Jürgen Friedrich Mahrt

Fotograf und Naturkundler

Jürgen Friedrich Mahrt (* 8. Mai 1882 in Elsdorf; † 28. September 1940 in Rendsburg) war ein deutscher Landwirt, Naturkundler und Fotograf.

 
Jürgen F. Mahrt in Elsdorf

Jürgen Mahrt wuchs in seinem Geburtsort als Sohn des Landwirts Hinrich Mahrt und Anna Elsabe geb. Jewe auf. Schon als Kind beschäftigte er sich intensiv mit Pflanzen und Tieren, frühe Skizzen aus seinen Malbüchern zeigen „künstlerisches Talent und genaue Naturbetrachtung.“ Die Kindheit und Jugend auf dem Bauernhof war für ihn positive Prägung und Belastung zugleich: Zum einen lernte er die Natur im Wechsel der Jahreszeiten und die Vielfalt landwirtschaftlicher Arbeiten kennen, „zum anderen wurden ihm bald die Widersprüchlichkeiten zwischen den Pflichten auf einem traditionsreichen Familienbetrieb und seinen wissenschaftlichen Neigungen bewusst.“[1] Um 1900 begann er mit dem Aufbau einer naturkundlichen Sammlung, sammelte Wanzen[2] Käfer, Raupen, Schmetterlinge. Er bildete sich zum Präparator aus und präparierte heimische Brut- und Zugvögel.[1][3] 1903 heiratete er Margarete Karstens. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Mahrt übernahm 1912 von seinem Vater den landwirtschaftlichen Betrieb.

Im Ersten Weltkrieg diente Mahrt als Soldat in der 187. Infanterie-Division und in der Luftaufklärung über der Westfront. Dort erlernte er das fotografische Handwerk. Nach der Rückkehr aus dem Krieg 1919 kaufte er sich eine Glasplattenkamera und begann, fotografische Sammlungen von Pilzen, Insekten, Schmetterlingen, Pflanzen und Vögeln anzulegen. Die Schwarzweiß-Fotos kolorierte er mit Eiweißlasurfarben.[4]

Er war Mitglied der Deutschen Ornithologen Gesellschaft und des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck.[5] Von 1919 bis 1931 führte er ein naturkundliches Tagebuch, in dem er Beobachtungen der Tier- und Pflanzenwelt festhielt, dies vor dem Hintergrund der immer stärkeren Eingriffe des Menschen in die Natur.[6] Mahrt hat wissenschaftlich nicht selbst publiziert, machte sich aber durch seine Sammlungen, die von Fachleuten beschrieben wurden, einen Namen[7]. Er war in Fachkreisen weit über das Land hinaus bekannt.[8] In den 20er Jahren[9] eröffnete er ein naturkundliches Museum in Elsdorf[10], in dem er Dutzende kleinere Dioramen mit seinen Vogelpräparaten ausstellte, Groß-Dioramen zu den Themen „Meer und Küste“, „Moor und Heide“, Winter und „Fluss und Sumpf“ einrichtete und seine umfangreichen Sammlungen und Naturfotografien ausstellte. 1927 übergab er den landwirtschaftlichen Betrieb an seinen Sohn und widmete sich fortan ganz seinen Interessen.

Er weitete seine Motivsuche auf die Menschen und deren Lebensrealität der Nachkriegszeit aus – fotografierte die Arbeiter des Landlebens, Alltag und Feierabend dieser Zeit, das harte Leben der Moor- und Katenbewohner, Hausformen, Landschaftsformen. Er war Protagonist der aufkommenden Laienfotografiebewegung und orientierte sich zunächst an den Bildern von Theodor Möller, adaptierte aber zunehmend einen eigenen beobachtend-dokumentarischen Stil, fotografierte oft auch in Serien. Als einer der Ersten in Schleswig-Holstein nahm er einfache Alltagsszenen von der Feldarbeit oder vom Marktgeschehen in der Stadt auf.[8][11] Er fotografierte u. a. mit einer 6×6 Rolleiflex, ab Mitte der 1930er Jahre auch in Farbe mit einer Rollfilmkamera von Leica. In den 1920er und 1930er Jahren fuhr Mahrt mit dem Fahrrad durch weite Gebiete des Deutschen Reichs bis in die Schweiz. Er widmete sich auf diesen Reisen insbesondere der Stadtarchitektur- und Landschaftsfotografie. Die Fotos konnte er nicht mehr veröffentlichen. 1940 starb Mahrt an den Folgen einer Gallenoperation. Sein Museum existierte bis 1966 in Elsdorf, dann siedelte es nach Büsum um, wo es bis 1990 zugänglich war.[4]

Nachlass und Neuentdeckung

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Mitte der 1980er Jahre entdeckte Mahrts Enkel Hans-Hermann Storm den in Vergessenheit geratenen Fotonachlass auf dem Dachboden des ehemaligen Museumsgebäudes und begann, die Fotos in mehreren volkskundlich ausgerichteten Bildbänden über das Landleben des frühen 20. Jahrhunderts zu veröffentlichen. Durch seine Bücher wurden Mahrts Fotos erstmals einer weiteren Öffentlichkeit bekannt.

