Hydromorphon

Arzneistoff, organische Verbindung

Hydromorphon ist ein stark wirkendes semisynthetisches Opioid der Stufe III im WHO-Stufenschema (Klassifizierung der Schmerztherapie), das als Schmerzmittel bei starken und stärksten Schmerzen zugelassen ist. Es ist verschreibungspflichtig und unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz.

Strukturformel
Allgemeines
Freiname Hydromorphon
Andere Namen
  • (5R,9R,13S,14R)-3-Hydroxy-17-methyl-4,5-epoxymorphinan-6-on (IUPAC)
  • Hydromorphonum (Latein)
Summenformel
  • C17H19NO3 (Hydromorphon)
  • C17H19NO3·HCl (Hydromorphon·Hydrochlorid)
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 207-383-5
ECHA-InfoCard 100.006.713
PubChem 5284570
ChemSpider 4447624
DrugBank DB00327
Wikidata Q303646
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N02AA03

Wirkstoffklasse

Opioid-Analgetikum

Eigenschaften
Molare Masse
  • 285,34 g·mol−1 (Hydromorphon)
  • 321,80 g·mol−1 (Hydromorphon·Hydrochlorid)
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt
  • 266–267 °C (Hydromorphon)[1]
  • 305–315 °C (Hydromorphon·Hydrochlorid)[1]
pKS-Wert

8,2 (20 °C)[2]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[4]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze[4]
Toxikologische Daten

104 mg·kg−1 (LD50Mausi.v.)[5]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Pharmakologische Daten

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Hydromorphon ist ein mit dem Morphin strukturverwandter Arzneistoff. Chemisch handelt es sich um ein hydriertes Morphinketon, physiologisch um einen Metaboliten von Morphin, Codein und Dihydrocodein. Nach der Resorption unterliegt Hydromorphon der Metabolisierung in der Leber und ist danach zu etwa 50 Prozent bioverfügbar. Es findet sich eine Proteinbindung von ca. sieben Prozent, die maximale Plasmakonzentration ist nach ca. einer Stunde erreicht, die terminale β-Halbwertszeit beträgt ca. zweieinhalb Stunden, die Ausscheidung erfolgt vorwiegend renal. Ob Hydromorphon über das Cytochrom-P450-System abgebaut wird, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Arzneilich wird das wasserlösliche Hydrochlorid des Hydromorphons eingesetzt; in der Therapie kommen Injektionslösungen (mit 2 oder 10 mg Wirkstoff pro Milliliter) sowie rasch freisetzende (1,3 oder 2,6 mg Wirkstoff enthaltende) und retardierte (2–64 mg enthaltende) Kapseln und Tabletten zur Anwendung. Die schmerzlindernde Wirkung der Injektionslösung dauert etwa ein bis sechs Stunden an, die von nichtretardierten Hartkapseln vier und die von Retard-Kapseln 8–12 Stunden an.[6]

Ebenso gibt es 24 Stunden Retard-Tabletten. Diese ermöglichen den Patienten, nur einmal täglich das Medikament einzunehmen.

Wirkmechanismus

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Opioidanalgetika ahmen die Wirkung endogener Opioidpeptide (Endorphine, Enkephaline, Dynorphine) nach. Dadurch wird einerseits die Weiterleitung des Schmerzreizes gehemmt und andererseits das Schmerzempfinden im Thalamus und im limbischen System verändert.

Die pharmakologische Wirkung von Hydromorphon ist ähnlich der des Morphins. Es ist (bei einer initialen Einzeldosis von 0,2 bis 4 mg[7]) im Vergleich zu Morphin etwa 7,5-mal so potent.[8]

Die Metabolisierung läuft hauptsächlich über Glucuronidierung ab, Hauptmetabolit ist Hydromorphon-3-Glucuronid – anders als bei Morphin kann kein 6-Glucuronid gebildet werden. Da Hydromorphon-3-Glucuronid unwirksam ist, kann Hydromorphon auch bei starker Einschränkung der Nierenfunktion gegeben werden. Der Wirkstoff hat wegen der geringen Plasmaeiweißbindung nur geringe Interaktionen mit anderen Arzneimitteln.[9][10]

Wechselwirkungen

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Hydromorphon verstärkt die Wirkung von Stoffen, die das ZNS dämpfen. Hierzu zählen insbesondere Tranquilizer, Anästhetika, Schlafmittel, Sedativa, Alkohol, Muskelrelaxans, Antidepressiva und Antihypertensiva.

