Internationale Bauausstellung
Eine Internationale Bauausstellung (IBA) ist ein seit vielen Jahrzehnten in Deutschland eingesetztes Instrument der Stadtplanung und des Städtebaus, um mit neuen Ideen und Projekten im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich Impulse zu setzen für einen in der jeweiligen Region als erforderlich angesehenen städtebaulichen bzw. landschaftlichen Wandel.
Durch die über Landesgrenzen hinweg angestrebte Beteiligung von Architekten, Stadt- und Landschaftsplanern sowie Unternehmen soll der internationale Wettbewerb an den Projekten gefördert werden. Oft werden dazu beachtliche Preisgelder durch Kommunalbehörden oder Regierungsstellen ausgelobt.
Während IBAs ursprünglich auf Deutschland beschränkt waren, waren die IBA Rotterdam (s. u.) und die IBA Basel 2020 die ersten Internationalen Bauausstellungen, die das deutsche Format in andere Staaten übertrugen.
Nachdem bis zum Ende des 20. Jahrhunderts IBAs eher selten stattfanden, setzte mit der IBA Berlin (1987) und der IBA Emscherpark (1999) eine inhaltliche Weiterentwicklung des Formats und ein größerer Bekanntheitsgrad ein, welcher zu einem größeren Anreiz zur Durchführung beitrug. Die Internationalen Bauausstellungen wandelten sich über die Zeit von Architektur- zu Baukultur-Ausstellungen, bei denen neben ästhetischen und technologischen zunehmend soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte sowie die Qualität von Prozessen und von Partizipation in den Vordergrund traten. Die Themenstellungen der IBA wurden so immer komplexer, die räumliche Ausdehnung immer weiter.[1]
In enger zeitlicher Folge gibt es seither Internationale Bauausstellungen mit sehr unterschiedlichen Akzentuierungen.
Austragungsorte
BearbeitenDa der Titel „Internationale Bauausstellung“ – anders als etwa bei Weltausstellungen (EXPOs) – nicht von einer zentralen Organisation vergeben wird, sondern von den jeweiligen Organisatoren als Selbstbezeichnung angenommen wird, und andererseits insbesondere in weiter zurückliegender Zeit auch ähnliche Ausstellungen unter anderen Namen stattfanden, ist die Abgrenzung, welche Werkschauen und Ausstellungen als IBA zählen, nicht immer eindeutig.
- Als erste Internationale Bauausstellung gilt die Ausstellung „Ein Dokument Deutscher Kunst“ im Jahr 1901 auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Sie wurde von Großherzog Ernst Ludwig initiiert und gilt als ein Meilenstein des deutschen Jugendstils.[2]
- In Leipzig fand im Jahr 1913 die Internationale Baufachausstellung auf dem heutigen alten Messegelände statt. Von den umfangreichen Ausstellungsbauten ist auf dem Ausstellungsgelände lediglich eine nach Entwurf von Wilhelm Kreis errichtete Halle erhalten, die heute als Eventpalast bekannt ist, sowie die als Referenzobjekte von neun Architekten errichteten Wohnbauten in der benachbarten Gartenvorstadt Marienbrunn.
- In Stuttgart entstand 1927 als Bauausstellung des Deutschen Werkbunds die Weissenhofsiedlung. Unter der künstlerischen Leitung von Ludwig Mies van der Rohe entstanden 21 Musterhäuser als Wohnprogramm für den modernen Großstadtmenschen. Mit dem Titel „Die Wohnung“ wurden 1927 erstmals national und international die vom Deutschen Werkbund geforderten und geförderten neuen Formen des Wohnens beispielhaft vorgeführt. An der Ausstellung waren 17 Architekten beteiligt, darunter Le Corbusier, Walter Gropius und Hans Scharoun.
- Die 1956 begonnene Internationale Bauausstellung Ruhr City wurde 1973 vorzeitig abgebrochen.
- In West-Berlin fand 1957 die Interbau mit dem Schwerpunkt „Wiederaufbau des Hansaviertels“ statt.
