Heinrich-Heine-Denkmal (Europa-Kolleg Hamburg)

Bronzestandbild von Heinrich Heine im Europa-Kolleg, Hamburg

Das Heinrich-Heine-Denkmal im Europa-Kolleg in Hamburg Groß-Flottbek ist ein 80 cm hohes Bronzestandbild des Dichters (nach einem Bozzetto von Hugo Lederer), ein Geschenk des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg aus dem Jahr 1956. Es ist im Gebäude Windmühlenweg 27 auf der Galerie der Eingangshalle vor dem Sekretariat aufgestellt.

Heinrich-Heine-Denkmal im Europa-Kolleg Hamburg

Beschreibung

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Die Statue ist aus Bronze, patiniert, hohl, 80 cm hoch, mit ca. 5 cm dicker Terrainplinthe. Sie steht auf einer Holzplatte, an der vorne ein Metall-Schild angebracht ist mit der Inschrift:

1856... 1956 Der Ungeist der nationalsozialistischen Machthaber hat in den dreissiger Jahren die Stadt ihrer Heine-Denkmale beraubt. Einzig dieser plastische Entwurf des Bildhauers Hugo Lederer konnte vor dem Zugriff gerettet werden. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat ihn erworben, in Bronze giessen lassen und am 100.Todestag Heinrich Heines, des grossen Dichters und Vorkämpfers der Geistesfreiheit und der europäischen Verständigung, dem Europa-Kolleg zum Geschenk gemacht. Hamburg, den 17. Februar 1956

Auf der Oberseite der Plinthe hinten rechts ist die Bezeichnung HVGO LEDERER einpunziert; eine Gießermarke ist nicht zu sehen.

Entstehungsgeschichte

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Eine 53 cm hohe Gipsfigur, Hugo Lederers Entwurf zu dem 1933–1943 zerstörten Bronzestandbild von Heinrich Heine im Hamburger Stadtpark, befand sich 1945 in Privatbesitz, während Fotografien davon auf Glasplatten sich im Besitz des Denkmalschutzamtes Hamburg erhalten hatten.[1] Hans-Harder Biermann-Ratjen (FDP), Präses der Kulturbehörde der Stadt Hamburg, wollte zum 100. Todestag des Dichters am 17. Februar 1956 das zerstörte Denkmal rekonstruieren lassen und erkundigte sich deswegen im September 1955 bei Helmut Lederer, dem Sohn des Bildhauers, ob das damalige Gussmodell noch vorhanden sei. Das war diesem nicht bekannt, ebenso wenig wusste er von anderen erhaltenen Modellen von der Hand seines Vaters. Im Oktober/November kam aus dem Hamburger Denkmalschutzamt der Hinweis auf die o. g. Gipsfigur und ihren Besitzer, den Verlagsbuchhändler Leo Schorr in Hamburg. Dieser hatte sie vor dem Zweiten Weltkrieg bei einem Antiquitätenhändler erstanden.[2] Das Hamburger Abendblatt berichtete am 1. Dezember 1955 mit Foto.[3] Die Kulturbehörde kaufte die Figur Mitte Dezember 1955 für 600 DM an, um daraus das ursprüngliche Bronzestandbild wiedererstehen zu lassen. Der Bildhauer Hans Martin Ruwoldt begutachtete im Auftrag der Behörde die Statuette und hielt eine direkte Vergrößerung auf 1,40 m Höhe für durchaus möglich. Aber „er riet dringend davon ab, die Figur an Hand der Skizze nachbilden bzw. ausführen zu lassen. Das würde die originale, großzügige Handschrift Lederers in jedem Falle zerstören. Außerdem erscheint ihm die Vergrößerung auf diese Maße (1.40 m) nicht so wesentlich, als daß sie einen skizzenhaften Charakter nicht vertrüge.“ (Denkmalschutzamt Hamburg, Aktenvermerk von Regierungsdirektor Martin Peters, 13. Januar 1956)[4]

