Heilige Hallen (Tharandt)

Park in Deutschland

Als Heilige Hallen wird ein Teil des als Verschönerte Landschaft Tharandt im 18. und 19. Jahrhundert parkähnlich gestalteten Areals im Badetal der Forststadt Tharandt im heutigen Naturschutzgebiet Weißeritztalhänge auf den Gemarkungen Tharandt und Somsdorf im Tharandter Wald bezeichnet, dessen ursprüngliche Gestaltung heute nur noch teilweise im Forstbotanischen Garten der Technischen Universität Dresden in Tharandt erhalten ist.

Burgruine und Bergkirche in Tharandt
Stadtplan von Tharandt mit den Heiligen Hallen von 1812
Heilige Hallen im Tharandter Wald auf der Karte von Oberreit, 1820–21
Blick von den Cotta-Bänken über das Judeichdenkmal (heute im Forstbotanischen Garten) zur Bergkirche in Tharandt, 1920
Lindemann-Denkmal (1941) am Niederleiten- bzw. Neumeisterweg bei Tharandt, nach 1945 zerstört
Heilige Hallen am ehem. Standort von Gessners Büste in Tharandt
Sonnentempel am Oberleitenweg zwischen Tharandt und Somsdorf
Dem abwesenden Freunde gewidmeter Opferstock am Weißeritzgässchen in Tharandt
Beschriftung des Opferstockes an der Bergkirche Tharandt
Grotte aus der Zeit um 1900 im ehem. Kurpark des Sanatoriums Sanitas, heute Rathaus, in Tharandt

Geschichte

Bearbeiten

Auf Initiative des auf dem benachbarten Freigut Heilsberg ansässigen Dresdner Hof- und Justizrates Freiherr Gottfried Ferdinand von Lindemann (1744–1804) wurden 1796–97 die Heiligen Hallen als Tharandter Promenaden mit Wegen, Denksteinen, Aussichtspunkten und Schutzhütten zwischen dem Zeisiggrund bzw. Schloitzbachtal und dem Weißeritztal rund um die romantische Ruine der Burg Tharandt und das Badetal mit Hilfe von Sponsoren und Förderern, wie

als Landschaftspark im Sinne der Frühromantik und Empfindsamkeit erschlossen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Zentrum der Anlage befanden sich eine mehrfach erneuerte Büste des Schweizer Idyllendichters Salomon Gessner und das Lindemann-Denkmal sowie das 1805 nach Entwürfen von Gottlob Friedrich Thormeyer errichtete Stadtbad-Hotel an der Sreinwiese mit den vom Tharandter Amtschirurg Johann Gottfried Butter 1792 entdeckten Mineralquellen Sidonien- und Heinrichsquelle für Kuranwendungen. Am Anfang und Ende des von Artillerie-Sergeant Kühlemann aus Meißen 1799 kartierten Wegesystems war folgende Inschrift angebracht: „Spatzierwege durch öffentliche Wohlthaetigk. angelegt in den Jahren M.D.CCXCVII und M.D.CCXCVIII“.

Ernst Heinrich Graf von Hagen (1748–1817), Fabrik- und Rittergutsbesitzer aus Potschappel, setzte Lindemanns Werk mit der Übernahme des Tharandter Kurbades fort. Später wurde das Wegesystem auf Initiative von Gotthilf August von Maltitz (1794–1837), dramatischer Dichter und Schriftsteller sowie Student an der Forstlichen Hochschule Tharandt, mit Dianenstein und Zauns Ruhe bei der Stillen Liebe noch Richtung Edle Krone erweitert und zuletzt 1899 das Judeichdenkmal von Johannes Schilling an den Cotta-Bänken geschaffen (2011 in den Forstbotanischen Garten Tharandt umgesetzt) sowie um 1900 der z. T. noch erhaltene Kurpark hinter dem Sanatorium Sanitas (1884–1928, heute Rathaus) angelegt.

