Elfenbein-Schneckling
Der Elfenbein-Schneckling (Hygrophorus eburneus) ist eine Pilzart aus der Familie der Schnecklingsverwandten (Hygrophoraceae) und die Typusart der Schnecklinge. Er ist in Europa und Nordamerika weit verbreitet und wurde auch in Nordafrika schon gefunden. Er wächst fast ausschließlich bei Rotbuchen. Die Fruchtkörper sind mittelgroß, rein weiß und in feuchtem Zustand mit einer dicken Schleimschicht überzogen. Aus den Fruchtkörpern wurden Fettsäuren mit bakteriziden und fungiziden Eigenschaften extrahiert.
Elfenbein-Schneckling | ||||||||||||
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Elfenbein-Schneckling (Hygrophorus eburneus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Hygrophorus eburneus | ||||||||||||
(Bull. : Fr.) Fr. |
Merkmale
BearbeitenMakroskopische Merkmale
BearbeitenDer konvexe bis abgeflachte, manchmal leicht gebuckelte Hut des Elfenbein-Schnecklings ist zwei bis sieben Zentimeter breit, reinweiß und kann, abhängig von der Umgebungsfeuchte, zähschleimig bis klebrig sein. Die Hutoberfläche ist glatt, der Rand eben und bei jungen Exemplaren eingerollt und mit kurzen Fäserchen bedeckt.
Die Lamellen sind etwas bogig herablaufend, also in Bogenform zum Stiel hin zunächst aufwärtsgekrümmt und dann eine kurze Strecke den Stiel herablaufend. Sie stehen entfernt und sind recht dick, reinweiß, beim Antrocknen und im Alter blass (braun)gelblich. Wie der englischsprachige Name "ivory waxy cap" nahelegt, fühlen sie sich wachsartig an, wenn sie zwischen den Fingern gerieben werden. Die Lamellenschneiden sind glatt.
Der Stiel ist schleimig, 4,5 bis 15 Zentimeter lang und 0,2 bis 1 Zentimeter dick, nach unten hin etwas verjüngt. Das obere Ende des unter dem Schleim seidigen Stiels ist mit kurzen, rein weißen Fäserchen bedeckt, die mit dem Alter manchmal schmutzig gräulich werden. Er ist anfänglich wattig gefüllt und wird später hohl. Die Stielbasis färbt sich mit Kalilauge gelb.[1]
Das Fleisch ist weiß. Der Geruch ist säuerlich-aromatisch[2], der Geschmack ist mild. Die Hüte getrockneter Fruchtkörper bleiben typischerweise weiß, während die Stiele dunkler werden, besonders wenn sie anfangs wassergetränkt sind.[3] Das Sporenpulver ist weiß.
Mikroskopische Merkmale
BearbeitenDie Sporen sind ellipsoid, glatt, inamyloid und messen 6–8 x 3,5–5 Mikrometer. Die Basidien sind 42–52 x 6–8 Mikrometer groß und viersporig. Pleurozystiden oder Cheilozystiden fehlen. Die Lamellentrama besteht aus verzweigten, etwa 7–12 Mikrometer breiten Hyphen. Die Huthaut ist ein Ixotrichoderm, das aus gallertartigen, 3–6 Mikrometer breiten Hyphen aufgebaut ist, deren Enden teilweise aufrecht stehen. An den Septen sind Schnallen vorhanden.[4]
Ökologie und Verbreitung
BearbeitenDer Elfenbein-Schneckling ist ein häufiger Mykorrhizapilz, der beinahe ausschließlich mit Rotbuchen vergesellschaftet ist. Die Fruchtkörper des Elfenbein-Schnecklings wachsen bevorzugt auf (mäßig) feuchten, lehmigen und kalkhaltigen Böden.[5] In Europa fruktifiziert er von August bis November in Laubmischwäldern.[6]
Der Pilz ist ebenfalls in Nordamerika weit verbreitet[3] und findet sich auch in Israel[7] und Nordafrika.[8]
