Hedwig Tusar-Taxis

Ehefrau des tschechoslowakischen Ministerpräsidenten

Hedwig Tusar-Taxis (geb. Hedwig Welzel, auch Hedvika Tusarová oder Baronin Hedda Taxis-Tusar; * 23. April 1891 in Rapotín (Mähren); † unbekannt)[1] war zunächst Ehefrau von Vlastimil Tusar, zweiter Ministerpräsident der Tschechoslowakei.[2][3][4] Später wurde sie durch ihre Ehe mit Maria Emil Freiherr Taxis von Bordogna und Valnigra auch Baronin Hedda Taxis-Tusar genannt.[5][6]

Hedwig Tusar-Taxis, Foto von Becker und Maass um 1925

Hedwig Tusar-Taxis war die Tochter von Josef Welzel und dessen Frau Adelheid.[7] Über Kindheit und Jugend ist wenig bekannt.

1917 heiratete Hedwig Welzel Vlastimil Tusar. Diese Ehe ermöglichte ihr den Zugang zu gehobenen Gesellschaftsschichten, vor allem in Prag, Berlin und Wien.[8] Der tschechische Historiker Petr Zidek beschreibt sie als repräsentative Ehefrau und frivole Partyliebhaberin.[9] Hedvika Tusarová war gesellschaftlich sehr präsent. Im Botschaftsgebäude in Berlin ließ sie unter anderen den Stargeiger Váša Příhoda auftreten.[10] Im Hotel Adlon war sie Mitorganisatorin von Wohltätigkeitsveranstaltungen.[11] Die Ehe zwischen Hedwig und Vlastimil Tusar wurde jedoch vom Vatikan in Frage gestellt.[12] So behauptet der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri in einem Schreiben an Eugenio Pacelli in Berufung auf Clemente Micara, Tusar würde Hedda lediglich als seine Ehefrau ausgeben.

Vlastimil Tusar starb im März 1924 in den Armen seiner Frau.[13] Nach seinem Testament wurde Hedvika Tusarová Gesamterbin, den Töchtern aus Vlastimils erster Ehe mit Štěpánka Tusarová wurde lediglich ein gesetzlicher Pflichtteil zugesprochen, Hedvika erhielt als Stiefmutter sogar das Sorgerecht für die Töchter.[14]

Als Witwe pendelte Hedwig zwischen Wien, Berlin, Prag und ihrem 1924 gepachteten Schloss Hellerhof im niederösterreichischen Paudorf bei Krems.[15] Auf einer ihrer Reisen nach Wien am 11. Mai 1924 berichtete sie dem Biographen Franz Kafkas, Max Brod, wie unglücklich sie über den Tod Vlastimils wäre.[16] Doch im Juli 1924 – nur etwa 4 Monate nach Tusars Tod – heiratete sie Baron Emil Taxis von Bordogna.[17][18] Wenige Monate nach dieser Eheschließung kursierten erste Scheidungsgerüchte.[19] Baron Emil war ein Lebemann und finanziell bankrott.[20] Bevor es aber 1926 nach nur zwei Jahren Ehe tatsächlich zur Scheidung kam, sorgte ein zu Weihnachten 1925 auf Schloss Hellerhof verübter Mordversuch an Baron Emil Taxis durch Hedwigs Vater und Bruder international für Schlagzeilen, auch Hedwig selbst soll beim Anschlag involviert gewesen sein.[21][22][23][24][25][26] Hedwig geriet auch in das Kreuzfeuer der nationalsozialistischen Presse. Man warf ihr dort vor, sie habe sich von Tusar ein Millionenerbe – 18 Millionen tschechische Kronen – erschlichen und Drahtzieherin des Attentats an ihrem zweiten Gatten zu sein.[27] Es wurde ihr vorgeworfen, sie habe während eines gemeinsamen Ausfluges mit Alice Masaryková aus dem Schloss Konopiště Juwelen gestohlen, und sie sei eine Jüdin.[28] Hedwigs Vermögen war danach aufgebraucht. Sie lebte mittellos und gesellschaftlich sowie politisch zurückgezogen in Wien, bis September 1973 war sie in Wien-Alsergrund gemeldet.[29] Über ihre dritte Ehe mit dem Werbeunternehmer Robert Endlicher ist nichts Näheres bekannt. Ebenso unbekannt ist ihr Sterbedatum.

Literatur

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  • Peter Zidek: Po boku – Třiatřicet manželek našich premiérů (1918–2012), ISBN 978-80-242-3694-0
  • Udo Fischer: Hellerhof, Der weite Weg vom versunkenen Dietmannsdorf zum Zentrum der Pfarre Paudorf-Göttweig, 1992
  • Max Brod: Franz Kafka, eine Biographie, S. Fischer Verlag, 1954
  • Erhard Riedel: Zur Geschichte der Freiherren und Grafen Taxis-Bordogna-Valnigra und ihrer Obrist-Erbpostämter zu Bozen, Trient und an der Etsch, Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1955.
  • Christa Rothmeier: Die entzauberte Idylle – 160 Jahre Wien in der tschechischen Literatur, Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien (2004) ISBN 3-7001-3261-1. (Informationen über Hedwig Tusar-Taxis auf Seite 375 ff). Online
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Einzelnachweise

