Hotel und Terrassen-Café Blauensteiner
Das ehemalige Hotel und Terrassen-Café Blauensteiner befindet sich im Garser Ortsteil Thunau am Kamp, Taborgasse 8. Sein Vorgängerbau, das 1897/98 errichtete „Hotel Šimunek“, war um 1899 als erstes Thunauer Hotel für die Entwicklung der Kamptal-Sommerfrische Gars essentiell. Seit Bestehen verbindet eine Stiege das Hotel mit der Villengasse, die parallel zur Kamptalbahn-Trasse und dem Kamp verläuft. Der das Aussehen des Hotel-Gebäudes prägende Terrassenvorbau wurde Mitte der 1920er-Jahre im Auftrag der damaligen Eigentümer Ignaz und Anna Hofer [alias Dworschak] ergänzt. Der Hotelbetrieb wurde 1992 eingestellt und das nicht denkmalgeschützte, aber zeit- und architekturgeschichtlich interessante Gebäude bis zu seinem Verkauf Ende 2022 dem Verfall überlassen. Nachdem die neuen Eigentümer („Residenz Apartments Thunau GmbH“) erklärt hatten, das einstige Hotel bis 2024/25 zu renovieren und anschließend als Tourismusbetrieb zu nutzen, wurde das Gebäude in der zweiten Jahreshälfte 2023 unter Denkmalschutz gestellt.[1]
Residenz Apartments Thunau GmbH | |
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Rechtsform | GmbH |
Gründung | 2022 |
Sitz | Wien, Österreich |
Leitung | Olga Troll (alleinvertretungsberechtigt) |
Branche | Immobilienentwicklung, Betrieb eines Gastgewerbes |
Stand: 2023 |
Geschichte des ersten Thunauer Hotels
BearbeitenAls das erste Thunauer Hotel ist das 1897/98 errichtete „Hotel E[rnestine] Šimunek“ für die frühe Entwicklung der Kamptal-Sommerfrische Gars essentiell. Die „Fremden-Listen der Gemeinde Thunau im Kampthale“ belegen, dass die Hotel-Eigentümer Johann (1865–1934) und Ernestine Šimunek (geborene Wollmann, 1864–1948)[2] bereits 1899 zahlreiche Sommerfrische-Gäste beherbergen. Die ersten überlieferten Ansichtskarten des „Hotel Ernestine Šimunek“, auf denen anstelle des prächtigen Terrassenvorbaus bloß eine schlichte Stiege zu sehen ist, stammen aus dem Jahr 1899. 1901 geht das „Hotel Šimunek“ im Rahmen einer Zwangsversteigerung in das Eigentum von Marie Frischauf (geborene Wieser, 1870–1946), Gattin des Notars Eugen Frischauf (1866–1934), über, der heute vor allem als Obmann der Krahuletz-Gesellschaft und Volkskundler bekannt ist.
Der Hotelbetrieb wird von Anfang an durch einen direkt angrenzenden Fleischhauer-Betrieb sowie zwischen 1912 und 1930 zudem durch eine direkt angrenzende Tischlerei beeinträchtigt. Bereits 1899 werden vier der sechs schlachthofseitigen Fenster zugemauert und ab 1909 sämtliche Hotel-Zimmer als Wohnungen vermietet. Um 1917 erwerben die Wiener Kaffeehausbesitzer Ignaz und Anna Dworschak [alias Hofer] das Hotel und lassen es Mitte der 1920er-Jahre durch den prägenden Terrassen-Vorbau erweitern. Die Terrasse wird bei Schönwetter als Frühstücksplatz, für 5-Uhr-Tee- und Tanz-Veranstaltungen sowie Sonnenbäder angepriesen und genutzt. Anfang der 1930er-Jahre erhält das Hotel, das über einen eigenen Tennisplatz verfügt, der im Winter als Eislaufplatz genutzt wird, einen weiteren Miteigentümer und Namen: „Hotel Pension Café Karl Endres und Hofer“. 1933 erwerben Karl und Hildegard Endres das gesamte Terrassen-Hotel, bevor sie es 1935 an den aus Thunau stammenden, aber in Wien tätigen Gastwirt Franz Blauensteiner verkaufen.
