Hertha Degn

deutsche Malerin und Kunsterzieherin

Hertha Degn-Kohlhase (* 1. November 1908 in Bremen; † 28. September 2003 in Beverstedt) war eine deutsche Malerin und Kunsterzieherin.

Walther Kohlhase: Porträt Hertha Degn (1933)

Hertha Anna Walda Degn[1] wuchs in einem kunstsinnigen Elternhaus auf. Ihr Vater war der bereits in jungen Jahren durch verschiedene Patente zu finanzieller Unabhängigkeit gekommene Paul Frederik Degn (1868–1948), Ingenieur des Maschinenbaus und späterer Werftdirektor der Howaldtswerke in Kiel. Dieser war nicht nur ein passionierter Kunstsammler, sondern seit Kindheitstagen und Flensburger Schulzeiten an auch ein enger Freund des Malers Alexander Eckener (1870–1944)[2]. Die Mutter Johanna Bertha Degn (1877–1959), geb. Kippenberg, war die Schwester des Verlegers Anton Kippenberg (1874–1950), dem „Bücheronkel“ Herthas. Um 1913 war die Familie berufsbedingt von Bremen nach Kiel gekommen. Zuletzt wohnte man im Düsternbrooker Weg 75, dem heutigen Sitz der Apothekerkammer Schleswig-Holsteins, zuvor war man in der Catharinenstr. 3 in Neumühlen-Dietrichsdorf ansässig gewesen, in Werftnähe[3] und auf der gegenüberliegenden Seite der Kieler Förde. Hertha Degn hatte fünf Geschwister. Ihr jüngerer Bruder war der Kieler Historiker Christian Degn (1909–2004). 1927 bestand sie ihr Abitur in Kiel. Nach einem abgebrochenen Studium der Romanistik in Genf reifte bei ihr der Entschluss zu einem Kunststudium. 1928 wechselte Degn an die Kunstakademie Königsberg. Ihre Lehrer wurden der Grafiker Heinrich Wolff (1875–1940) sowie der Segeberger Maler Karl Storch der Ältere (1864–1954). Insbesondere zu Storch pflegte sie ein freundschaftliches Verhältnis[4]. Einige Arbeiten Storchs, die zum Teil in Kiel entstanden sind und die sich heute in Familienbesitz befinden, zeugen von dieser Zeit[5].

Der von Degn geschätzte Storch ging jedoch bald in den Ruhestand und Heinrich Wolff war ihr „zu grafisch“ (mit einem lachenden Auge auch als „farbenblind“ umschrieben). Auf das Anraten Storchs hin wechselte Degn 1929 deshalb an die progressive Staatliche Akademie für Kunst und Kunstgewerbe Breslau („Bauhaus vor dem Bauhaus“), wo sie bis 1931 eingeschrieben war[6]. Ihre Lehrer waren (der von Degn insbesondere auch menschlich geschätzte) Alexander Kanoldt (1881–1939), Otto Mueller (1874–1930)[7], Carlo Mense (1886–1965) sowie der Methodiker Paul Holz (1883–1938). In Breslau lernte sie auch ihren späteren Ehemann Walther Kohlhase (1908–1993) kennen, der dort bereits 1928 sein Studium aufgenommen hatte und zu den Älteren gehörte. Am 1. April 1932 wurde die Breslauer Akademie im Zuge der zweiten Brüningschen Notverordnung geschlossen. Den Umständen geschuldet wechselte Degn zunächst an die Kasseler Kunstakademie[8] und, als auch diese Institution Opfer der Sparmaßnahmen wurde, 1932 an die Staatliche Kunstschule zu Berlin zu Georg Tappert (1880–1957)[9]. In Berlin bestand sie 1933 ihr Kunsterzieherexamen.

Hertha Degn war ab 1935 mit Walther Kohlhase verheiratet. Das Künstlerpaar lebte fortan[10] in Dessau, der Heimat ihres Mannes[11]. Da sich hier die Junkerswerke vor Ort befanden und die Stadt nicht zuletzt deshalb ein bevorzugtes Ziel alliierter Luftangriffe war, flüchtete man in Sorge um das Wohl der Kinder 1943 nach Hohenhude in Schleswig-Holstein, wo die Schwägerin Degns den landwirtschaftlichen Lehrhof unterhielt. Ab 1950 war ihr Mann wieder im Schuldienst tätig, weshalb man Hohenhude verließ und nach Kiel umzog[12]. Nach dem Tod Walther Kohlhases zog Degn 1996 zu ihrer Tochter nach Hannover und 2001 mit ihr nach Beverstedt. Dort ist sie 2003 verstorben.