Artabgrenzung
BearbeitenÄhnlich ist der Fichten-Schneckling (Hygrophorus piceae), die sich durch einen weniger schleimigen Hut, einen trockenen bis leicht klebrigen Stiel und die Mykorrhiza mit Fichten unterscheidet. Der Schleimigberingte Schneckling (Hygrophorus gliocyclus) ist genauso schleimig, hat aber einen cremefarbenen Hut, einen dickeren Stiel und wächst bei Kiefern.[9] Der Nichtverfärbende Eichen-Schneckling (Hygrophorus cossus), welcher typischerweise mit Eichen wächst, unterscheidet sich außerdem durch die blass rosa-gelbbräunliche Farbe von Hut und Lamellen und hat einen starken, typischen, sauren Geruch; außerdem zeigt Hygrophorus cossus keine Reaktion mit Kalilauge.[1] Der Verfärbende Schneckling (Hygrophorus discoxanthus) kommt in ähnlichen Habitaten vor wie der Elfenbein-Schneckling, verfärbt sich auf Druck und beim Eintrocknen vom Hutrand her aber bräunlich und zeigt am gesamten Fruchtkörper eine purpurbraune Kalilaugen-Reaktion. Der Glänzende Schleimschirmling (Zhuliangomyces illinitus) hat Lamellen, die nicht wachsartig und nicht am Stiel angewachsen sind, außerdem eine velumartige Ringzone.[10]
Taxonomie und Systematik
BearbeitenTaxonomie und Etymologie
BearbeitenDie Art wurde zuerst 1783 von dem französischen Botaniker Jean Bulliard als Agaricus eburneus erstbeschrieben.[11][12] Elias Fries unterteilte die große Gattung Agaricus in seinem Systema Mycologicum I in eine Anzahl von Tribus und klassifizierte Agaricus eburneus in den Tribus Limacium.[13] Als Fries 1836 in seinem Epicrisis Systematis Mycologici erstmals die Gattung Hygrophorus definierte, schloss er Hygrophorus eburneus dort mit ein.[14] Als Paul Kummer 1871 Fries’ Tribus auf den Rang von Gattungen erhob, wurde der Pilz in Limacium eburneum umbenannt[15] und von Samuel Frederick Gray 1821 als Gymnopus eburneus.[16]
Das Epitheton eburneus[17] ist ein lateinisches Adjektiv mit der Bedeutung „wie Elfenbein“ oder „elfenbeinfarben“.[18]
Infragenerische Systematik
BearbeitenDer Elfenbein-Schneckling ist die Typusart der Gattung Hygrophorus und ist in der Sektion Hygrophorus, Untersektion Hygrophorus eingeordnet. Diese umfasst Arten mit inamyloiden, glatten Sporen und verzweigten Hymenialhyphen. Weitere Arten in dieser Untersektion sind der Nichtverfärbende Schneckling (Hygrophorus coccus), der Gewichtige Schneckling (Hygrophorus ponderatus), der Verfärbende Schneckling (Hygrophorus discoxanthus), außerdem mit Hygrophorus glutinosus und Hygrophorus eburneiformis auch zwei nordamerikanische Arten.[4] Andere Autoren stellen den Elfenbein-Schneckling in die Sektion Eburnei. Diese Sektion umfasst Arten, die einen mehr oder weniger schmierig bis schleimigem Hut und Stiel haben. Der Hut ist weißlich bis cremefarben, rosa-ockerlich oder blassorange gefärbt.[19]
Bedeutung
BearbeitenEssbarkeit
BearbeitenDer Pilz ist essbar, auch wenn er wegen seiner Schleimigkeit für viele nicht ansprechend sein mag.[20] In China wird ein Yakmilchgetränk mit Elfenbein-Schnecklingen und Yakmilch hergestellt, in milchsaurer Gärung mit Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus, Streptococcus thermophilus und Lactobacillus acidophilus als gemischte Startkultur.[21]
