Hydraulis
Die Hydraulis (auch Hydraulos oder Wasserorgel, „Wasser-Aulos“) ist ein orgelartiges Tasteninstrument, das im Römischen Reich verbreitet war. Charakteristisch ist die Luftzufuhr mit einem hydraulischen Prinzip, bei dem ein gleichmäßiger Luftdruck durch Wasser aufrechterhalten wird. Die Orgeln besaßen meist mehrere Pfeifenreihen, die einzeln registrierbar waren.
Kleinere Orgeln etwa seit dem 2. Jahrhundert n. Chr., die die Luftzufuhr durch Bälge erhielten, wurden zwar noch als hydra bezeichnet, waren aber keine Wasserorgeln mehr.
Geschichte
BearbeitenDiese Wasserorgeln waren im Römischen Reich verbreitet.[1] Der griechische Erfinder Ktesibios soll sie im späten 3. Jahrhundert v. Chr. in Alexandria entwickelt haben.
Erwähnt wurden sie beim römischen Autor Vitruv im 1. Jahrhundert v. Chr.[2], bei Heron von Alexandria im 1. Jahrhundert n. Chr.[3], sowie bei Iulius Pollux im 2. Jahrhundert. Dieser berichtete aber bereits von kleineren Orgeln, die nun mit Bälgen Luftzufuhr erhielten, während größere Instrumente weiter nach dem hydraulischen Prinzip funktionierten. In einigen Mosaiken und anderen Abbildungen sind Darstellungen von Orgeln und ihren Spielern erhalten.
Die Instrumente wurden von vornehmen Bürgern zur Hausmusik verwendet, sie waren bei Gladiatorenkämpfen und in Theatern verbreitet.
Die ältesten erhaltenen Teile einer römischen Orgel fanden sich aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. in Dion in Griechenland (Wasserorgel von Dion), weitere in Aventicum (Avenches) in der Schweiz aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. Die Orgel in Aquincum im heutigen Budapest aus dem 3. Jahrhundert, von der umfangreiche Reste gefunden wurden, wurde wahrscheinlich bereits mit Balgluft betrieben und war damit keine Wasserorgel mehr, obwohl sie noch die Bezeichnung hydra trug.[4]
In der Zeit der Renaissance wurden in Anlehnung an die antike Hydraulis wassergetriebene Orgelautomaten gebaut, zum Beispiel in der Villa d’Este in Tivoli.
Wortherkunft und Funktionsweise
BearbeitenNeben Labialpfeifen könnten möglicherweise auch Lingualpfeifen mit Aufschlag- oder Gegenschlagzungen zum Einsatz gekommen sein. Für Pfeifen mit Rohrblättern spricht die Wortherkunft von hydraulis (ὕδραυλις, fem.) oder hydraulos aus Altgriechisch húdōr (ὕδωρ), „Wasser“ und aulos (αὐλός), worunter in der Antike meist ein gedoppeltes Rohrblattinstrument mit Einfach- oder Doppelrohrblatt verstanden wurde. In Frage gestellt wird das Argument wegen der allgemeinen Bedeutung von aulos, „Röhre“, weshalb jedes Blasinstrument als aulos bezeichnet werden konnte. Alternativ lässt sich -aulos auf aulē, „Kammer“, mit Bezug auf den Wasserbehälter zurückführen. Ferner deuten die stets schlank abgebildeten Pfeifen nicht auf Rohrblätter hin.[5] Neben hydraulos ist die Kurzform hydras (ὕδρας, masc.) belegt.
Bei der Hydraulis wird ein unten offener Behälter (Pnigeus) in ein Wassergefäß getaucht. Durch Pumpen wird Luft in den Behälter gedrückt, wodurch das Wasser aus dem Behälter verdrängt wird. Der Wasserdruck hält den Luftdruck im Behälter weitgehend konstant, obwohl die Pumpen keinen gleichmäßigen Luftstrom erzeugen. Bei späteren Orgeln dient das Windwerk diesem Zweck ohne Wasser.
Das gleiche technische Prinzip wie bei der Hydraulis findet man auch bei Nassgasbehältern.
Literatur
Bearbeiten- Michael Markovits: Die Orgel Im Altertum. Brill 2003.
- F. Jakob, M. Leuthard, A. C. Voûte, A. Hochuli-Gysel: Die römische Orgel aus Avenches/Aventicum. Avenches 2000, ISBN 2-9700112-7-1.
- James W. McKinnon: Hydraulis. In: Grove Music Online, 2001
- Werner Walcker-Meyer: Die römische Orgel von Aquincum. Stuttgart 1970, ISBN 3-920670-00-0.
Weblinks
Bearbeiten- Hydraulis Geschichte
- Heike Le Ker: Automaten der Antike: Wie die Götter die Tempeltüren öffneten. In: Spiegel Online. 9. April 2009 .
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Hydraulis hydraulis.de, Geschichte
- ↑ Marcus Vitruvius Pollio: De Architectura, Liber X, Caput 8. Universität von Chicago (Latein, englisch).
- ↑ Pneumatika, erwähnte organon hydraulikon (Wasserpfeife)
- ↑ Nachbau einer antiken römischen Orgel nach einem Fund in Budapest Römisch-Germanisches Zentralmuseum
- ↑ James W. McKinnon: Hydraulis. 2. Description. In: Grove Music Online, 2001