Auf der 18. Sitzung der Deputation der Kulturbehörde am 13. Januar 1956 wurde die Angelegenheit verhandelt und ein (städtisches) neues Heine-Denkmal abgelehnt. Daraufhin beschloss Senator Biermann-Ratjen, einen Bronzeguss nach der kleinen Gipsfigur im Europa-Kolleg aufzustellen.[5] Bürgermeister Kurt Sieveking (CDU) favorisierte einen Bronze-Abguss in gleicher oder doppelter Größe (ca. 80-90 cm Höhe), ebenfalls für das Europa-Kolleg. Den Abguss innerhalb des Rathauses aufzustellen (neben den Standbildern u. a. von Klopstock, Lessing, Brahms, Alfred Lichtwark, Heinrich Hertz und Felix Mendelssohn Bartholdy) wurde für unpassend erachtet.[6] Am 2. Februar 1956 meldete das Hamburger Abendblatt, der Senat (Kultursenator Biermann-Ratjen) wolle dem Europa-Kolleg „eine Bronzestatuette nach dem vor kurzem [am 1.Dezember 1955] vom Hamburger Abendblatt zuerst publizierten Entwurf zum Heine-Denkmal Lederers“ schenken. Bei der Bildgießerei Richard Barth in Berlin-Mariendorf wurden die mechanische Vergrößerung des Gips-Bozzettos auf 80-90 cm Höhe und davon ein Bronzeabguss in Auftrag gegeben, zum Gesamtpreis von 1370 DM laut Kostenvoranschlag vom 8. Februar 1956.[7]

Ende Mai 1956 war die kleine Statue fertig, gelangte aber erst zum Jahresende in das Europa-Kolleg[8] und wurde dort am 15. Februar 1957 enthüllt. Damit war ein besonderes Kuriosum entstanden: ein vom Hamburger Staat gestiftetes Denkmal in Privatbesitz.

Zeitgenössische Pressestimmen

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Kritik kam von Walther Vontin im Hamburger Echo am 4. Februar 1956: „Kein Heine-Denkmal, sondern eine Statuette [...] In der gleichen Pressekonferenz, auf der man von dieser Heine-Feierstunde [zum 100. Todestag am 17.Februar 1956] erfuhr, war auch vom Heine-Denkmal die Rede. Nach den verschiedenen Gerüchten und Vertröstungen der letzten Monate konnten wir die sehr bescheidene Lösung zur Kenntnis nehmen, zu der die langen Beratungen nun geführt haben: Der Senat wird dem Europa-Kolleg in Othmarschen eine winzige Heine-Statuette zum Geschenk machen.[...] Eine kleine Heine-Figur im Flur eines internationalen Studentenhauses, das ist gewiß ein gutes Symbol für die Überwindung des Nationalismus. Für ein Heine-Denkmal aber ist es kein Ersatz, und es ist keine Wiedergutmachung für das geschändete Andenken Heinrich Heines.“

In der Hamburger Volkszeitung wurde am 10. Februar 1956 das Lavieren der Kulturbehörde in Sachen Heine-Gedenken bemängelt.[9] Senator Biermann-Ratjen erläuterte sein Projekt in einer Ansprache auf der Heine-Feierstunde im Schauspielhaus, über die das Hamburger Abendblatt am 18. Februar 1956 berichtete; die Rede ist im Wortlaut in der FDP-Zeitschrift Die Freie Stadt wiedergegeben.[10]

Ein Jahr später war die Angelegenheit schon fast wieder vergessen. Walter Hansemann schrieb am 16. Februar 1957 im Hamburger Abendblatt auf S. 9 (mit Fotografien der Bronze-Statue im Europa-Kolleg sowie des Heine-Standbilds im Stadtpark): „Lederers Heine im Kleinformat wiedererstanden. Anläßlich eines gestern Abend im Europa-Kolleg in Gr.Flottbek gehaltenen Vortrags von Prof.Petriconi über 'Heine als Deutscher und Europäer' ist die (hier rechts im Bild) wiedergegebene kleine Statuette enthüllt worden. Das 'Hamburger Abendblatt' machte vor geraumer Zeit [am 1.Dezember 1955] auf das Vorhandensein dieser Plastik, einer Vorarbeit des Bildhauers Hugo Lederer zu seinem einst im Stadtpark aufgestellten Denkmal, aufmerksam. Die kleinformatige 'Skizze' hat nun in einem Abguß zur 'Europäischen Woche' im Europa-Kolleg Aufstellung gefunden.- Das Denkmal (links), bei dessen Einweihung vor nun mehr als einem Vierteljahrhundert noch Alfred Kerr eine schöne Huldigung an den Dichter gesprochen hatte, ist während der NS-Zeit mit so vielen anderen Kunstwerken vernichtet worden.“