Bioaktive Verbindungen
BearbeitenMehrere biologisch aktive Fettsäuren mit bakteriziden und fungiziden Eigenschaften wurden aus den Fruchtkörpern des Elfenbein-Schnecklings isoliert und identifiziert. Die biologisch aktiven Fettsäuren bauen auf einer chemischen Struktur namens γ-Oxocrotonat auf. Die folgenden gamma-Oxocrotonat-Derivate wurden in dem Pilz gefunden: (2E,9E)-4-oxooctadeca-2,9,17-trienoic acid, (2E,11Z)-4-oxooctadeca-2,11,17-trienoic acid, (E)-4-oxohexadeca-2,15-dienoic acid, (E)-4-oxooctadeca-2,17-dienoic acid, (2E,9E)-4-oxooctadeca-2,9-dienoic acid, (2E,11Z)-4-oxooctadeca-2,11-dienoic acid, (E)-4-oxohexadec-2-enoic acid und (E)-4-oxooctadec-2-enoic acid.[22] Die Verbindung (E)-4-oxohexadec-2-enoic acid wurde für den potenziellen Gebrauch als Fungizid gegen die Eipilz-Art Phytophthora infestans untersucht, einen Erreger für die Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln beziehungsweise Kraut- und Braunfäule bei Tomaten.[23]
Im Elfenbein-Schneckling entdeckte zusätzliche Sekundärmetabolite umfassen die Ceramid-Verbindung namens Hygrophamid ((2S,3R,4R,2’R)-2-(2’-hydroxy-9’Z-ene-tetracosanoylamino)-octadecane-1,3,4-triol)[24] und die als Harman und Norharman bekannten β-Carbolin-Alkaloide. Der Entdeckungsbericht von 2008 zu den zwei letztgenannten Verbindungen stellt das erste bekannte Vorkommen in Pilzfruchtkörpern dar.[25]
Weblinks
Bearbeiten- Mushroom Observer Images
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Hope H. Miller, Orson K. Miller Jr.: North American mushrooms. A field guide to edible and inedible fungi. 1. Auflage. Falcon Guides Press Publishing, Guilford, Connecticut, USA 2006, ISBN 0-7627-3109-5, S. 69 (englisch).
- ↑ Jürgen Marqua: Elfenbein-Schneckling. In: Pilzflora Ehingen. Abgerufen am 21. Oktober 2021.
- ↑ a b Alexander Hanchett Smith: North American species of Mycena. University of Michigan Press, Ann Arbor, Michigan 1947, S. 253–255 (englisch, umich.edu).
- ↑ a b Lexemuel Ray Hesler, Alexander Hanchett Smith: North American Species of Hygrophorus. 1. Auflage. University of Tennessee Press, Knoxville TE 1963, S. 248 (englisch, umich.edu).
- ↑ Cornelis Bas, Thomas W. Kuyper, Machiel Evert Noordeloos, Else C. Vellinga: Flora Agaricina Neerlandica. Hrsg.: Cornelis Bas. Band 3. CRC Press, Boca Raton, Florida 1990, ISBN 978-90-6191-971-1, S. 118–119 (englisch).
- ↑ Hans E. Laux: Der Große Kosmos Pilzführer. Alle Speisepilze mit ihren giftigen Doppelgängern Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2001, ISBN 3-440-08457-4.
- ↑ N. Binyamin, Z. Avizohar: Species of Hygrophorus in Israel. In: Israel Journal of Botany. Band 22, Nr. 4, 1973, S. 258–262.
- ↑ R. Maire: New fungi from North Africa. In: Bulletin trimestriel de la Societe mycologique de France. Band 44, Nr. 1, 1928, S. 37–56.
- ↑ David Arora: All that the Rain Promises and More. A Hip Pocket Guide to Western Mushrooms. In: Ten Speed Press. Berkeley, Kalifornien 1991, ISBN 0-89815-388-3, S. 47 (englisch).
- ↑ William C. Roody: Mushrooms of West Virginia and the Central Appalachians. The University Press of Kentucky, Lexington, Kentucky 2003, ISBN 0-8131-9039-8, S. 119, 250 (englisch).
