Hauptkirche St. Nikolai (Hamburg-Harvestehude)

Hauptkirche in Hamburg-Harvestehude

Koordinaten: 53° 34′ 52″ N, 9° 59′ 26″ O

St. Nikolai in Hamburg-Harvestehude
Karte: Hamburg
marker
Neue Hauptkirche St. Nikolai
Lage in Hamburg

Die Hauptkirche St. Nikolai wurde 1962 in Hamburg-Harvestehude am Harvestehuder Weg nahe dem Klosterstern eingeweiht und löste als Hauptkirche die kriegszerstörte ehemalige Hauptkirche St. Nikolai im Stadtzentrum ab, die heute als Ruine und Mahnmal weiterbesteht. Das Gemeindegebiet der neuen Nikolaikirche wurde aus Teilen der Kirchengemeinden St. Johannis (Harvestehude), St. Johannis (Hamburg-Eppendorf), Matthäusgemeinde (Winterhude) und St. Andreas (Harvestehude) gebildet. Das alte Gemeindegebiet der zerstörten St.-Nikolai-Kirche wurde in die Zuständigkeit der Hauptkirchen St. Katharinen und St. Michaelis überführt.

Architektur und Baugeschichte

Bearbeiten

St. Nikolai wurde als Rundbau mit Glockenturm ausgeführt. Der Entwurf stammt von den Architekten Dieter und Gerhard Langmaack. Der Turm erreicht mit der rund 3 Meter hohen Wetterfahne eine Höhe von 89,4 Metern[1] und ist damit der siebthöchste Kirchturm in Hamburg nach den Türmen der fünf alten Hauptkirchen und der St.-Gertrud-Kirche auf der Uhlenhorst. Die gesamte Länge beträgt etwa 40,5 Meter und die Breite etwa 35 Meter.[2]

Der Bau gilt als einer der bedeutendsten in der Nachkriegszeit erstellten Sakralbauten Hamburgs. Die Architekten wählten für das asymmetrisch geschwungene Kirchenschiff einen kelchförmigen Grundriss. Dieser soll die Gemeinde vor dem Altar zusammenschließen, ohne die räumliche Grenze zum Altarbereich zu verwischen. So wird der von einer hellen strukturieren Holzdecke überwölbte Kirchenraum mit seinen über 500 Sitzplätzen[3] auf den schlichten Altar und das Altarbild ausgerichtet.

Am 27. Januar 2006 wurde die Kirche mit ihrer Ausstattung in die Denkmalschutzliste Hamburgs eingetragen.

Ausstattung

Bearbeiten
 
Coester-Fenster im Baptisterium

Da die neue Hauptkirche St. Nikolai als Nachfolgerin der zerstörten Nikolaikirche verstanden wird, nimmt die Ausstattung an vielen Stellen Bezug auf das heutige Mahnmal.

Das Altarbild, ein Mosaik mit dem Namen Ecce Homines („Seht, die Menschen“), das 1974 nach einem Entwurf Oskar Kokoschkas von dem italienischen Künstler Sergio Cicognani geschaffen wurde, ist ein Pendant zu dem gleichartigen Mosaik in schwarz-weißer Ausführung im Chorraum der alten Nikolaikirche.[4] Das Mosaik ist nicht in die Wand eingelassen, sondern hängt frei als Bild über dem Altarkreuz.

Dieses Kruzifix wurde wie auch drei Bronze-Reliefs an der Kanzel vom Bildhauer Fritz Fleer gestaltet. Ebenfalls von ihm ist die 1985 geschaffene Nikolaustür an der Westfassade, die drei Szenen der Nikolauslegende darstellt.

Der Eingang in die Kirche erfolgt durch das Baptisterium, einer Taufkapelle mit einem Taufaltar, in dem das sogenannte Coester-Fenster verschiedene Szenen aus der Johannesoffenbarung zeigt. Das Fenster wurde 1939 von Elisabeth Coester noch für die alte St.-Nikolai-Kirche fertiggestellt, aber aufgrund des Krieges dort nicht mehr eingebaut. Das Baptisterium der neuen Kirche wurde von den Architekten speziell für dieses Fenster gestaltet. In diesem Raum stammen auch die Steine des Taufaltars, der Torso einer Christusfigur und eine Statue des Erzbischofs Ansgar aus der Ruine der alten Nikolaikirche.