In den 30er Jahren entstanden einige Ölgemälde und Zeichnungen mit Dessauer und mit Kieler Motiven, während in den 40er Jahren farbenfrohe Aquarelle das Schaffen Degns dominiert haben. Bis 1935 signierte sie ihre Arbeiten mit ihrem Mädchennamen, danach sind die Signaturen Hertha Degn-Kohlhase, Hertha Kohlhase-Degn, Hertha Kohlhase oder auch das ein oder andere Monogramm nachweisbar (sie nahm es an dieser Stelle nicht so genau). Vieles ist durch die Umstände der Zeit verloren gegangen bzw. in Vergessenheit geraten und bedarf weiterer Aufarbeitung. Degn, die 1936 zum ersten Mal Mutter wurde, gab privaten Malunterricht. Sie stellte aber auch aus. Während ihrer Dessauer Zeit nahm sie an den Landesschauen Anhalts in Halle an der Saale und in Dessau teil. Wann diese stattfanden und welche Werke wo ausgestellt wurden, konnte bislang nicht ermittelt werden. Über Vermittlung der Malerin Bertha Dörflein-Kahlke (1875–1965) war Degn aber auch an Ausstellungen des Kieler Kunstvereins beteiligt[13]. Auch hier sind in der Familie keine Unterlagen mehr vorhanden, d. h. es ist unbekannt, wann diese Ausstellungen stattfanden und welche Arbeiten wo gezeigt wurden[14]. Sicher zumindest ist, dass Degn 1948 an der ersten vom Kunstkreis Kiel (KKK) veranstalteten Ausstellung im Kunsthaus Roos teilnahm und laut Katalog mit einem Aquarell des Westensees beteiligt war. 1982 war sie auf der Sommerausstellung Schleswig-Holsteinischer Künstler im Schloss Plön mit vier (unverkäuflichen) Aquarellen vertreten[15], 2009 zeigte das Schlesische Museum zu Görlitz in der Ausstellung „Rollenwechsel“ verschiedenen Grafiken aus der Breslauer Zeit.

Insbesondere in ihrer Hohenhuder Phase ist Degn äußerst produktiv gewesen, da ihr Mann erst im November 1947 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurde und Degn, Mutter von sechs Kindern, völlig auf sich allein gestellt war. Es ist überliefert, dass sie in einem guten Sommer 80 Originale und mehr verkauft hat[16]. Insbesondere entstanden rund um den Westen- und Schierensee zahlreiche Landschaftsbilder und Stillleben, vorwiegend in der Technik des Aquarells. Auch waren viele Werke Auftragsarbeiten. In der Gegend von Hohenhude lebten einige wohlhabende Bauern, die ihr Anwesen gemalt wissen wollten. Durch einen glücklichen Zufall konnten 2003 drei dieser Arbeiten nachgewiesen werden, die sich auf Gut Schierensee befunden hatten[17]. Auch Porträts sind überliefert. 1980 konnte bei Dörling in Hamburg ein Aquarell aus der Hohenhuder Zeit ersteigert werden. Einige Arbeiten Degns befinden sich heute im Schlesischen Museum zu Görlitz.

Soweit bekannt, datiert ihre letzte Arbeit aus dem Jahr 1950. An dieser Stelle muss konstatiert werden, dass sich Degn zu früh in die Rolle der Ehefrau Walther Kohlhases fügte. In der Laudatio zu einer Ausstellungseröffnung ihres Mannes fasste Dieter Opper den Sachverhalt wie folgt – diplomatisch – zusammen: „...Denn auch Hertha Kohlhase, geb. Degn, absolvierte ein Kunststudium in Genf, Königsberg, Breslau – wo sich beide fanden –, Kassel und Berlin, legte ihr Staatsexamen als Kunst- und Werkerzieherin ab – und, wenngleich sie in übergroßer Bescheidenheit bis zum heutigen Tag das Werk ihres Mannes mitträgt und mitberät, so sollten wir hier nicht vergessen, dass auch sie bildnerisch tätig war, und manche behaupten, dass ihre Aquarelle mindestens so schön wie die des Mannes sind.“[18]