Nebenwirkungen

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Wie bei allen stark wirkenden Opioid-Analgetika können Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Ebenso kann es zu Benommenheit, Stimmungsveränderungen sowie zu Veränderungen des Hormonsystems und des autonomen Nervensystems kommen. Bei Überdosierung kann es zu Miosis, Hypoventilation und niedrigem Blutdruck kommen. Insgesamt sind, bei Vergleich äquivalenter Dosen, sowohl die Wirkung als auch die Nebenwirkungen vergleichbar mit denen des Morphins.[11]

Aufgrund der euphorisierenden Wirkung hat Hydromorphon als reiner Agonist, insbesondere bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch, ein hohes Suchtpotential.[12]

Sonstiges

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Hydromorphon wurde in Kombination mit Midazolam 2014 im US-Bundesstaat Ohio als Hinrichtungsgift anstelle des sonst verwendeten Pentobarbitals verabreicht.[13]

Die Einführung einer 14β-Ethylgruppe in das Hydromorphonmolekül lässt die analgetische Potenz außerordentlich stark ansteigen. 14β-Ethylhydromorphon ist bei Mäusen 7.500-mal potenter als Morphin. Das unhydrierte Analogon (14β-Ethylmorphinon) besitzt sogar die 10.000-fache Potenz von Morphin.[14]

In Australien wird der Wirkstoff experimentell beim Entzug von Heroin zusammen mit Methadon eingesetzt.[15]

Handelspräparate

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Monopräparate
Hydal (A), Jurnista (D, A, CH), Palladon (D, CH) und Generika, Dilaudid (USA, CDN) Hydromorphon Aristo long (D) Hydromorphon (A)

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Einzelnachweise

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  1. a b The Merck Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals. 14. Auflage. Merck & Co., Whitehouse Station NJ 2006, ISBN 0-911910-00-X, S. 832.
  2. Sean Sweetman (Hrsg.): Martindale: The Complete Drug Reference. 35th Edition: Book and CD-ROM Package. Pharmaceutical Press, ISBN 978-0-85369-704-6.
  3. a b Eintrag zu Hydromorphon. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 12. Juni 2014.
  4. a b Datenblatt Hydromorphone hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 4. April 2011 (PDF).
  5. Eintrag zu Hydromorphone in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  6. Eberhard Klaschik: Schmerztherapie und Symptomkontrolle in der Palliativmedizin. In: Stein Husebø, Eberhard Klaschik (Hrsg.): Palliativmedizin. 5. Auflage. Springer, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-642-01548-9, S. 207–313, hier: S. 233.
  7. Eberhard Klaschik: Schmerztherapie und Symptomkontrolle in der Palliativmedizin. 2009, S. 233.
  8. G. Lindena, H. Arnau, J. Liefhold: Hydromorphon – pharmakologische Eigenschaften und therapeutische Wirksamkeit. In: Der Schmerz, Juli 1998, Volume 12, Issue 3, S. 195–204; doi:10.1007/s004820050142.
  9. Angelika Bischoff: Bei Morphin-Nebenwirkungen: Wechsel zu Retardpräparat ist sinnvoll. In: Dtsch Arztebl, 26. Juni 1998, 95(26), S. A-1686 / B-1427 / C-1333.
  10. Schmerztherapie mit Opioiden., Der Arzneimittelbrief, Nr. 45/2011; abgerufen am 7. Februar 2014.
  11. Yan J. Bao, Wei Hou, Xiang Y. Kong, Liping Yang, Jun Xia, Bao J. Hua, Roger Knaggs: Hydromorphone for cancer pain. In: Cochrane Database of Systematic Reviews. 2016, doi:10.1002/14651858.CD011108.pub2, PMID 27727452, PMC 6457981 (freier Volltext).
  12. Robert M. Julien et al.: A Primer Of Drug Action. Worth Publishers, 2008, ISBN 978-1-4292-3343-9.
  13. Hinrichtung in Ohio: Neue Giftspritze ließ Todeskandidaten zehn Minuten leiden. Spiegel Online, 16. Januar 2014; abgerufen am 17. Januar 2014.
  14. W. Fleischhacker, B. Richter: Sci. Pharm., 1981, 49, 118. W.R. Buckett: Brit. J. Pharmacol., 1982, 76, 269P.
  15. Catie McLeod: ‘A complete 180’: how a trial treatment in Sydney for heroin addiction is changing lives. In: The Guardian.