Herta Gotthelf
Herta Gotthelf (* 6. Juni 1902 in Breslau; † 13. Mai 1963 in Alf/Mosel) war eine deutsche Politikerin (SPD). Gotthelf war vor 1933 Redakteurin der SPD-Frauenzeitschrift Genossin, nach 1945 bei Kurt Schumacher Mitglied im Büro Dr. Schumacher, im SPD-Parteivorstand, leitete das Frauensekretariat der Partei und war verantwortlich für die SPD-Frauenzeitschrift Gleichheit. Organ der arbeitenden Frau.
Leben
BearbeitenGotthelf war in ihrer Jugend in Breslau in verschiedenen Gruppen aktiv, darunter der Spartakus-Jugend. Nach ihrem SPD-Eintritt 1920 gehörte sie dementsprechend zum linken Flügel der Partei. Als Bankangestellte ging sie 1925 als Volontärin zum SPD-Parteivorstand nach Berlin und wurde dort bald Sekretärin von Marie Juchacz. 1934 floh sie nach Großbritannien, wo sie sich zuerst als Putzhilfe und Kindermädchen durchschlug. Von 1943 bis 1946 arbeitete sie für die BBC. In Großbritannien wurde sie Mitglied der von Fanny Blatny gegründeten „kleinen Fraueninternationale“.
1946 kehrte sie nach Deutschland zurück, arbeitete dort im Büro Schumacher, übernahm das zentrale Frauensekretariat der Partei und war schnell wieder verantwortliche Redakteurin der SPD-Frauenzeitschrift. Sie trug dazu bei, die internationalen Kontakte der SPD wieder aufzubauen und setzte sich politisch insbesondere für eine Reform des Abtreibungsparagraphen § 218 ein.
Sie verhalf Elisabeth Selbert 1948 zu ihrem Mandat im Parlamentarischen Rat[1] und brachte ihr bei der Parteifrauenkonferenz in Wuppertal am 7./9. September 1948 eine Modernisierung der Gleichstellung von Mann und Frau in der Verfassung nahe.[2] Gotthelf ihrerseits war — nach Ansicht einer Historikerin — inspiriert von der Formulierung „Mann und Frau sind gleichberechtigt“, die zur selben Zeit für die Verfassung der DDR erarbeitet wurde. Die diesbezüglichen Informationen habe sie erhalten über ihre Vernetzung mit Käthe Kern, der Vorsitzenden der bereits seit 1947 existierenden Verfassungskommission des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD).[3]
Die Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ traf im Parlamentarischen Rat auf energischen Widerstand. Selbert konnte sie erst durchsetzen, nachdem sie mit Gotthelfs Hilfe bundesweite Proteste organisiert hatte.[4]
1947 wurde Gotthelf erstmals zum besoldeten Mitglied des Parteivorstands gewählt, erhielt dabei die höchste Stimmenzahl der fünf besoldeten Mitglieder[5] und wurde mehrfach wiedergewählt.[6] Als auf dem Stuttgarter Parteitag 1958, nach einer Reform des Organisationsstatuts, der besondere Wahlgang für besoldete Mitglieder des Parteivorstands entfiel, gelangte sie, ebenso wie Fritz Heine, nicht mehr in den Vorstand.[7]
Gotthelf verstarb im Alter von 60 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.[8]
Literatur
Bearbeiten- Gotthelf, Herta. In: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Bd. 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. Saur, München 1980, S. 238
- Joseph Walk (Hrsg.): Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945. Hrsg. vom Leo Baeck Institute, Jerusalem. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4.
- Karin Gille-Linne: Verdeckte Strategien: Herta Gotthelf, Elisabeth Selbert und die Frauenarbeit der SPD 1945–1949. Dietz, Bonn 2011, ISBN 978-3-8012-4206-0 (= Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Band 90, zugleich Dissertation Fernuniversität Hagen unter dem Titel: Herta Gotthelf, Elisabeth Selbert und die Gleichberechtigung).
- Karin Gille-Linne: Gleichberechtigt! Die Sozialdemokratinnen Elisabeth Selbert und Herta Gotthelf im Kampf um Art. 3 II Grundgesetz 1948/49. In: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, Bd. 75 (2019), S. 44–57.
- Hiltrud Häntzschel, Inge Hansen-Schaberg (Hrsg.): Frauen handeln. Politik – Parteiarbeit – Pazifismus in der Emigration. Reihe: Frauen und Exil, 3. Edition text + kritik, München 2010, ISBN 978-3-86916-078-8 (darin 1 Kap. über H. G.).
- Gisela Notz: Herta Gotthelf (1902–1963). In: Siegfried Mielke (Hrsg.): Gewerkschafterinnen im NS-Staat, biografisches Handbuch, Bd. 2 Metropol-Verlag, Berlin 2022 (Gewerkschafter im Nationalsozialismus; 10), ISBN 978-3-86331-633-4, S. 165–181.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Gisela Notz: Frauen in der Mannschaft. Sozialdemokratinnen im Parlamentarischen Rat und im Deutschen Bundestag 1948/49 bis 1957; mit 26 Biographien. Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2003, ISBN 3-8012-4131-9, S. 23 (fes.de [PDF]).
- ↑ Karin Gille-Linne: Gleichberechtigt! Die Sozialdemokratinnen Elisabeth Selbert und Herta Gotthelf im Kampf um Art. 3 II Grundgesetz 1948/49. In: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, Bd. 75 (2019), S. 44–57, S. 49.
- ↑ Grit Bühler: (Die) Mütter der Gleichberechtigung in der DDR. Die frauenbewegte Gründerinnenzeit des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) 1945 - 1949, in: Deutschland Archiv, 7. November 2023 (Erstveröffentlichung), 7. März 2024 Aktualisierung/Postskriptum (bpb.de)
- ↑ Karin Gille-Linne: Gleichberechtigt! Die Sozialdemokratinnen Elisabeth Selbert und Herta Gotthelf im Kampf um Art. 3 II Grundgesetz 1948/49. In: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, Bd. 75 (2019), S. 44–57, S. 50–52.
- ↑ Protokoll der Verhandlungen des Parteitags der SPD vom 29. Juni bis 2. Juli 1947 in Nürnberg, S. 173
- ↑ Protokoll der Verhandlungen des Parteitags der SPD vom 10. bis 14. Juli 1956 in München, S. 313
- ↑ Protokoll der Verhandlungen des Parteitags der SPD vom 18. bis 23. Mai 1958 in Stuttgart, S. 457 f., 500
- ↑ Gestorben: Herta Gotthelf. In: Der Spiegel vom 22. Mai 1963. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 14. November 2021.
Personendaten | |
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NAME | Gotthelf, Herta |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Politikerin (SPD) |
GEBURTSDATUM | 6. Juni 1902 |
GEBURTSORT | Breslau |
STERBEDATUM | 13. Mai 1963 |
STERBEORT | Alf, Mosel |