Iryna Farion

ukrainische Philologin und Politikerin (1964–2024)

Iryna Dmytriwna Farion (ukrainisch Ірина Дмитрівна Фаріон; * 29. April 1964 in Lwiw; † 19. Juli 2024 ebenda)[1] war eine ukrainische Philologin und nationalistische Politikerin (Swoboda). Von 2012 bis 2014 war sie Abgeordnete des Nationalparlaments Werchowna Rada.[2] Am 19. Juli 2024 starb sie durch einen Mordanschlag.

Iryna Farion (2015)

Biografie

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Laut Dokumenten, die im November 2013 in den Archiven des Regionalrats der Oblast Lwiw gefunden wurden, war Farion ab September 1978 Mitglied des Komsomol und ab März 1987 Mitglied der KPdSU. Farion selbst bestritt die Mitgliedschaft in dieser Partei mehrfach.[3] 1987 schloss sie ihr Philologie-Studium an der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw ab. Sie arbeitete bis 1996 als Laborantin am Institut für allgemeine Sprachwissenschaft in Lwiw. Ab 1996 war sie Assistenzprofessorin für ukrainische Sprache an der Nationalen Polytechnischen Universität Lwiw.[1]

Ab 2005 war sie Mitglied der rechtsradikalen Partei Allukrainische Vereinigung „Swoboda“. Von 2006 bis 2012 war sie Mitglied des Regionalrats der Oblast Lwiw.[1] Bei der Parlamentswahl in der Ukraine 2012 wurde sie als Abgeordnete in die Werchowna Rada gewählt[4] und dort zur Leiterin des parlamentarischen Subkomitees für höhere Bildung ernannt.[1] Sie hatte dieses Amt bis zur Parlamentswahl in der Ukraine 2014 inne.[2]

Im November 2023 meldete der auf der von Russland annektierten Krim lebende pro-russische Blogger Alexander Talipow auf seinem Telegram-Kanal, dass Farion auf ihrem Telegram-Kanal einen Screenshot eines an sie gerichteten Fanbriefs eines auf der Krim lebenden ukrainischen Studenten veröffentlicht habe. Darauf waren dessen vollständiger Name, sein Wohnort und der Name der Fakultät, die er besuchte, zu sehen. Talipow veröffentlichte außerdem ein Bild des Studentenausweises des Ukrainers und ein Video, in dem er vom FSB verhört wurde. Es ist nicht bekannt, ob er direkt nach Farions Veröffentlichung verhaftet wurde. Tamila Taschewa, die Vertreterin des ukrainischen Präsidenten in der Autonomen Republik Krim, kündigte rechtliche Schritte gegen Farion an. Farion bestritt die Schuld an der Verhaftung des Studenten, da sie laut ihrer eigenen Aussage keine Möglichkeit habe, zu wissen, woher die Menschen kommen, die ihr Briefe schicken.[5][6][7]

Mordanschlag und Tod

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Am Abend des 19. Juli 2024 wurde auf Iryna Farion ein Mordanschlag verübt. Auf dem Weg nach Hause wurde sie von einem Unbekannten überrascht, aus nächster Nähe in die Schläfe geschossen.[8] Kurz danach wurde sie in einem „kritischen Zustand“ ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie trotz der dort erfolgten Behandlung starb.[9][10]

Farions Leichnam wurde am 22. Juli 2024 nach einem Requiem in der griechisch-katholischen Garnisonkirche St. Peter-und-Paul auf dem Lytschakywskyj-Friedhof in Lwiw beigesetzt. Dem von Soldaten getragenen Sarg folgten tausende Menschen in einem Trauerzug.[11][12]

Ende Juli 2024 nahm die Polizei einen 18-jährigen Mann aus der südostukrainischen Großstadt Dnipro als Tatverdächtigen fest, der unter anderem drei Wohnung in Lemberg angemietet haben soll.[13][14] Der stellvertretender Leiter der Nationalpolizei der Ukraine, Andrii Niebytov, sagte, dass der Verdächtige eine „absolut proukrainische Person“ sei. Und führte aus: „Sein Vater kämpft in einer Brigade. Er liebt die Ukraine und glaubt, das Richtige getan zu haben. Er glaubt, die ukrainische Gesellschaft sollte nicht gespalten werden. Er hatte seine eigenen Motive.“[15]

