Heinrich Scheidemann

deutscher Organist und Komponist

Heinrich Scheidemann, Vorname auch Hinrich (wohl ursprünglich) sowie latinisiert Henricus, (* um 1596 in Wöhrden in Holstein; † 1663 in Hamburg) war ein deutscher Komponist, Organist und Musiklehrer.

Heinrich Scheidemann

Leben und Werk

Bearbeiten

Heinrich Scheidemann erhielt ersten Musikunterricht durch seinen Vater David Scheidemann, welcher zunächst Organist in Wöhrden und ab 1604 an der Hamburger Katharinenkirche war. Von 1611 bis 1614 nahm er gemeinsam mit seinem Freund Jacob Praetorius ein dreijähriges Studium bei dem seinerzeit sehr bedeutenden Organisten Jan Pieterszoon Sweelinck in Amsterdam auf, welches ihm durch die Gemeinde der Katharinenkirche finanziert wurde. Hintergrund dieses Stipendiums war der Wunsch aller Hamburger Hauptkirchen, dass ihre zukünftigen Organisten eine Ausbildung bei Sweelinck erhielten.

Im Jahre 1629 trat Heinrich Scheidemann die Nachfolge seines Vaters im Amt des Organisten an der Hamburger Kirche Sankt Katharinen an. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tode. Scheidemann erlangte durch sein Wirken und seinen Einfluss auf andere Organisten und Kantoren ein hohes Ansehen im Musikleben Hamburgs und galt als herausragender Orgelmeister. Er prüfte außerdem zahlreiche Orgeln im norddeutschen Raum. Als sein bedeutendster Schüler gilt Johann Adam Reincken, der nach Scheidemanns Tod dessen Nachfolger als Organist an der Kirche Sankt Katharinen wurde.

Heinrich Scheidemann wird als bedeutender Vertreter der Norddeutschen Orgelschule angesehen. Er verband den Stil Sweelincks mit dem der Gründerväter der Norddeutschen Orgelschule (Hieronymus Praetorius, Michael Praetorius, Johann Steffens und andere). Zusammen mit den anderen Sweelinck-Schülern Jacob Praetorius, Samuel Scheidt und Melchior Schildt gehört er zu den bedeutendsten norddeutschen Orgelkomponisten seiner Generation und gilt neben Schildt als innovativster Schüler Sweelincks.[1] Sein überliefertes Werk umfasst hauptsächlich Praeambula, Magnificat- und Choralbearbeitungen, Motettenkolorierungen und Tanzsätze.

Scheidemanns Choralbearbeitungen prägen vier Typen aus: den Orgelchoral mit planem cantus firmus, in dem der Choral (cantus firmus) unverziert in langen Notenwerten gegen eine oder mehrere raschere Gegenstimmen gesetzt ist, den Orgelchoral mit koloriertem cantus firmus, stets vierstimmig mit dem verzierten Choral auf einem eigenen Manual zu spielen, das Choralricercar, ebenfalls nur vierstimmig, wobei die gleichberechtigten Stimmen in jedem Abschnitt eine Choralzeile fugiert durchführen, und die Choralfantasie als größte und freieste Gattung, in der jede Choralzeile verschiedene Verarbeitungen erfährt.[2] In der freien Gattung der Vorspiele finden sich fugierte Mittelteile, deren Ausdehnung den Schlussteil deutlich übertrifft, sodass von einem Vorläufer der Form Präludium und Fuge gesprochen werden kann.[3]

Werke (Auswahl)

Bearbeiten

Orgelwerke

  • Magnificat I. Toni (4 Verse)
  • Magnificat II. Toni (4 Verse)
  • Magnificat III. Toni (4 Verse)
  • Magnificat IV. Toni (4 Verse)
  • Magnificat V. Toni (4 Verse)
  • Magnificat VI. Toni (4 Verse)
  • Magnificat VII. Toni (4 Verse)
  • Magnificat VIII. Toni (4 Verse)
  • Magnificat VIII. Toni (1 Vers)
  • Praeambulum in C
  • Praeambulum in G-Dur
  • Praeambulum in d-Moll
  • Fuge in d-Moll
  • Verbum caro factum est
  • Dixit Maria ad Angelum
  • Benedicam Dominum in omni tempore
  • Surrexit pastor bonus
  • Te Deum laudamus
  • Canzon in G

2014 wurde der Asteroid (31032) Scheidemann nach ihm benannt.

Literatur

Bearbeiten

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Robert EitnerScheidemann, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 707 f.
  • Werner Breig: Die Orgelwerke von Heinrich Scheidemann. Franz Steiner, Wiesbaden 1967, ISBN 3-515-00218-9.
  • Werner Breig (Hrsg.): Heinrich Scheidemann: Orgelwerke. 3. Praeambeln, Fugen, Fantasien, Canzonen und Toccaten. Bärenreiter-Verlag, Kassel 1971.
  • Klaus Beckmann (Hrsg.): Heinrich Scheidemann: Sämtliche Motettenkolorierungen für Orgel. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1989.
  • Renate Hübner-Hinderling: Heinrich Scheidemann. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 9, Bautz, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-058-1, Sp. 67–69.
  • Pieter Dirksen (Hrsg.): Heinrich Scheidemann: Sämtliche Werke für Clavier (Cembalo). Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2000.
  • Pieter Dirksen: Samuel Scheidt, Heinrich Scheidemann und die Toccata. In: Schütz-Jahrbuch, Jg. 22 (2000), S. 29–48.
  • Klaus Beckmann (Hrsg.): Heinrich Scheidemann: Sämtliche Orgelwerke, Band 1–3. Schott, Mainz 2004 (= Meister der Norddeutschen Orgelschule, Bd. 8–10).
  • Gustav Fock (Hrsg.): Heinrich Scheidemann: Orgelwerke, Band 1: Choralbearbeitungen. 7. Auflage. Bärenreiter-Verlag, Kassel 2006.
  • Gustav Fock (Hrsg.): Heinrich Scheidemann: Orgelwerke, Band 2: Magnificat-Bearbeitungen. 3. Auflage. Bärenreiter-Verlag, Kassel 2006.
  • Pieter Dirksen: Heinrich Scheidemann's Keyboard Music. Its Transmission, Style and Chronology. Ashgate, Aldershot 2007, ISBN 978-0-7546-5441-4.
  • Claudia Schumacher (Hrsg.): Heinrich Scheidemann: Sämtliche Orgelwerke, Band 4: 12 Motettenkolorierungen. Schott, Mainz 2009 (= Meister der Norddeutschen Orgelschule, Bd. 22).
  • Klaus Beckmann: Die Norddeutsche Schule. Orgelmusik im protestantischen Norddeutschland zwischen 1517 und 1755. Band 2: Blütezeit und Verfall 1620–1755. Schott, Mainz 2009.
  • Pieter Dirksen (Hrsg.): Heinrich Scheidemann: Choralfantasien. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2022, ISMN 979-0-004-18607-7.
Bearbeiten
Commons: Heinrich Scheidemann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Pieter Dirksen: The Keyboard Music of Jan Pieterszoon Sweelinck. Its Style, Significance and Influence. Koninklijke Vereniging voor Nederlandse Muziekgeschiedenis, Utrecht 1997, S. 317.
  2. Werner Breig: Die Orgelwerke von Heinrich Scheidemann. Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1967 (= Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft 3), S. 17ff.
  3. Werner Breig/Pieter Dirksen: Scheidemann, Heinrich. In: Grove Music Online. Oxford Music Online. Oxford University Press, Version: 20. Januar 2001. http://www.oxfordmusiconline.com.