Hauptorgel

Bearbeiten
 
Peter-Orgel (1962–2018)

Auf der rechten Empore steht die Hauptorgel. Mit dem Bau einer neuen Kirche am Klosterstern wurde 1962 auch der Bau einer neuen großen Orgel in Auftrag gegeben. Die Planung übernahm Ernst Karl Rößler von der Hochschule für Musik Freiburg. Das Instrument wurde von dem Orgelbauer Orgelbaufirma Willi Peter (Köln) erbaut und 1966 fertig gestellt.

Auffallend ist der Orgelprospekt: Er greift das in Hamburg beliebte Motiv des Schiffsbugs bzw. von Schiffssegeln auf. Die äußere Gestaltung der Orgel geht auf eine Idee des Architekten Gerhard Langmaack zurück, der das Instrument wegen des hohen Gewichtes an einem Stahlgerüst an der Außenwand der Kirche befestigen ließ. Das Schleifladen-Instrument hatte 63 Register auf vier Manualwerken und Pedal.[5] Die Spieltrakturen und die Registertraktur waren elektrisch.

Das Instrument wurde in Gottesdiensten und Konzertveranstaltungen genutzt. Ab Ostern 2018 war die Orgel nicht mehr spielbereit.

In den Jahren 2019–2023 wurde die denkmalgeschützte Peter-Orgel durch Johannes Klais Orgelbau saniert und weiterentwickelt. Das Instrument wurde auf 101 Register erweitert und um Schlagwerkregister ergänzt (darunter Röhrenglocken, Celesta, Snare-Drum und Tamtam). Fünf Register sind als Antiphonal in einem separaten Gehäuse über dem Haupteingang untergebracht. Insgesamt hat die Orgel nun 7279 Pfeifen (1966: 5201 Pfeifen), von denen 282 aus Holz und der Rest aus einer Zinn-Legierung gefertigt sind. Sie wurde mit einer Setzeranlage ausgestattet und erhielt einen MIDI-Anschluss. Ein zweiter, fahrbarer Spieltisch im Kirchenraum bietet fünf Manuale.

Der größte Teil der Kosten von mehr als 3 Millionen Euro konnte durch Spenden finanziert werden sollten.[6] Am Ostersonntag, 9. April 2023, wurde die erneuerte Orgel eingeweiht.[7]

I Rückpositiv C–g3
Musiziergedeckt 08′
Spitzflöte 08′
Praestant 04′ n
Sextade 04′ n
Nasat 0223
Octave 02′
Nachthorn 02′
Terz 0135
Rohrgemsquinte 0113
Octave 01′
Cimbel V 023
Rohrkrummhorn 16′
Vox virginia 08′
Tremulant
II Hauptwerk C–g3
Principal 16′ n
Rohrpommer 16′
Principal 08′
Hornprincipal 08′ n
Harmonieflöte 08′ n
Gemshorn 08′
Trichtergedeckt 08′
Weitoctave 04′ n
Octave 04′
Rohrflöte 04′
Schwiegel 0223
Octave 02′
Blockpfeife 02′
Cornett V 08′ n
Großmixtur VIII–IX 113
Scharff V 01′
Trompete 16′ tn
Trompete 08′
III Schwellwerk C–g3
Gemshorn 16′
Bordun 16′ n
Bleioctave 08′
Rohrgedeckt 08′
Spitzgambe 08′
Schwebung 08′ n
Principal 04′
Octava Nazarda 04′
Spitzflöte 04′
Octave 02′
Doppelrohrflöte 02′
Sesquialtera III 0223
Span. Hintersatz III–IV 04′
Mixtur VI 0113
Un-Tredezime II 0811 tn
Fagott 16′ tn
Kopftrompete 08′
Horn 08′ n
Clarine 04′
Tremulant
IV Kronwerk C–g3
Gedecktflöte 8′ n
Koppelflöte 4′
Gemshorn 2′
Terzglockenton IV 113 tn
Cimbel II 14
Gemshornregal 8′
Helle Trompete 4′
Tremulant
Zimbelstern
V Zungenwerk C–g3
Klarinette 8′ n
Saxophon 8′ n
Celesta n
Chorwerk I C–a3
Geigenprincipal 8′ n
Concertflöte 8′ n
Dolce 8′ n
Aeoline 8′ n
Vox coelestis 8′ n
Flauto amabile 4′ n
Violine 4′ n
Trompete 8′ n
Vox humana 8′ n
Tremulant n
Aliquotwerk C–a3
Octav Reihe 8′ n
kl. Sekunde Reihe 7917 n
gr. Sekunde Reihe 719 n
kl. Terz Reihe 61419 n
gr. Terz Reihe 625 n
Quarte Reihe 6′ n
Quinte Reihe 513 n
Sexte Reihe 445 n
kl. Septime Reihe 447 n
gr. Septime Reihe 4415 n
Antiphonal C–a3
Principal 8′ n
Dolce 8′ n
Bordun 8′ n
Traversflöte 4′ n
Tuba 8′ n
Tremulant n
Pedal C–f1
Untersatz 32′ n
Flöte 16′ n
Prinzipal 16′
Subbass 16′
Quintbass 1023
Octavbass 08′ n
Rohrtraverse 08′
Octave 04′ n
Schweizerflöte 04′
Dulcian 02′
Rauschwerk IV 0513
Großterzian II 0315
Mixtur V–VI 02′
Posaune 16′
Dulcian 16′
Trompete 08′
Helle Trompete 04′
Röhrenglocken 16’
Celesta
Schlagwerke
Gong I n
Gong II n
Tam-Tam n
Snare Einzelschlag n
Snare Wirbel n
Große Trommel Einzelschlag n
Große Trommel Wirbel n
  • Koppeln: I/II, I/V, II/V, III/I, III/II, III/V, IV/I, IV/II, IV/III, IV/V, V/I, V/II, V/IV, CW/I, CW/II, CW/III, CW/IV, CW/V, CW/super, CW/CW sub, CW Äqual ab, ANT/I, ANT/II, ANT/III, ANT/IV, I/P, II/P, III/P, IV/P, V/P, CW/P, ANT/P