Dokumentarfilm

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Im Sommer 2023 kam der preisgekrönte Dokumentarfilm „Die toten Vögel sind oben“[12][13] ins Kino, in dem Mahrts Urenkelin Sönje Storm den naturkundlichen Nachlass öffnet und Leben und Zeit ihres Urgroßvaters nachspürt. Der Film gewann u. a. beim Filmfestival DOKLeipzig im Deutschen Wettbewerb die „Goldene Taube“[14] und war für den Preis der deutschen Filmkritik 2023 nominiert.

Publikationen

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  • Hans-Hermann Storm: Damals auf dem Lande – Erinnerungen in Wort und Bild. [Sämtl. Bilder wurden von Jürgen Friedrich Mahrt aufgenommen]. Band 1. Rendsburg 1985.
  • Hans-Hermann Storm: Das Leben auf dem Lande. So war es damals. Erinnerungen in Wort und Bild. Bände 2–6. Hamburg 1986–1995.
  • Hans-Hermann Storm: Vör de Klöndör. / Mit Bildern von Jürgen F. Mahrt. Hamburg 1997.

Literatur

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  • Hans Möller: Jürgen Mahrt, Elsdorf †. In: Die Heimat. Monatsschrift für schleswig-holsteinische Heimatforschung und Volkstumspflege. Bd. 50 (1940), Heft 11, November 1940, S. 182–184 (Digitalisat).
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Commons: Jürgen Friedrich Mahrt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Heinrich Mehl: Volkskundler mit der Kamera (II): Jürgen Friedrich Mahrt. In: Schleswig-Holstein 5/2001, S. 1.
  2. Hans Heinrich Weber: Seltene Wanzen und Käfer in der Sammlung Jürgen Mahrt in Elsdorf (Kreis Rendsburg). In: Mitteilungen der Faunistischen Arbeitsgemeinschaft für Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck. Neue Folge - Nr. 10 u. 11 Oktober/November 1948 (1949). Neue Folge II, Nr. 1/2 Jan.–Febr. 49.
  3. (Unbekannt). Es gibt doch noch weiße Raben bei uns! Ein Bauer sammelte Tiere seiner Heimat und schuf ein Museum. In: Hamburger Freie Presse v. 29. Juni 1951, S. 3
  4. a b Annemarie Schmidt: Das Elsdorfer Vogelmuseum. In: Die Heimat. Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg. 74. Jahrgang, 1967 (Kiel), Seiten 242–243.
  5. E. Wagner und Hans Heinrich Weber. Die Heteropterenfauna Nordwestdeutschlands. Wo befinden sich größere Heimatsammlungen? In: Schriften des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schleswig-Holstein 1967, Band 37, S. 30
  6. Peter Gloe: Ornithologisches Tagebuch - Jürg. Fried. Mahrt - 1919 - 1931 - und seine naturkundliche Sammlung. In: CORAX 1990 (Zeitschrift der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holstein und Hamburg), Band 14, Seiten 3–67.
  7. Georg Warnecke: Seltene Schmetterlinge von Elsdorf (Kreis Rendsburg) in der Sammlung Jürgen Mahrt in Elsdorf. In: Mitteilungen der faunistischen Arbeitsgemeinschaft Schleswig -Holstein, Hamburg, Lübeck, N. F. 2 (1): 9—11, Hamburg 1949 (24 Arten).
  8. a b Heinrich Mehl: Volkskundler mit der Kamera (II): Jürgen Friedrich Mahrt. In: Schleswig-Holstein 5/2001, S. 4
  9. Rolf K. Berndt: Mahrt, Jürgen Friedrich (1882-1940). In: Geschichte der Feldornithologie in Schleswig-Holstein und Hamburg. Kiel 2015, S. 329.
  10. Die Mahrt´sche Sammlung in Elsdorf. In: Der Kreis Rendsburg. Hrsg. i. A. Kreisausschusses. Kunstdruck- und Verlagsbüro Kiel 1931, S. 31–33.
  11. Wolf-Hinrich Groeneveld: So weer dat fröher. In: Photo Antiquaria. Hrsg. von Club Daguerre. Vereinigung zur Pflege der historischen Aspekte der Photographie. Nr. 118, 3/2014, S. 10–17.
  12. Die toten Vögel sind oben. In: Film-Homepage. Abgerufen am 9. Mai 2024.
  13. Die toten Vögel sind oben. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 8. Mai 2024.
  14. Die toten Vögel sind oben. In: DOK Leipzig Filmfestival. Abgerufen am 8. Mai 2024.