Nachweise in der Literatur

Bearbeiten

• Gunther Otto, „Chronik der Gemeinde Rodenbek. Mit Beiträgen von Johann Eike Benesch und Regina Gay sowie Silke Engel, Hans Sellmer und Martin Stier als weiteren Mitgliedern des Arbeitskreises“. Herausgegeben von der Gemeinde Rodenbeck, Molfsee 2013
• Schlesisches Museum Görlitz (Hrsg.), Ausstellungskatalog „Rollenwechsel – Künstlerinnen in Schlesien um 1880 bis 1945“, Verlag Gunter Oettel, Görlitz/Zittau 2009
• Justus Kohlhase, „Das Künstlerpaar Walther Kohlhase und Hertha Kohlhase und die Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau“, Dessauer Kalender 2006, S. 68ff.
• Martin Papenbrock, Gabriele Saure (Hrsg.), „Kunst des frühen 20. Jahrhunderts in deutschen Ausstellungen. Teil 1“, Verlag VDG, Weimar 2000, S. 150
• Stadt und Kreis Plön (Hrsg.), Ausstellungskatalog „Malerei und Plastik im Schloss Plön – Ausstellung Schleswig-Holsteinischer Künstler“, Plön 1982
• Kunst-Kreis-Kiel (KKK) e.V. (Hrsg.), Ausstellungskatalog zur „1. Kunst-Ausstellung im Kunstsalon Roos“, Kiel 1948