- Durch einen Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses im Jahre 1978 wurde die Internationale Bauausstellung 1984 auf den Weg gebracht, die später – infolge ihrer zeitlichen Ausdehnung – noch den Zusatz 1987 erhielt. Ab 1979 radikalisierte sich der Widerstand gegen die Flächensanierung, sodass zwei Projektgruppen gebildet wurden: Eine IBA-Neubau und eine IBA-Altbau sollten sich zur Stadterneuerung in Berlin mit den Themen „Kritische Rekonstruktion“ und „Behutsame Stadterneuerung“ auseinandersetzen. Die an Brisanz und Umfang gewinnende Veranstaltung firmierte somit als Internationale Bauausstellung 1984/87.[3]
- Ein weltweit herausragendes Beispiel war die von 1989 bis 1999 als Zukunftsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen angelegte Internationale Bauausstellung Emscher Park. Die gesamte Region der Schwerindustrie zwischen Duisburg und Dortmund, mit vielen oftmals mit Giftstoffen kontaminierten Brachflächen, wurde in eine neuzeitliche Wohn-, Kultur- und Freizeitlandschaft mit ökologischem Anspruch umgewandelt.
- Die Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land (2000–2010) hatte das Leitthema „Landschaft“. In der Lausitz werden im Rahmen der Braunkohlegewinnung und Landschaftssanierung Millionen Kubikmeter Erde bewegt und neue Seen geschaffen. Wo sich einst das Energiezentrum der DDR befand, ist heute die größte Landschaftsbaustelle Europas. Teil dieses Wandlungsprozesses sind Industriebauten, Bergbaugeräte, Werkssiedlungen und großflächige Industrieareale, für die neue Bestimmungen zu finden sind.
- Die „Internationale Bouwtentoonstelling Rotterdam Hoogvliet“ thematisierte im Zeitraum 2001–2007 die städtebauliche und soziale Erneuerung einer Trabantenstadt der sechziger Jahre in der Industrieregion der Hafenstadt Rotterdam.
- Mit der Internationalen Bauausstellung Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010 (2003–2010) versuchte die Landesregierung Sachsen-Anhalts in Zusammenarbeit mit der Stiftung Bauhaus Dessau und der Landesentwicklungsgesellschaft SALEG, unter dem Leitthema „Neue Perspektiven für Städte im Umbruch“ dauerhaft eine leistungsfähige und günstige Infrastruktur in insgesamt 19 sachsen-anhaltischen Städten zu verwirklichen, deren Probleme häufig hohe Arbeitslosigkeit, Wegzug und Suburbanisierung sind. Die IBA Stadtumbau 2010 beschäftigte sich dabei insbesondere mit dem Phänomen der schrumpfenden Städte.
- Die IBA Hamburg (2006–2013) thematisierte mit dem „Sprung über die Elbe“ das Zusammenwachsen des nördlichen und südlichen Teils von Hamburg. Der Fokus lag daher auf den Elbinseln mit den Stadtteilen Hamburg-Veddel und Hamburg-Wilhelmsburg sowie dem Harburger Binnenhafen in Hamburg-Harburg. Die IBA-Projekte wurden unter den drei Leitthemen Metrozonen, Stadt im Klimawandel und Kosmopolis realisiert.[4]
- Mit der IBA Basel 2020 (2010–2021) hatte sich die trinationale Stadtregion Basel auf der Schweizer Seite des Dreiländerecks Deutschland-Frankreich-Schweiz die Aufgabe gestellt, durch grenzüberschreitende Projekte die gemeinsame Entwicklung der Region aktiv zu gestalten.[4]
- Unter dem Motto Wissen schafft Stadt fand von 2012 bis 2022 die IBA Heidelberg statt.[5]
- Unter dem Motto IBA Open hat die niederländische Städteregion Parkstad Limburg im Jahr 2012 eine IBA Parkstad gegründet. Bis 2020 wurde sie die erste IBA, die in den Niederlanden stattfand.[6]
- 2011 beschloss die Landesregierung von Thüringen, ebenfalls eine Internationale Bauausstellung durchzuführen: Die IBA Thüringen soll in zehn Jahren innovative Antworten auf zentrale Zukunftsfragen in dem deutschen Bundesland entwickeln. Die Leitthemen der IBA Thüringen sind die großen Herausforderungen der Energiewende und des demografischen Wandels sowie sozio-kulturelle und finanzielle Veränderungsprozesse in ihren baulichen und landschaftlichen Auswirkungen. In diesem inhaltlichen Kontext will die IBA Thüringen modellhafte Lösungsansätze entwickeln und Projekte umsetzen, die Maßstäbe für ein zukunftsfähiges Handeln setzen. Meilensteine der IBA Thüringen sollen ihre Präsentationsjahre 2019 und 2023 sein. Am 6. Mai 2014 startete die IBA Thüringen mit ihrem ersten Projektaufruf 'Zukunft StadtLand!' in die Projektarbeit.[7]