Der berühmteste Hotelgast ist der mit dem Hotel-Eigentümer-Ehepaar Franz und Eleonora („Elly“) Blauensteiner (geborene Loreck[3]) befreundete Romancier Heimito von Doderer, der im August 1956 mit seiner zweiten Frau Maria Emma (geborene Thoma) in Gars eine Woche urlaubt und arbeitet.[4] Ein weiterer prominenter Hotel-Stammgast ist in den 1960er- und 1970er-Jahren die Burg-Schauspielerin Johanna Borak (1919–2004), die gemeinsam mit ihrer Mutter Ludmilla Borak (1894–1974) jährlich im Hotel Blauensteiner urlaubt. Als 1973 und 1974 Johanna Boraks Cousine Barbara Weigel (1939–2024)[5] das Hotel leitet, gestaltet die Grafikerin und Kinderbuch-Illustratorin Susi Weigel[6] einen Briefkopf, der das Terrassenhotel unter der markanten „Garser Skyline“ zeigt.[7]
1980 hat Franz Blauensteiners gleichnamiger Sohn (1949–2023) das traditionsreiche Hotel übernommen und 1992 den Hotelbetrieb eingestellt. Bis Ende 2022 verfiel das nicht denkmalgeschützte, aber architektonisch gelungene Gebäude, für das es seit den 1970er-Jahren immer wieder zahlungskräftige Käufer gegeben hätte. Anfang Oktober 2022 wurde das Hotel im Rahmen eines digitalen Bieterverfahrens zum Verkauf angeboten[8] und Ende Oktober 2022 verkauft. Die neuen Eigentümer („Residenz Apartments Thunau GmbH“) beabsichtigen, das einstige Hotel zu renovieren und anschließend als Tourismusbetrieb zu nutzen, wobei unter anderem die Varianten Apartment-Hotel und Boutique-Hotel im Gespräch sind.
Denkmalschutz
BearbeitenEinige Monate nach dem Verkauf wurde das Gebäude, das drei Jahrzehnte lang dem Verfall überlassen wurde, im Herbst 2023 unter Denkmalschutz gestellt. Denn im Sommer 2023 kam das Bundesdenkmalamt in einem detaillierten „Amtssachverständigengutachten“ zu dem Ergebnis, dass dem ehemaligen Terrassenhotel geschichtliche und künstlerische Bedeutung zukomme, die Denkmalschutz begründe.[1]
Trivia
BearbeitenAusgangspunkt für einen Roman
BearbeitenDie Garser Lehrerin Brigitte Wenzina[9] hat im Frühjahr 2022, einige Monate vor dem erfolgten Verkauf des Thunauer „Hotel und Terrassencafés“, unter dem Titel „Das Terrassen-Cafe“[10] im Selbstverlag einen lokalpatriotischen[11] Trivialroman veröffentlicht, in dem das „Hotel Blauensteiner“ Ausgangspunkt der Romanhandlung bildet. Dabei folgt dem fiktiven Hotelverkauf an die Gemeinde Gars, die das Gebäude um den zehnfachen Kaufpreis an einen Investor weiterverkauft, der es abreißen und ein Ärztezentrum errichten lassen will, eine frei erfundene Handlung, die teils im „Hotel Blauensteiner“ spielt, teils mit diesem zusammenhängt. In ihrem „Nachwort“ erwähnt die Autorin Andreas Weigels „Stars-in-Gars“-Monografie, deren Ausführungen zum „Hotel Blauensteiner“ und zur Garser Tourismusgeschichte sie frei wiedergibt.