Ansichten

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Iryna Farion bei den Bandera-Lesungen (Бандерівські читання), 2015

Farion setzte sich für den Erhalt der ukrainischen Sprache als einzige Amtssprache des Landes ein. Am 15. Februar 2010 warf sie dem neu gewählten Präsidenten Wiktor Janukowytsch in einem offenen Brief vor, Angriffe auf die ukrainische Sprache, die ihrer Meinung nach ein entscheidendes Merkmal der Nation ist, zu führen, und warnte ihn vor seiner „bilingualen, Moskau dienenden“ Politik.[16] Im selben Monat machte sie landesweit Schlagzeilen, als sie am Tag der Muttersprache in einem Kindergarten in Lwiw einen Vortrag vor Kindern und ihren Eltern hielt. Dabei kritisierte sie die Verwendung russischer Varianten von Kosenamen für Kinder und empfahl Kindern, die sich selbst mit einem russischen Namen benennen, nach Russland umzuziehen („Soll die Mascha dahin fahren, wo die Maschas leben“). Dieser Vorfall löste bei Eltern, Psychologen und Politikern Empörung aus. Einige Eltern zeigten Farion dafür vor Gericht an.[17][18][19] Im Juni 2010 schlug Farion ein Gesetz vor, das erlauben sollte, alle Bewohner der Ukraine, die sich weigern, die ukrainische Sprache zu lernen, strafrechtlich belangen zu können. Außerdem bezeichnete sie Russisch als die „Sprache der Besetzer“ und bezeichnete die 14 % der ukrainischen Bevölkerung, die Russisch als ihre Muttersprache angeben, als „Degenerierte“, die „gerettet“ werden müssen.[20] Sie forderte, „dass diese fünf Millionen Menschen, die sich als Ukrainer ausgeben, aber unsere Sprache nicht sprechen, für sechs Monate ins Gefängnis [zu] schicken“ seien.[21]

Farion hielt Homosexualität für eine Krankheit, die geheilt werden müsse; betroffene Personen sollten sich einer Therapie unterziehen, sagte sie im Mai 2013.[22]

Nach dem Mord an Oles Busyna im Jahr 2015 nannte sie ihn „Degenerierter“ und „Teufelsmissgeburt“.[23]

Am 20. Dezember 2016 bedankte sie sich öffentlich auf ihrer Facebookseite beim Mörder des russischen Diplomaten Andrei Karlow.[24]

Im Jahr 2020 kritisierte Iryna Farion den ehemaligen ukrainischen Übergangspräsidenten Oleksandr Turtschynow scharf:

„Prinzipien haben nichts mit Prinzipienlosigkeit zu tun. Loyale Menschen mit Verrätern. Anständige Leute mit gemeinen. Nationalisten mit Fäulnis. Geh zur Hölle, Pastor, zusammen mit deinem Poroschenko.“[25]

Im Jahr 2023 bezeichnete Farion die Belagerung von MariupolKarma“ für die Bewohner der Stadt.[26][27]

Privates

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Farion war mit Ostap Romanowitsch Semtschischin (Остап Романович Семчишин) verheiratet und hatte eine Tochter.[1]