- Die IBA Wien 2022[8] wurde 2016 von der Stadt Wien ausgerufen. Mit dem Fokus auf „Neues soziales Wohnen“ werden in ausgewählten Gebieten der Stadterweiterung sowie der Bestandstadt neue Modelle und Herangehensweisen erprobt. Nachhaltige Quartiersentwicklung, Leistbarkeit und neue Wohnformen sind die Themen, die in Zusammenhang mit sozialem Wohnen der Zukunft diskutiert und erprobt werden.[9] Im Herbst 2020 fand die Ausstellung zum Zwischenstand der IBA Wien statt.[10]
- Die Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27) stellt sich bis 2027 die Frage: Wie wollen wir leben? Fünf Themen und Räume stehen in Stuttgart im Fokus: die produktive Stadt, die Zukunft der Zentren, Orte der Bewegung und Begegnung, der Neckar als Lebensraum und das Erbe der Moderne.[11]
- Die „IBA Metropolregion München - Räume der Mobilität“ soll ab 2022 im 10-jährigen Innovationsprozess Projekte zum Thema Mobilitätswende in den Fokus stellen, Kommunen, Zivilgesellschaft und Forschung verbinden und die interkommunale Zusammenarbeit stärken. Die IBA-Gesellschaft befindet sich derzeit in Gründung und sieht eine direkte Beteiligung der Kommunen vor, es soll aber auch eine indirekte Beteiligung über den EMM e. V. möglich sein.[12]
Geplante, aber nicht durchgeführte Ausstellungen
Bearbeiten- IBA Berlin 2020: insbesondere mit Blick auf Freiflächen und Brachen wie den ehemaligen Flughafen Tempelhof und den damals voraussichtlich 2013 schließenden Flughafen Tegel wurde eine dritte IBA in Berlin geplant.[13][14]
Ende Mai 2011 lag das vertieft diskutierte und ausgearbeitete Prae-IBA-Konzept vor, als Grundlage für die politische Entscheidung des im Herbst 2011 neu gewählten Senats darüber, ob Berlin tatsächlich eine IBA Berlin 2020 durchführen will.[15]
Nach Diskussionen, auch über andere Standorte als ursprünglich vorgesehen (Widerstände gegen Tempelhof-Bauten), hat im Juni 2013 der Senat aus Kostengründen die IBA Berlin 2020 abgesagt.[16]
Filmografie
Bearbeiten- Vom Mars zum Seenland, IBA Fürst-Pückler-Land, Dokumentation, Produktion: Wolfgang Albus i. A. des RBB, Erstausstrahlung: 25. August 2010, 45 min.
- IBA Hamburg Projektfilm 2013, IBA Hamburg, Dokumentation, Produktion: Kooperative Berlin i. A. der IBA Hamburg, online seit: 25. März 2014, 10:22 min.
Literatur (Auswahl)
Bearbeiten- Bärbel Rechenbach: Vom Bergmann zum Seemann – Die Lausitz wandelt sich vom Tagebauland zur Kulturlandschaft. Tiefbau 5/2007, S. 276–284.
- IBA Hamburg – Entwürfe für die Zukunft der Metropole
- Band 1: Metropole: Reflexion, Jovis Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-939633-90-7.
- Band 2: Metropole: Ressourcen, Jovis Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-939633-91-4.
- Band 3: Metropole: Bilden, Jovis Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86859-070-8.
- Band 4: Metropole: Metrozonen, Jovis Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86859-071-5.
- Band 5: Metropole: Kosmopolis, Jovis Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-86859-075-3.
- Band 6: Metropole: Zivilgesellschaft, Jovis Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86859-220-7.
- Band 7: Metropole: Stadt neu bauen, Jovis Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-86859-221-4.
- Sally Below, Moritz Henning, Heike Oevermann: Die Berliner Bauausstellungen – Wegweiser in die Zukunft? Regioverlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-929273-72-4.