Anlass für die Erforschung der Garser Tourismusgeschichte
BearbeitenDer spätere Kultur- und Literaturwissenschaftler Andreas Weigel hat 1973 und 1974 während der gesamten Sommerferien im „Hotel Blauensteiner“ gewohnt, was Jahrzehnte später sein kulturwissenschaftliches Interesse an den unerforscht gebliebenen Gars-Aufenthalten von Heimito von Doderer, Hanns Eisler, André Heller, Karl Kraus, Fritz Lang, Andreas Okopenko und Friderike Winternitz begründet hat. Seine dabei gewonnenen Forschungsergebnisse haben ihn motiviert, weitere verborgen gebliebene Gars-Aufenthalte bzw. Verbindungen namhafter Künstlergäste[12] sowie die Unternehmensgeschichten der maßgeblichen Garser Tourismusbetriebe, darunter die im Dunkeln verbliebene Geschichte und Vorgeschichte des Thunauer Terrassenhotels, systematisch aufzuarbeiten und zu dokumentieren.[13]
Literatur
Bearbeiten- Wolfgang Huber: Zur Architektur der Sommerfrische im Kamptal. In: Susanne Hawlik: Sommerfrische im Kamptal. Der Zauber einer Flusslandschaft. Wien/Köln/Weimar 1995. 45–61, hier 59. ISBN 978-3-205-98315-6.
- Anton Ehrenberger: Gärten, Villen, Parks. Zwischen privatem Refugium und öffentlichem Raum. Katalog zur Sonderausstellung des Zeitbrücke-Museums. Gars am Kamp 2006, 51 und 55.
- Andreas Weigel: Die Sommerfrische im Wandel der Zeiten. In: Bettina Marchart und Markus Holzweber (Hrsg.): Garser Geschichte(n). Gars am Kamp 2014, 521–588, hier 528f., 564 und 569–571. ISBN 978-3-9503541-3-3.
- Andreas Weigel: Gars abseits von Franz von Suppé und Falco. Was weltberühmte Filmregisseure, Komponisten, Literaten und bildende Künstler mit der Kamptal-Sommerfrische verbindet. In: praesent. Das österreichische Literaturjahrbuch 2016. Wien: praesens 2016. 44–64 (Enthält die Erstveröffentlichung einer Fotografie, die Doderer mit dem Ehepaar Blauensteiner in ihrem Wiener Gasthaus „Zur Stadt Paris“ zeigt). ISBN 978-3-7069-2016-2.
- Theresia Hauenfels: Hotel Blauensteiner. Thunau/Kamp, Villengasse (um 1910). In: Theresia Hauenfels, Iris Meder und Andrea Nussbaum: Architekturlandschaft Niederösterreich 1848 bis 1918. The Architectural Landscape 1848 to 1918, Zurich (2017). 112. ISBN 9783038600480
- Andreas Weigel: Stars in Gars. Schaffen und Genießen. Reich bebilderte Geschichte der Sommerfrische Gars-Thunau von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. In: Stars in Gars. Schaffen und Genießen. Künstler in der Sommerfrische. Herausgegeben vom Museumsverein Gars, Zeitbrücke-Museum Gars (Gars 2017) 9–174, hier 32, 36–39, 103–105, 133–136 und 143f. ISBN 978-3-9504427-0-0.
- Bundesdenkmalamt: „Amtssachverständigengutachten“. „Ehemaliges Terrassenhotel. (Geschäftszahl: GZ 2023-0.481.253.) 17. August 2023.“ S. 1–9.
Galerie
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Hotel Blauensteiner, Villengasse (2007)
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Hotel Blauensteiner, Villengasse (2007)
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Hotel-Ruine Blauensteiner (2021)
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Hotel Blauensteiner Taborgasse 8 (2024)
Weblinks
Bearbeiten- Andreas Weigel: Stars in Gars, Heureka: Lebensdaten des Hoteliers-Ehepaars Šimunek. Endlich biografische Details zu Johann (1865–1934) und Ernestine Šimunek (geborene Wollmann, 1864–1948) (Juni 2022).
- Andreas Weigel: Stars in Gars, Erforschung der Geschichte und Vorgeschichte der Thunauer Hotel-Ruine. (Februar 2022).
- Andreas Weigel: Stars in Gars, Weitere Puzzle-Steinchen zur Geschichte des Thunauer Hotels. (Juni 2017).
- Andreas Weigel: Stars in Gars, Zur lückenhaften Geschichte des Thunauer Terrassen-Hotels. (Mai 2017).