Anmerkung: Mit n bezeichnete Register wurden von Klais gebaut, mit tn bezeichnete Register sind teilweise neu.

Baptisterium

Bearbeiten

Die Orgel des Baptisteriums wurde 2019 von der Orgelbaufirma Klais (Bonn) erbaut. Das rein mechanische Instrument hat 11 Register auf zwei Manualwerken und Pedal. Der Prospekt wurde in Anlehnung an die Formensprache der Hauptorgel gestaltet und greift das Segelmotiv wieder auf.[8]

I Rückpositiv C–f3
01. Copula 08′
02. Flauten 04′
Quinte (vorab Nr. 3) 223
03. Sesquialter II 0223
Tremulant
II Hauptwerk C–f3
04. Principal 08′
05. Gamba 08′
06. Bordun 08′
07. Octav 04′
08. Quinte 113
09. Mixtur III 02′
Pedal C–f1
10. Subbass 16′
11. Gedacktbass 08′

Das fünfstimmige, pentatonisch aufgebaute Geläut[9] wurde im Jahre 1962 von Friedrich Wilhelm Schilling in Heidelberg gegossen. Benutzt wurde dabei das Material der Glocken aus der alten Nikolaikirche.[10]

Glocke Name Durchmesser Masse Schlagton
1 Friedensglocke 02.170 mm 7.354 kg g0
2 Apostelglocke ≈1.900 mm 4.751 kg a0
3 Vaterstadtglocke ≈1.590 mm 2.639 kg c1
4 Nikolausglocke ≈1.400 mm 1.945 kg d1
5 Ewigkeitsglocke ≈1.320 mm 1.590 kg e1

Fotografien

Bearbeiten

Siehe auch

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten
Commons: St. Nikolai (Hamburg-Harvestehude) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Höhe von St. Nikolai durch indirekte Höhenmessungen am 19. August 2009 durch J. Möhring bestimmt.
  2. Bestimmung der Gesamtlänge und -breite über Satellitenbild (August 2009); Abmessungen ohne Gemeindehaus.
  3. Gertrud Schiller: Hamburgs neue Kirchen 1951–1961. Hrsg.: Evangelisch-lutherische Kirche Hamburg. Hans Christians Verlag, Hamburg 1961, S. 80.
  4. Altarbild Ecce Homines, siehe auch: Mahnmal St. Nikolai: Ecce Homo. Oskar Kokoschka abgerufen am 7. Mai 2011
  5. Hamburg, Deutschland (Hamburg) – Hauptkirche Sankt Nikolai (Sankt Nikolaikirche am Klosterstern). In: Orgeldatatbase NL. Piet Bron, abgerufen am 3. April 2023.
  6. Die neue Orgel für St. Nikolai , abgerufen am 3. April 2023.
  7. Disposition auf der Website von Orgelbau Klais, abgerufen am 11. Mai 2023.
  8. Informationen zur Orgel des Baptisteriums auf der Website der Erbauerfirma
  9. Name, Masse und Schlagton lt. Tafel im Kircheneingang. 20. Januar 2012.
  10. Videoaufnahme der Glocken bei YouTube.de