Quellenangaben und weiterführende Hinweise

Bearbeiten
  1. Der Name Degn, ausgesprochen „Dein“, ist (wie die Familie väterlicherseits) dänischen Ursprungs. Er wird übersetzt mit „Küster“.
  2. Das Porträt Eckeners, das dieser von Paul Frederik Degn malte, hat sich (im Gegensatz zu anderen Gemälden Eckeners aus dem Besitz der Familie Degn) erhalten. Eckener war in Kiel häufig zu Gast, weshalb zu vermuten ist, dass das ein oder andere bekannte Kieler Motiv Eckeners bei einem Besuch seines Schulfreundes entstanden ist. Schriftlich überliefert ist beispielsweise, dass Eckener 1934 bei der Familie Degn wohnte, um eine Auftragsarbeit (das Gemälde einer Jagdhütte) zu erfüllen und auch die alte Weide auf dem Grundstück im Düsternbrooker Weg malte (sie inspirierte damals auch Hertha Degn). Da Heinrich Rummel in seinem Buch Alex Eckener - Ein Malerleben zwischen Flensburg und Stuttgart (Nord-Verlag, Flensburg 1975) auf Seite 18 von einem Christian Degn als Jugendfreund zu berichten weiß, kann an dieser Stelle konstatiert werden, dass es sich um einen unbeabsichtigten Fehler handeln muss. Richtig ist, dass Paul Frederik einen Sohn namens Christian hatte. Alexander Eckener war der jüngere Bruder Hugo Eckeners (1868–1954), der, ebenso wie der im selben Jahr geborene Paul Frederik Degn, ein Pionier der Luftfahrt war. Paul Frederik Degn war Konstrukteur des sog. „Degn‘schen Schraubenfliegers“, einem Vorläufer des Hubschraubers, der 1909 in der Nähe von Bremen vorgestellt wurde.
  3. Das Anwesen soll sich genau neben dem sog. Logierhaus der Howaldtswerke befunden haben.
  4. So fuhren beide im August 1929 gemeinsam mit einem von ihrem Vater organisierten Dampfer von Königsberg nach Kiel in die Schleswig-Holsteinische Heimat zurück, wo Storch einen Teil der Semesterferien als Gast im elterlichen Anwesen verbrachte. Laut dem bis zum Jahr 1937 reichenden Tagebuch Johanna Bertha Degns besuchte Storch die Familie insgesamt dreimal, zuletzt im Dezember 1932. Zuvor hatten die Eltern Degns am 10. Juli 1929 bei einem Besuch im Königsberger Atelier ein Bild Storchs erworben.
  5. Erhalten hat sich u. a. eine in Heikendorf entstandene Bleistiftzeichnung, die Degn mit ihrer Freundin Pöppi zeigt. Aber auch auf der Werft, wo sich Storch eine Staffelei bauen ließ, wurde gearbeitet, gleiches gilt für das elterliche Anwesen Degns, wo Storch mit dem Porträt einer unbekannten Dame beschäftigt war.
  6. Ursprünglich hatte der Vater Degns die Münchener Akademie für seine Tochter in Erwägung gezogen, von der Storch aber eindringlich abriet. Das Moderne und Fortschrittliche der damaligen Zeit verkörperte für ihn insbesondere die Breslauer Institution.
  7. Wie viele Studenten der damaligen Zeit war Degn insbesondere von dem Charisma und dem zigeunerartigen Auftreten Muellers nachhaltig beeindruckt. Nach seinem frühen Tod wurde Mueller durch Paul Dobers (1885–1959), möglicherweise auch durch Robert Bednorz (1882–1973), ersetzt.
  8. Von der Zeit Degns in Kassel ist nur wenig bekannt, auch weil sich die Ereignisse in den 30er Jahren förmlich überschlagen haben. Aus verschiedenen Gründen ist jedoch zu vermuten, dass der von Hertha Degn auch angesprochene Kay Heinrich Nebel (1888–1953) Lehrer von ihr gewesen ist.
  9. Im Nachlass befindet sich eine Aktzeichnung (nebst Vorzeichnung) von Georg Walter Rössner (1885–1972), weshalb zu vermuten ist, dass auch dieser Vertreter der Moderne Lehrer von Degn gewesen ist.
  10. Hertha Degn hatte sich 1932 offiziell mit Walther Kohlhase verlobt, zog jedoch erst 1935 endgültig nach Dessau um. Zuvor pendelte sie zwischen ihrer alten Heimat und den Wohnorten ihres Mannes, wobei der Schwerpunkt auf Kiel lag. Auch nach der Hochzeit war das Paar wiederholt in Kiel, wo viele Arbeiten entstanden. Das elterliche Haus ist ein (für viele Menschen) offenes Haus gewesen, wie das Tagebuch der Johanna Bertha Kippenberg deutlich macht.
  11. Die Familie Kohlhase besaß ein Mehrfamilienhaus in der Karlstr. 5 in Dessau-Roßlau, in dem das Paar eine Wohnung bezog. Später zog man in eine größere Wohnung in der Mariannenstr. 3 am Siegfriedsgarten um.
  12. Zunächst war man in der Herderstr. 2 in der Nähe des Schreventeichs ansässig, im Oktober 1972 zog man in die Kruppallee 6 in Kiel-Elmschenhagen um.
  13. Bertha Dörflein-Kahlke ist heute als eines der „Hiddenseer Malweiber“ bekannt. Aus dem Tagebuch von Johanna Degn geht hervor, dass sie zum engeren Bekanntenkreis der Familie gehörte und man sich häufig gegenseitig besuchte. Kahlke hat (wie auch Alexander Eckener) die künstlerische Entwicklung Hertha Degns von Anfang an verfolgt und auch unterstützt (so z. B. bei der Vorbereitung Degns auf die Aufnahmeprüfung in Königsberg).
  14. Das Porträt Johanna Bertha Degns, das Dörflein-Kahlke von der Mutter Herthas 1928 malte, hat sich dagegen erhalten.
  15. An dieser Ausstellung war u. a. auch die mit Degn befreundete Malerin Elisabeth Jaspersen (1900–1984) beteiligt. Gezeigt wurden die Arbeiten „Stillleben mit Margueriten“, „Heikendorf“, „Bei Suchsdorf“ und „Lehrhof Hohenhude“. Die Ausstellung fand vom 25. Juni bis zum 25. Juli 1982 auf Schloss Plön statt.
  16. Das, was die Familie heute noch an Arbeiten Hertha Degns besitzt, sind Arbeiten, die Degn - wie sie es lapidar auszudrücken pflegte - "nicht verkloppen" konnte (oder wollte).
  17. Darunter ein Stillleben mit Maiglöckchen und zwei Hofansichten.
  18. Dieter Opper, Das Werk von Walther Kohlhase, in: Die Heimat. Zeitschrift für Natur- und Landeskunde von Schleswig-Holstein und Hamburg, Nr. 9, 87. Jahrgang Neumünster 1980, S. 265