- Lost Places Austria: Hotel Blauensteiner. (Februar 2022).
- Patricia Gatter, Yana Hrachova, Daniel Peitl und Sedef Skodra: Dokumentarfilm MUTATIO. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – Hotels in Niederösterreich. Zwischen Film-Minute 9:20 und Film-Minute 13:20 ist die Thunauer Hotel-Ruine von innen und von außen zu sehen. (Juli 2021).
- „Hotel Blauensteiner - eine neue Zeit beginnt“. In: „S REAL Immobilien“: „Wohnen“. Ausgabe 2/2023, 8f.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Bundesdenkmalamt: „Amtssachverständigengutachten“. „Ehemaliges Terrassenhotel. (Geschäftszahl: GZ 2023-0.481.253.) 17. August 2023.“ S. 1–9.
- ↑ Andreas Weigel: Stars in Gars, Heureka: Lebensdaten des Hoteliers-Ehepaars Šimunek. Endlich biografische Details zu Johann (1865–1934) und Ernestine Šimunek (geborene Wollmann, 1864–1948) (Juni 2022).
- ↑ Andreas Weigel: Siehe Nachtrag „Bemerkenswerte zeit- und theatergeschichtliche Aspekte zur Eigentümer-Familie des Thunauer Terrassen-Hotels“.
- ↑ Andreas Weigel: Heimito von Doderers Gars-Woche. Gedruckt in: Andreas Weigel: Stars in Gars. Schaffen und Genießen. Reich bebilderte Geschichte der Sommerfrische Gars-Thunau von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. In: Stars in Gars. Schaffen und Genießen. Künstler in der Sommerfrische. Herausgegeben vom Museumsverein Gars, Zeitbrücke-Museum Gars (Gars 2017) 9–174, hier 133–136. ISBN 978-3-9504427-0-0.
- ↑ Johanna Borak und Barbara Weigel sind Cousinen dritten Grades.
- ↑ Susi Weigel und Ludmilla Borak sind Cousinen zweiten Grades.
- ↑ Susi Weigel: Briefkopf für das Hotel- und Terrassencafé Blauensteiner.
- ↑ Immobilieninserat Hotel Blauensteiner. In: derstandard.at. 2022, archiviert vom am 10. Oktober 2022; abgerufen am 10. Oktober 2022.
- ↑ Siehe Rupert Kornell: Garser Charaktere in Buchform gegossen. Niederösterreichische Nachrichten. 14. Juni 2022
- ↑ Brigitte Wenzina: „Das Terrassen-Cafe“ (= Garser Trilogie. Band 1). 2022, ISBN 978-3-99129-928-8.
- ↑ Siehe Rupert Kornell: Garser Charaktere in Buchform gegossen. Niederösterreichische Nachrichten. 14. Juni 2022: „Auf die Idee dazu hat sie ein „Stöbern im Internet“ gebracht, wo sie auf „Garser Persönlichkeiten“ gestoßen ist, von denen sie vorher nicht gewusst hat, welchen Bezug sie zu Gars haben, wie etwa Friedrich Hundertwasser oder Stefan Zweig. „Da habe ich mir gedacht, dass auch die jetzigen Garser Persönlichkeiten irgendwie, verewigt‘ gehören, aber nicht in Form einer historisch fundierten Darstellung, sondern als Charaktere, die den Ort bereichern“, erzählt sie.“
- ↑ Unter anderem Karl Elleder, Rudolf Hausleithner, Isa Jechl, Leopoldine Kutzel, Richard Maux, Walter von Molo, Karl Hans Strobl, Steffy Stahl, Josef Weinheber, Marianne Wulf und Olga Wisinger-Florian.
- ↑ Andreas Weigel: Stars in Gars. Schaffen und Genießen. Reich bebilderte Geschichte der Sommerfrische Gars-Thunau von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. In: Stars in Gars. Schaffen und Genießen. Künstler in der Sommerfrische. Herausgegeben vom Museumsverein Gars, Zeitbrücke-Museum Gars (Gars 2017) 9–174.
Koordinaten: 48° 35′ 41,7″ N, 15° 39′ 19,3″ O