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Commons: Iryna Farion – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Фарион Ирина Дмитриевна. In: file.liga.net. 19. Juli 2024, abgerufen am 20. Juli 2024 (russisch).
  2. a b Фаріон Ірина. In: Блоги – Українська правда. Abgerufen am 20. Juli 2024 (ua).
  3. "Свободівка" Фаріон таки була членом КПРС. Ukrajinska Prawda. 19. November 2013. Abgerufen am 1. September 2014.
  4. Фаріон Ірина Дмитрівна. Werchowna Rada (Webseite). Abgerufen am 1. September 2014.
  5. В Крыму силовики РФ задержали проукраинского студента, Талипов утверждает, что после публикаций Фарион. In: ru.krymr.com. 13. November 2023, abgerufen am 14. November 2023.
  6. У Зеленского хотят привлечь к ответственности Фарион после задержания студента в Крыму. In: ru.krymr.com. 13. November 2023, abgerufen am 14. November 2023.
  7. Фарион отреагировала на критику из-за задержали студента в Крыму. In: ru.krymr.com. 13. November 2023, abgerufen am 14. November 2023.
  8. Rechtsnationale Politikerin Iryna Farion in Lviv erschossen. Abgerufen am 22. Juli 2024 (österreichisches Deutsch).
  9. Birte Bredow: Nationalistische Politikerin Farion durch Schuss getötet. In: spiegel.de. 20. Juli 2024, abgerufen am 20. Juli 2024.
  10. Valeriia Semeniuk: Mordanschlag in Lwiw: Bekannte rechtsnationalistische Politikerin in Westukraine durch Kopfschuss getötet. In: tagesspiegel.de. 20. Juli 2024, abgerufen am 20. Juli 2024.
  11. Ermordete Politikerin Farion in Lwiw beigesetzt. 22. Juli 2024, abgerufen am 24. Juli 2024.
  12. Funeral service for murdered professor Iryna Farion begins in Lviv – photos. Abgerufen am 24. Juli 2024 (englisch).
  13. Ukraine’s National Police on suspect in professor Iryna Farion’s murder: “He loves Ukraine and thinks he did the right thing”. Abgerufen am 8. September 2024 (englisch).
  14. Im Mordfall von Iryna Farion: Ukraine meldet Festnahme eines 18-jährigen Verdächtigen. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 8. September 2024]).
  15. Ukraine’s National Police on suspect in professor Iryna Farion’s murder: “He loves Ukraine and thinks he did the right thing”. Abgerufen am 8. September 2024 (englisch).
  16. Відкритий лист Ірини Фаріон Вікторові Януковичу. svoboda.org.ua. 15. Februar 2010. Abgerufen am 1. September 2014.
  17. Во Львове Машам посоветовали "ехать туда, где Маши живут". korrespondent.net. 22. Februar 2010. Abgerufen am 1. September 2014.
  18. Rechtsextreme spielen Putin in die Hände. Mittelbayerische Zeitung. 23. März 2014. Abgerufen am 1. September 2014.
  19. Ирина Фарион. obozrevatel.com. Abgerufen am 1. September 2014.
  20. Фарион предлагает посадить в тюрьму 5 млн "дегенератов, которые не говорят на украинском языке". korrespondent.net. 5. Juni 2010. Abgerufen am 1. September 2014.
  21. Rising Ukrainian Nationalist Party Denies It Is anti-Semitic – Haaretz
  22. LGBT Rights: The 2013 ‘Hall of Shame’, 17. Mai 2013.
  23. Ірина Фаріон: Вбито дегенерата Бузину. 16. April 2015, abgerufen am 16. April 2015 (ua): „Вбито дегенерата Бузину. Можливо, ця нагла смерть хоч якось нейтралізує багнюку, розлиту тим покидьком. Таких не переконують. Такі приходять у світ, аби ми очищувалися від ментального намулу і творили духовну вертикаль. Такі йдуть у каналізацію історії. Їхні прізвища згодом деантропонімізуються. Хоч у цьому випадку ця деантропонімізація була від початку. Бузина – чортяче поріддя. Морок йому і забуття.“
  24. Фаріон зраділа вбивству російського посла. segodnya.ua, 20. Dezember 2016.
  25. Фаріон до Турчинова: „Принципи не мають справи з безпринципністю...Іди до чорта лисого, пастор“. Abgerufen am 30. April 2023 (ukrainisch).
  26. Життя і скандали Ірини Фаріон. In: bbc.com.ukraine. 14. November 2023, abgerufen am 23. Juli 2024 (ukrainisch).
  27. Ольга Липич: Высмеивала русскоязычных и скандалила с военными: что известно об Ирине Фарион, которую застрелили во Львове. In: news.obozrevatel.com. 19. Juli 2024, abgerufen am 23. Juli 2024 (russisch).