Künstlerische Bewertung

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Die Vergrößerung der „in ihrer Originalgröße [...] sehr reizvoll[en]“ Gipsfigur ist nicht ganz geglückt: die Gesichtspartie gibt leider die von Lederer skizzierte Physiognomie nur unbeholfen wieder, die Nase ist eingedrückt.[11]

Einzelnachweise

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  1. Das Denkmalschutzamt am 14.11.1945: „[...] Das Heine-Denkmal von Lederer (Bronze 1906/13) im Stadtpark in Hamburg ist von der NSDAP der ›Führerspende‹ überwiesen. Dr. Schellenberg vom Museum f. Hamb. Geschichte hatte bei dem damaligen Kultursenator Dr. Becker protestiert. Lederer ist befragt worden und hat den Schutz nicht beansprucht. Daraufhin ist die Plastik freigegeben worden und vernichtet. Der Bildhauer [muss heißen: Buchhändler] Leo Schorr, Hamburg 34, Grosseweg 11, besitzt eine Plastik Hugo Lederers Entwurf zu einem neugestalteten Heine-Denkmal in Gips. Die Plastik ist vom Denkmalschutzamt [um 1912 ?] photographiert worden. Original-Modell. [...] i. A. [Paul H.M.] Gädtgens, Baumeister“ (Denkmalschutzamt Hamburg Archiv Sign. 39-101.303.1 Bl. 2)
  2. Aktenvermerk von Martin Peters, 15. November 1955
  3. Walter Hansemann: Heine-Denkmal Nr. 3. Ein kaum bekannter Entwurf Hugo Lederers. In: Hamburger Abendblatt. 1. Dezember 1955, S. 6.
  4. Denkmalschutzamt Archiv Sign. 39-101.303 Heine-Denkmäler Objektakte Band 1 und 2, Laufzeit 1925/1945–1956 bzw. 1956–1972
  5. Sitzungsprotokoll vom 13. Januar 1956: „Vor kurzer Zeit ist aus Privatbesitz eine Skizze von Lederer aufgetaucht. Die Skizze hat eine Größe von etwa 40 cm [gemeint ist die Höhe der Figur ohne die ca. 10 cm hohe Plinthe]. Es ist die Frage aufgetreten, ob es richtig sei, ein neues Heine-Denkmal in Hamburg zu schaffen. Rücksprachen mit Bildhauern haben ergeben, daß die Lederer-Skizze sich durchaus auf etwa 1.40 m Höhe vergrössern liesse. Die Gips-Skizze wird den Deputierten vorgeführt. In der sich anschließenden Debatte wird es nicht für richtig gehalten, die Lederer-Skizze zu vergrössern, da sie nicht genug ausgearbeitet zu sein scheint. In ihrer Originalgröße aber ist sie sehr reizvoll. Die Deputation spricht sich gegen eine Vergrösserung und auch gegen die Schaffung eines neuen Denkmals durch einen Bildhauer aus. Sie bittet aber darum, daß die Lederer-Skizze in Bronze gegossen wird, um dann an einem geeigneten Ort, evtl. nach Meinung des Herrn Landahl, in einem besonders zu schaffenden 'Heine-Zimmer' Aufstellung zu finden. Die Ablehnung eines neuen Heine-Denkmals wird einmal mit der denkmalfernen Zeit, in der wie heute leben, und weiter damit begründet, daß Heine für die heutige Generation nicht mehr so aktuell ist.“ Dazu der Aktenvermerk von Senator Biermann-Ratjen am 23. Januar 1956: „Ich halte den Plan eines Heine-Zimmers für undurchführbar [...] Mein Plan: Geschenk des Gusses ans Europa-Kolleg. Aufstellung im Hof.“ (Denkmalschutzamt Archiv Sign. 39-101.303 Heine-Denkmäler Objektakte Band 1 und 2, Laufzeit 1925/1945–1956 bzw. 1956–1972)
  6. handschriftlicher Aktenvermerk von Oberregierungsrat Stock am 24. November 1955 und 27. Januar 1956