- ↑ Jean Baptiste François Bulliard: Herbier de la France. Band 3, 1783, S. 97–144 (französisch).
- ↑ Hygrophorus eburneus (Bull.) Fr. In: Index Fungorum. Centre for Agricultural Bioscience International, abgerufen am 25. August 2010 (englisch).
- ↑ Elias Magnus Fries: Systema Mycologicum. Band 1. ex officina Berlingiana, 1821, S. 16 (Latein, archive.org [abgerufen am 30. Juni 2010]).
- ↑ Elias Magnus Fries: Anteckningar öfver de i Sverige växande ätliga Svampar. Palmblad, Sebell & C., Upsala 1836, S. 45 (schwedisch, archive.org).
- ↑ Paul Kummer: Der Führer in die Pilzkunde. Anleitung zum methodischen, leichten und sichern Bestimmen der in Deutschland vorkommenden Pilze, mit Ausnahme der Schimmel- und allzu winzigen Schleim- und Kern-Pilzchen. 1. Auflage. Verlag von E. Luppe’s Buchhandlung, Zerbst 1871, S. 119 (archive.org).
- ↑ Samuel Frederick Gray: A Natural Arrangement of British Plants. According to their relations to each other as pointed out by Jussieu, De Candolle, Brown, &c. Band 1. Baldwin, Cradock, and Joy, London 1821, S. 610 (englisch, archive.org).
- ↑ eburneus im Wiktionary
- ↑ David H. Headrick, Gordon Gordh: A Dictionary of Entomology. Centre for Agricultural Bioscience International Publishing, Wallingford, Oxfordshire, England 2001, ISBN 0-85199-655-8, S. 301 (englisch).
- ↑ Marcel Bon (Hrsg.): Pareys Buch der Pilze. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-440-09970-9, S. 114.
- ↑ David Arora: Mushrooms Demystified: a Comprehensive Guide to the Fleshy Fungi. Hrsg.: Ten Speed Press. Berkeley, Kalifornien 1986, ISBN 0-89815-169-4, S. 119–120 (englisch).
- ↑ Jiang-ping Fang, Zheng-chang Zhong: Study on Hygrophorus eburnus - yak milk beverage. In: China Dairy Industry. Band 37, Nr. 6, 2009, ISSN 1001-2230, S. 62–64 (chinesisch).
- ↑ Axel Teichert, Tilo Lübken, Jürgen Schmidt, Andrea Porzel, Norbert Arnold, Ludger Wessjohann: Unusual Bioactive 4-Oxo-2-alkenoic Fatty Acids from Hygrophorus eburneus. In: Zeitschrift für Naturforschung B. 60, 2005, S. 25–32 (PDF, freier Volltext).
- ↑ Lennart Eschen-Lippold, Tobias Draeger, Axel Teichert, Ludger Wessjohann, Bernhard Westermann, Sabine Rosahl, Norbert Arnold: Antioomycete Activity of γ-Oxocrotonate Fatty Acids against P. infestans. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. Band 57, Nr. 20, 28. Oktober 2009, S. 9607–9612, doi:10.1021/jf902067k, PMID 19778058 (englisch).
- ↑ Yan Qua, Hong-Bin Zhang, Ji-Kai Liu: Isolation and Structure of a New Ceramide from the Basidiomycete Hygrophorus eburnesus. In: Zeitschrift für Naturforschung B. 59, 2004, S. 241–244 (PDF, freier Volltext).
- ↑ Axel Teichert, Tilo Lübken, Jürgen Schmidt, Christine Kuhnt, Manfred Huth, Andrea Porzel, Ludger Wessjohann, Norbert Arnold: Determination of β-carboline alkaloids in fruiting bodies of Hygrophorus spp by liquid chromatography/electrospray ionisation tandem mass spectrometry. In: Phytochemical Analysis. Band 19, Nr. 4, 19. Juli 2008, S. 335–341, doi:10.1002/pca.1057, PMID 18401852 (englisch).