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  1. Hedvika, geb. Wenzel Tusarová. Eintrag in Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis von 1917 bis 1929, Biographie Nr. 271. Stand 23. Februar 2017.
  2. Tusar, Vlastimil. Eintrag auf der offiziellen Website des Österreichischen Parlaments. Abgerufen am 5. Jänner 2025.
  3. Vlastimil Tusar. Eintrag auf Encyklopedie dějin města Brna (de: Enzyklopädie zur Geschichte der Stadt Brünn). Tschechisch, Stand 22. April 2024.
  4. Hedvika Tusarová. Eintrag auf Encyklopedie dějin města Brna (de: Enzyklopädie zur Geschichte der Stadt Brünn). Tschechisch, Stand 30. August 2020.
  5. Wiener Gesellschaftstratsch. Baronin Hedda Taxis-Tusar - Gräfin Anny Zedtwitz - Gespräche bei Demel. In: Die Bühne, Heft 9/1925, S. 75 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/bue
  6. Emil Taxis Valnigra auf Ancestry. Abgerufen am 5. Januar 2025.
  7. Taufmatrik Rapotín für das Jahr 1891, 23. April
  8. Herr und Frau Tusar geben sich die Ehre... Empfangsabend beim tschecho-slowakischen Gesandten in Berlin. In: Neues Wiener Journal, 7. März 1922, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwj
  9. Peter Zidek: Po boku - Třiatřicet manželek našich premiérů (1918–2012), Seite 90, ISBN 978-80-242-3694-0
  10. Ein neuer Geiger. Artikel in Vorwärts (Deutschland), Mittwoch, 30. Mai 1923. Deutsche Digitale Bibliothek. Abgerufen am 6. Januar 2025.
  11. Ein Fest zugunsten notleidender Berliner Kinder. Artikel in Kölnische Zeitung, Montag, 10. Dezember 1923. Deutsche Digitale Bibliothek. Abgerufen am 6. Januar 2025.
  12. Gasparri, Pietro an Pacelli, Eugenio. Vatikan, 10. Januar 1921. Eintrag in Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis von 1917 bis 1929, Dokument-Nr. 9903. Stand 14.05.2013.
  13. Po masivním infarktu zemřel před 100 lety druhý československý premiér Tusar. (de: Tusar, der zweite tschechoslowakische Ministerpräsident, starb vor 100 Jahren nach einem schweren Herzinfarkt.) Artikel von Alan Hejma in Mladá fronta Dnes, 23. März 2024. Abgerufen am 6. Januar 2025.
  14. Peter Zidek: Po boku - Třiatřicet manželek našich premiérů (1918–2012), Seite 41, ISBN 978-80-242-3694-0.
  15. Udo Fischer: Hellerhof, Der weite Weg vom versunkenen Dietmannsdorf zum Zentrum der Pfarre Paudorf-Göttweig, Seite 78. (1992)
  16. Max Brod: Franz Kafka – eine Biographie. S. Fischer Verlag, 1954, Seite 253.
  17. Baron Emil Taxis – Frau Heda Tusar – Vermählte . In: Die Stunde, 23. Juli 1924, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/std
  18. Emil Taxis von Bordogna. Eintrag auf Wikitree. Abgerufen am 5. Jänner 2025.
  19. Kleine Nachrichten aus der Tschechoslovakei. Frau Tusar läßt sich scheiden. In: Neuigkeits-Welt-Blatt, 28. Dezember 1924, S. 9 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwb
  20. Baron Emil Taxis aus Wien verschwunden. In: Die Stunde, 11. September 1926, S. 10 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/std
  21. Mordversuch vor 99 Jahren. Blutige Weihnacht im Hellerhof Paudorf. Artikel der NÖN, 21. Dezember 2024.
  22. Wife Orders Ambush For Former Husband; Austrian Baron Is Set Upon, Knocked Down and Robbed. In: New York Times. 29. Dezember 1925, S. 10, abgerufen am 18. Januar 2025.
  23. Husband Trounced. Lured by wife to scene of attack. Artikel in The Daily Standard (Brisbane), 30. Dezember 1925, Seite 5, Australian cable service.
  24. Die Liebesrache der Frau Taxis-Tusar. In: Die Stunde, 29. Dezember 1925, S. 5 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/std
  25. Die zweite Ehe der Witwe des Gesandten Tusar. Mysteriöse Mißhandlung des zweiten Gatten. In: Neue Freie Presse, 29. Dezember 1925, S. 6 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  26. Tagesneuigkeiten. Die zweite Ehe der Witwe des Gesandten Tusar. Mysteriöse Mißhandlung des zweiten Gatten. In: Tages-Post, 31. Dezember 1925, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/tpt
  27. Aus Tschechoslowakiens Rumpelkammer. Artikel in der Deutschen Arbeiter-Presse, 20. Mai 1926. Online-Archive der ÖNB. Abgerufen am 15. Februar 2025.
  28. Masaryks politisches Vermächtnis. Artikel über Tomáš Garrigue Masaryk und Hedwig Tusar (Frau Tusar). Deutsche Arbeiter-Presse, 8. Mai 1926. Online-Archiv der ÖNB. Abgerufen am 15. Februar 2025.
  29. Historisches Meldeamt der Stadt Wien, Stand 2025.