- Zur Zukunft Internationaler Bauausstellungen, Netzwerk IBA meets IBA, IBA Hamburg (Hrsg.) Jovis Verlag, 2010, ISBN 978-3-86859-073-9.
- IBA Berlin 2020 – Dokumentation der Vorarbeiten, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (stadtentwicklung.berlin.de)
- Symposien:
- Werkstattgespräche:
- IBA-Werkstattgespräch 15. Mai 2013: Mehr Stadt in der Stadt – ist Urbanität planbar? (online [PDF]).
- IBA-Werkstattgespräch 5. März 2013: Eigeninitiative statt Wohnungssuche - Gemeinschaftsmodelle im Wohnungsbau. (online [PDF]).
- IBA-Werkstattgespräch 22. Januar 2013: Mut zur Masse - serieller Wohnungsbau als Konzept der Zukunft? (online [PDF]).
- IBA-Werkstattgespräch 6. November 2012: Stadt.Quartier.Energie. (online [PDF]).
- IBA-Werkstattgespräch 11. September 2012: Verdichten?! Umgang mit städtischem Raum. (online [PDF]).
- Studien:
- IBA-Studie Nr. 1: Besondere Wohnformen. (online [PDF]).
- IBA-Studie Nr. 2: Quartiersbezogene Energiekonzepte und -bilanzen. (online [PDF]).
- IBA-Studie Nr. 3: Serieller Wohnungsbau – Standardisierung der Vielfalt. (online [PDF]).
- IBA-Studie Nr. 4: Urbane Lebenswelten. Strategien zur Entwicklung großer Siedlungen. (online [PDF]).
- IBA-Studie Nr. 5: Das Leitbild von der „Urbanen Mischung“. (online [PDF]).
- IBA-Studie Nr. 6: Energetische Perspektive denkmalgeschützter Wohnungsbauten. (online [PDF]).
- IBA-Studie Nr. 7: Wohnungsbau und öffentliche Förderung. (online [PDF]).
- IBA-Studie Nr. 8: Gemeinschaftliche Organisations- und Finanzierungsmodelle im Wohnungsbau. (online [PDF]).
- Neues soziales Wohnen Positionen zur IBA_Wien 2022, Jovis Verlag, Wien 2020, ISBN 978-3-86859-619-9
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Online: Alles Wissenswerte zu Internationalen Bauausstellungen. In: baulinks. 11. Dezember 2016, abgerufen am 25. Januar 2022.
- ↑ Website des M:AI Museum für Architekturkunst NRW ( vom 9. Februar 2010 im Internet Archive)
- ↑ Gutachten im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, 2010 (pdf). (Abruf am 8. September 2019).
- ↑ a b iba-basel.net
- ↑ ww1.heidelberg.de
- ↑ iba-parkstad.nl
- ↑ iba-thueringen.de
- ↑ IBA_Wien 2022
- ↑ Leitthemen | IBA_Wien - Neues soziales Wohnen. Abgerufen am 9. Juli 2020 (deutsch).
- ↑ BauNetz: Buchtipp: Du, glückliches Österreich - Neues soziales Wohnen. Positionen zur IBA_Wien 2022. 6. Mai 2020, abgerufen am 9. Juli 2020.
- ↑ Themen und Räume. In: IBA27.de. Abgerufen am 26. Januar 2021.
- ↑ IBA Metropolregion München. In: metropolregion-muenchen.eu. Abgerufen am 24. Februar 2023.
- ↑ Berlin baut in die Zukunft, Taz vom 17. Januar 2010
- ↑ IBA Berlin 2020 / Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin ( vom 13. September 2012 im Webarchiv archive.today)
- ↑ IBA Berlin 2020 – Von der Idee zum Konzept, Web der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin (stadtentwicklung.berlin.de)
- ↑ IBA Berlin 2020 auf stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/baukultur/iba/
Weblinks
Bearbeiten- Open IBA Website zu Geschichte und Format Internationaler Bauausstellungen
- Internationale Bauausstellungen verändern die neuen Länder ( vom 6. Februar 2007 im Internet Archive). Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.
- Forschungsinitiative IBA 87
- Internationale Bauausstellungen. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, abgerufen am 27. Juli 2021.