  7. Aus verfahrenstechnischen Gründen erfolgte die Vergrößerung nach einem zuvor angefertigten originalgroßen Abguss des Gipsbozzettos in Bronze [dieser Bronzeabguss ging in den Besitz von Frau Hanna Biermann-Ratjen über (vgl. Schreiben von Karl Weber an Jürgen Unbehaun vom 5.12.1983, Denkmalschutzamt Hamburg Archiv Sign. 39-101.303. Band 9, Laufzeit 1982-1992, Bl.34–35)]. Außerdem wurden von der Firma Barth noch je eine Gips-Kopie zu 50 DM im Auftrag der privaten Interessenten Willy Haas und Hugo Scharnberg angefertigt, bestellt von der Kulturbehörde.
  8. vgl. Protokoll der Vorstandssitzung des Europa-Kollegs am 14. Januar 1957, Archiv des Europa-Kollegs. In: Ernst-Adolf Chantelau: Die historischen Heine-Bozzetti von Hugo Lederer. In: Kunsttexte. Nr. 1, 2017, doi:10.48633/ksttx.2017.1.88482
  9. Marius: Durchsichtige Manöver um ein Heine-Denkmal. In: Hamburger Volkszeitung. 10. Februar 1953: „[...] In einem Interview teilte Oberregierungsrat Stock von der Hamburger Kulturbehörde unserem Mitarbeiter mit, daß er als zuständiger Dezernent den Erklärungen, die Senator Biermann-Ratjen zum Thema Heine-Denkmal abgegeben habe, nichts hinzuzufügen wisse. Ebenso wie sein Dienstvorgesetzter betonte der Oberregierungsrat, daß auch ihm die Wiedererrichtung eines Denkmals für Heinrich Heine Herzenssache sei. Ebenso war aber auch Herr Stock nicht darum verlegen, eine Reihe von Gründen anzuführen, die klarmachen sollten, weshalb die Hamburger Kulturbehörde im 100. Todesjahr des Dichters 'leider nicht in der Lage' sei, eine Gedenkstätte für Heine zu schaffen.[...] Wir fragten: 'Was hat Hamburgs Kulturbehörde bisher getan, um im Heine-Jahr ein Denkmal des Dichters in Hamburg wieder zu errichten?' Die Antwort: 'Es ist allen Ernstes erwogen worden, nach der Gipsstatuette des Bildhauers Lederer, die wohl als ein nicht ganz ausgeführter Entwurf zu dem Denkmal im Stadtpark anzusehen ist, eine Vergrößerung zu arbeiten, die auf einem der Plätze Hamburgs aufgestellt werden könnte. Die Kulturbehörde hat aus diesem Grunde das in Privatbesitz befindliche Gipsmodell angekauft. Eine Reihe von Gutachtern, unter ihnen Professor Hentzen und der Verleger Rowohlt, haben die Statuette begutachtet und sind ebenso wie wir zu dem Entschluß gekommen, daß eine Vergrößerung der Skizze nicht möglich ist.'[...]“
  10. Senator Dr.H.H.Biermann-Ratjen: Heine in Deutschland 'denkmalsunfähig'. Der Loreleybrunnen in New York und das Standbild in Toulon. In: Freie Demokratische Partei (Hrsg.): Die Freie Stadt. Nr. 4. Hamburg 1956, S. 4: „[...] Wir hatten in Hamburg noch ein anderes Denkmal, das schöne Werk Lederers im Stadtpark, das im Hitlerreich eingeschmolzen wurde. Von ihm wurde vor kurzem ein kleiner Gipsentwurf im Privatbesitz aufgefunden, aus dem sich leider kein Werk in Denkmalsgröße herstellen lässt. Die Statuette ist aber von Hamburg aufgekauft und ein Bronzeguß von ihr wird dem Europa-Kolleg zum Geschenk gemacht werden, um als geretteter letzter Zeuge vom Ungeschick und Unverstand vergangener Zeiten zu berichten und um Heines Wunschtraum europäischer Einigung von neuem zu dienen.- Sollen wir versuchen, die Komödie zu endigen durch Errichtung eines neuen Denkmals ? [...]Eine neue, kritisch-historische Gesamtausgabe von Heines Werken und ein ehrlicher Friede zwischen ihm und der Nation würden mir wichtiger erscheinen als der Versuch, in einer denkmalfernen Zeit seinen vieldeutigen Geist in ein Standbild zu pressen.[...]“
  11. Ernst-Adolf Chantelau: Die historischen Heine-Bozzetti von Hugo Lederer. In: Kunsttexte. Nr. 1, 2017, doi:10.48633/ksttx.2017.1.88482

Koordinaten: 53° 34′ 4,2″ N, 9° 52′ 15,3″ O