Nach dem Bau der Bahnstrecke Dresden–Werdau von 1855 bis 1862 durch das Tal und dem Niedergang der letzten Kurangebote in Tharandt, Anfang des 20. Jh., verfielen die Anlagen. Heute erinnern nur noch der älteste Teil des 1811 gegründeten Forstbotanischen Gartens Tharandt und die Aussichtspunkte Heinrichs Eck und Sonnentempel sowie zwei Opfersteine am Beginn des Weißeritzgässchen an der Pienner Straße und am Aufgang der Bergkirche Tharandt sowie Reste der Hangwege daran. Zudem wird das Kerngebiet weitestgehend vom Natur- und Heimatlehrpfad Tharandt umschlossen.

Bedeutung

Bearbeiten

Die „Verschönerte Landschaft Tharandt“ entsprach den neuen, von der Aufklärung durchdrungenen Vorstellungen von einer Landschaft, deren vorgefundene Natürlichkeit durch behutsame menschliche Eingriffe gesteigert wurde. Diese neue Auffassung von Natur war eine bewusste Abkehr von den höfischen Parkgestaltungen des Barock mit ihren geometrischen Linienführungen und künstlichen Anpflanzungen.

Tharandt nimmt gegenüber anderen „Verschönerten Landschaften“ der Romantik, wie zum Beispiel dem Gartenreich Dessau-Wörlitz (ab 1769, Fürst Friedrich Franz), dem Park an der Ilm, Weimar (ab 1776, Großherzog Karl August), dem Park von Schloss Machern (ab 1782, Reichsgraf von Lindenau), dem Landschaftspark in Köstritz (um 1785, Graf Heinrich XLIII. Reuß), Friedrichsgrund bei Pillnitz (1785, Kurfürst Friedrich August III.) und dem Seifersdorfer Tal (ab 1793, Christina Gräfin von Brühl) eine Sonderstellung ein. Diese Sonderstellung besteht in drei wesentlichen Merkmalen:

  • In Tharandt steht bereits eine mittelalterliche Ruine, während in andere Landschaftsparks, dem Zeitgeschmack entsprechend, künstliche Ruinen hineingebaut worden sind.
  • Zur „Verschönerten Landschaft“ gehörte der Ort Tharandt selbst, einschließlich seiner nahen Umgebung, während andere Parkgestaltungen außerhalb von Ortslagen angelegt wurden.
  • In Tharandt wurden erstmals der niedere Adel und das aufgeklärte Bürgertum, einschließlich der Bürger der Stadt, zu Schöpfern und Erhaltern einer „Verschönerten Landschaft“ und nicht – wie bisher – der Hochadel.
Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • anonym: Tharands Umgebungen. Eine Skizze für Naturfreunde; nebst einem Grundrisse und Prospecten. Meissen 1801. (Digitalisat)
  • Wilhelm-Gottlieb Becker (Hrsg.), Andreas Tauber, Friedrich Traugott Pursch, Ludwig-Heinrich Freiherr von Block: Der Plauische Grund bei Dresden, mit Hinsicht auf Naturgeschichte, Frauenholzische Kunsthandlung, Nürnberg 1799, S. 89 ff.
  • Béla Bélafi: „Von der Burg zur Badestadt“ Geschichte und Geschichten von Tharandt 1. Teil (bis 1800), Tharandter historische Hefte, Hrsg. Verschönerungsverein Tharandt, Heft 4, Tharandt 1998
  • Theodor Berchem u. a. (Hrsg.): Novalis und Johanna von Manteuffel, Literaturwissenschaftliches Jahrbuch, Band 38, Verlag Drucker & Humblot, Berlin 1997, Anhang, S. 57 ff.
  • Bernhard von Cotta: Tharand und seine Umgebungen. Arnold, Leipzig/Dresden 1834. (Digitalisat)
  • Louis Fritzsche: Tharand. Ein Führer durch seine Umgebungen, ein Abriss seiner Geschichte und eine Beschreibung seines gegenwärtigen Zustandes. Dresden 1866. (Digitalisat)
  • Friedrich Christian August Hasse: Dresden und die umliegende Gegend, Arnoldische Buchhandlung, Pirna 1801, S. 432 ff.
  • Wolfgang Heinitz: Tharandt. Auf Wegen durch Vergangenheit und Gegenwart. Tharandter Marginalien, Heft 2. Burgen- und Geschichtsverein, Tharandt 1996 und geänderte Auflage von Ulrich Frenzel, Schütze-Engler-Weber Verlags GbR, Dresden 2016, ISBN 978-3-936203-30-1.
  • Christian Heermann: Winnetou in Dresden: Auf Karl Mays Spuren in und um Dresden, Karl-May-Verlag, Bamberg - Radebeul, 1. Auflage, 2012, ISBN 978-3780230843.
  • Kirsten Krepelin und Thomas Thränert: Die gewidmete Landschaft – Spaziergänge und verschönerte Landschaften um Dresden, Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2011, S. 176–207.
  • Carl Lang: Beschreibung des Plauenschen Grundes, des Badeorts Tharant und seiner Umgebungen. Beger, Dresden 1812 (Digitalisat)
  • Wilhelm Adolf Lindau: Rundgemählde der Gegend von Dresden, Band 2, Arnoldische Buch- und Kunsthandlung, Dresden 1820, S. 158 ff. und 1822, S. 178 ff.
  • Rudolph Lindau und Johann Gottlieb Wiemann: Merkwürdigkeiten Dresdens und der Umgegend, Arnoldische Buchhandlung, Pirna 1835, S. 361 ff.
  • Gotthilf August von Maltitz: Humoristisch-satyrische Plänterhiebe in den Revieren unserer Forstzeit, Neu hrgg. v. Wilhelm Keßler, Verlag von J. Neumann, Neudamm 1911 und Reprint Vero Verlag, Norderstedt 2015
  • Rudolf Mielsch: Tharandt und der Tharandter Wald, Geschichtliche Wanderfahrten Nr. 43, Hrsg. Artur Brabant, Verlag C. Heichrich, Dresden-A. 1935.
  • Herman von Petersdorff: General Johann Adolph Freiherr von Thielmann, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1894, S. 7 ff.
  • H. Pretzsch: Tharandt´s Heilige Hallen, Tharandt, um 1850
  • Andreas Roloff, Ulrich Pietzarka: Der Forstbotanische Garten Tharandt. Forstbotanischer Garten Tharandt, TU Dresden. Atelier am Forstgarten, Tharandt 1996, ISBN 3-00-000572-2.
  • R. Roos: Tharands heilige Hallen, Allgemeine Literaturzeitung, Jgg. 1816, Bd. 2, Nr. 152., S. 421 ff.
  • Sachsens Kirchen-Galerie, Band 1, Teile 1–37, Verlag Hermann Schmidt, Dresden 1837, S. 46 ff.
  • Friedrich Schlenkert: Beschreibung von Tharand, Dresden 1797–1804, Tharandter historische Hefte, Hrsg. Verschönerungsverein Tharandt, Heft 1, Tharandt 1995
  • August Schumann: Vollständiges staats- post- und zeitungslexikon von Sachsen, Band 3, Verlag Gebrüder Schumann, Zwickau 1816, S. 755
  • Karl Spazier: Tharandt und sein Bad, Zeitung für die Elegante Welt, Ausgabe 51, 28. April 1804, S. 51 ff.
  • C. F. T. Voigt: Tarants schöne Natur, Dresden 1806 und Reprint mit Ergänzungen von Christoph Richter, Tharandt 2016
  • Tobias Voß: Gartendenkmalpflegerische Inwertsetzung der Burgruine Tharandt. Masterarbeit, TU Dresden, Fakultät für Architektur, Professur für Denkmalpflege und Entwerfen, Dresden 2017

Koordinaten: 50° 58′ 45,35″ N, 13° 34′ 44,13″ O