlichen Abteilung der Gruppe Justiz wurde, die zunächst Ministerialrat Herbert Klemm, dann Staatssekretär Gerhard Klopfer unterstand. Als im Sommer 1943 Reichsleiters Martin Bormann seinen bisherigen Referenten, Kurt-Walter Hanssen, mit Müller ersetzte, rückte dieser in die Stellung des Persönlichen Referenten und Büroleiters Bormanns auf, der als Leiter der Parteikanzlei und persönlicher „Sekretär“ Adolf Hitlers, in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs einer der mächtigsten Männer des NS-Staates war. Müller war neben Heinrich Heim, Henry Picker und Bormann einer der Autoren der Tischgespräche bzw. Monologe Hitlers; er schrieb einige Notizen von 1943 und 1944 nieder.[1][4][5]

Gleichzeitig war Müller hauptamtlicher Richter beim Volksgerichtshof (in der Funktion als Volksgerichtsrat).

Am 29. Dezember 1944 fand auf der Feldkommandostelle Hochwald ein Treffen für die Angehörigen des Führerhauptquartiers auf Einladung des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, statt. Zu diesem waren neben Müller hochrangige Militär wie Keitel, Burgdorf oder von Rundstedt anwesend, ebenso wie Bormann und Reichsleiter Dr. Dietrich.[6]

Aus dem eingeschlossenen Berlin wurde er im April 1945 nach Berchtesgaden ausgeflogen. Dort nahm er an dem Treffen mit Reichsmarschall Hermann Göring und dem Chef der Reichskanzlei, SS-Obergruppenführer Hans-Heinrich Lammers, teil, in dem es um die Frage der Nachfolge von Hitler ging, dabei las Göring Müller sein Telegramm vor. Müller erstatte kurz darauf in der Kanzlei Bericht, während Göring und Lammers durch das RSHA auf Befehl Hitlers festgesetzt wurden.[7]

Nachdem am 1. Mai 1945 Hitlers Tod bekannt gegeben wurde, beschloss Müller mit dem Leiter des Stenographischen Dienstes im Führerhauptquartier, Kurt Peschel, alle nach Berchtesgaden gebrachten stenographischen Unterlagen der militärischen Lagebesprechungen von September 1942 bis April 1945 zu vernichten. Die SS brachte die Unterlagen daraufhin zum Hintersee hinter dem Königsee, wo diese angezündet wurden.[8]

Nachkriegszeit

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Zum Ende des Zweiten Weltkriegs geriet Müller in München in britische Kriegsgefangenschaft. Zunächst leugnete er vor einem Gericht, Bormanns Referent gewesen zu sein, dem Gericht lag jedoch ein früheres Verhör von Müller vor, in dem er gestand, für Bormann gearbeitet zu haben. Da aber mehrere Zeugen zu seinen Gunsten aussagten, dass er ein unpolitischer Mensch gewesen sei, der seinen Gerechtigkeitssinn immer über die Politik gestellt habe, blieb auch er vor einer Gefängnisstrafe verschont.[9]

In Camp King in Oberursel gehörte er zu den hochrangigen Nationalsozialisten, an denen Robert Kempner seine Vernehmungen durchführte, deren Ergebnisse er später bei den Nürnberger Prozessen als stellvertretender Hauptankläger der Vereinigten Staaten nutzte (siehe auch Prozess gegen Herbert Klemm). Außerdem war er zwischenzeitlich im Zellengefängnis Nürnberg untergebracht.[1][10]

Nach seiner Entlassung wurde er entnazifiziert (Gruppe "Entlastete") und arbeitete weiter in der Justiz. Hans Müller war bis zu seinem Tod mit Helmut von Hummel, einem weiteren Referenten Bormanns, befreundet.[11] Wann Müller genau starb, ist unbekannt, da sich seine Spur nach 1947 verlor.

Archivalische Überlieferung

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Im Bundesarchiv (Standort Berlin-Lichterfelde) hat sich eine Personalakte des Reichsjustizministeriums über Müller erhalten (R 3001/194092). Zudem existiert dort im Bestand des ehemaligen Berlin Document Center eine Akte aus der NSDAP-Parteikorrespondenz zu ihm (R 9361-II/735340) und ein Vermerk Müllers über die angebliche Beteiligung des Generalfeldmarschalls Wilhelm Keitel an den Ereignissen des 20. Juli 1944, notiert am 25. Juli 1944 (NS 6/25).

Die von ihm gefällten Urteile am Volksgerichtshof und sein Schriftverkehr mit u. a. Rudolf Brandt sind in den Datenbanken Widerstand als Hochverrat bzw. Akten der Parteikanzlei der NSDAP des Wissenschaftsverlags De Gruyter enthalten.

Siehe auch

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Literatur

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  • Herbert Michaelis: Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte. Biographisches Register, 1979, S. 500.
  • Mikael Nilsson: Hitler Redux: The Incredible History of Hitler’s So-Called Table Talks. Routledge, 2020, ISBN 978-1-00-017329-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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Commons: Hans Müller (Jurist, 1906) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d Robert Kempner: Vernehmung des Zeugen Hans Müller. Abgerufen am 15. Januar 2024.
  2. Peter Longerich: Regest 22701. De Gruyter Oldenbourg, Berlin / Boston 2022.
  3. Mikael Nilsson: Hitler Redux. Taylor & Francis, 2020, ISBN 978-1-00-017329-1, S. 11 (englisch).
  4. Peter Longerich: Regesten: Akten der Parteikanzlei der NSDAP - Teil 2. DeGruyter Saur, S. 179.
  5. Mikael Nilsson: Hitler Redux: The Incredible History of Hitler’s So-Called Table Talks. Taylor & Francis, ISBN 978-1-00-017329-1, S. x (englisch).
  6. Matthias Uhl, Jean-Luc Leleu, Thomas Pruschwitz, Dieter Pohl, Martin Holler (Hrsg.): Die Organisation des Terrors - Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1943-1945. Piper ebooks, 2020, ISBN 978-3-492-99436-1, S. 46.
  7. Volker Koop: Martin Bormann – Hitlers Vollstrecker. Verlag Böhlau, S. 84 f.
  8. Detlef Peitz: An den Lippen Hitlers hängend. In: Frankfurter Rundschau. Abgerufen am 20. Juli 2023.
  9. Mikael Nilson: Hitler Redux. Taylor & Francis, ISBN 978-1-00-017329-1, S. xiii.
  10. Nuremberg - Transcript Viewer - Transcript for NMT 3: Justice Case. Abgerufen am 25. April 2024.
  11. Günther von Hummel: Politik – Therapie. Begreifen, was man schon weiß: Wie Politik therapeutisch zu denken wäre. BoD, Norderstedt o. J., S. 160–161.