Jahrtausendwinter von 1708/1709

außergewöhnlich kalter Winter in Europa

Der Jahrtausendwinter von 1708/1709 war ein außergewöhnlich kalter Winter in Europa von Ende 1708 bis zum Frühjahr 1709. Der Winter traf selbst Länder mit in der Regel milden Wintern wie Portugal oder Italien. Der Winter gilt als der kälteste der vergangenen 500 Jahre.[1] Die anhaltende Kälte verursachte im Folgejahr Missernten, Teuerung und Hungersnot in vielen Teilen Europas.[2]

Le lagon gelé en 1708, von Gabriele Bella: Die gefrorene Lagune in Venedig im Winter 1708

Entstehung

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Temperaturanomalie Winter 1708/1709

Als Hauptursache wird eine stark negative Phase der Nordatlantischen Oszillation (NAO) vermutet.[1] Der Winter fiel zudem in eine Zeit niedriger Temperaturen auf der Nordhalbkugel der Erde, die Kleine Eiszeit, die von diversen Faktoren, darunter vulkanischer Aktivität, verursacht wurde.[3] Auch verringerte Sonnenaktivität – die Sonne befand sich von 1645 bis 1715 im Maunder-Minimum und zeigte wenig Sonnenflecken – könnte über eine etwas geringere Strahlungsleistung begrenzt beigetragen haben.[4][5] Ein regionaler Einfluss der solaren Aktivität auf die NAO wird aber für möglich gehalten.[6]

Im Englischen ist die Bezeichnung Great Frost, zu deutsch der Große Frost, prägend für dieses Ereignis geworden, im Französischen ist der Begriff unter Grand Hiver, zu deutsch der Große Winter in die Geschichtsschreibung eingegangen.[7]

Auswirkungen

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Frankreich wurde besonders stark vom Winter getroffen. Die anschließende Hungersnot aufgrund der ausgefallenen Ernteerträge verursachte geschätzt 600.000 Hungertote bis Ende 1710.[8]

Die letzte Frostnacht soll im Trierer Raum am 7. Juli gewesen sein. Die anschließende Dürre führte dort zu einer Hungersnot. Der Gardasee fror im Winter 1708/09 erstmals komplett zu. Der Bodensee fror größtenteils zu. Auch aus anderen Regionen Europas wird von einem schweren Winter berichtet. Anhand von Berichten vom Versailler Hof ist bekannt, dass selbst an der königlichen Tafel das Wasser gefror.

Der Winter von 1708/09 wirkte sich auch für die schwedische Armee auf ihrem Russlandfeldzug in der Ukraine verheerend aus. Die Kälte sorgte für plötzlich eintretende Winterstürme und tiefe Fröste im schwedischen Armeelager. Tausende Soldaten starben, die meisten während der Winteroffensive. Allein in der schlimmsten Kältenacht sollen 2000 Schweden erfroren sein. Die russischen Truppen waren auf das harte Klima besser eingestellt, verließen nicht ihre Lager und erlitten dadurch weniger Kälteverluste.

Sonstiges

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Der Jahrtausendwinter inspirierte den Schotten Al Stewart zu dem Song The Coldest Winter in Memory.[9]

Siehe auch

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Literatur

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  • Hans von Rudloff: Die Schwankungen und Pendelungen des Klimas in Europa seit dem Beginn der regelmäßigen Instrumenten-Beobachtungen (1670). Mit einem Beitrag über die Klimaschwankungen in historischer Zeit von Hermann Flohn. Die Wissenschaft, Band 122, Vieweg, Braunschweig 1967; Reprint bei Vieweg & Teubner, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-663-06128-1, S. 121–125; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  • Walter Lenke: Untersuchung der ältesten Temperaturmessungen mit Hilfe des strengen Winters 1708–1709, Berichte des Deutschen Wetterdienstes, > Band 13, Nr. 92, Offenbach a. M. (1964), Digitalisat

Einzelnachweise

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  1. a b Jürg Luterbacher, Daniel Dietrich, Elena Xoplaki, Martin Grosjean und Heinz Wanner: European Seasonal and Annual Temperature Variability, Trends, and Extremes Since 1500. In: Science. Ausg. 303, 2004, S. 1499–1503.
  2. Walter Lenke: Untersuchung der ältesten Temperaturmessungen mit Hilfe des strengen Winters 1708–1709. (Memento des Originals vom 22. April 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.met.fu-berlin.de Berichte des Deutschen Wetterdienstes, Nr. 92, Offenbach am Main 1964.
  3. Mathew J. Owens, Mike Lockwood, Ed Hawkins, Ilya Usoskin, Gareth S. Jones, Luke Barnard, Andrew Schurer und John Fasullo: The Maunder Minimum and the Little Ice Age: an update from recent reconstructions and climate simulations. In: Journal of Space Weather and Space Climate. Band 7, A33, 2017, doi:10.1051/swsc/2017034.
  4. Georg Feulner: Are the most recent estimates for Maunder Minimum solar irradiance in agreement with temperature reconstructions? In: Geophysical Research Letters. August 2011, doi:10.1029/2011GL048529 (gfz-potsdam.de [PDF])., Pressemitteilung dazu: Studie zur kleinen Eiszeit: Geringe Sonnenaktivität kühlt das Klima nur unwesentlich ab. Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, 1. September 2011, abgerufen am 13. September 2013.
  5. A. P. Schurer u. a.: Small influence of solar variability on climate over the past millennium. In: Nature Geoscience. 2015, doi:10.1038/NGEO2040.
  6. Mike Lockwood: Solar Influence on Global and Regional Climates. In: Surveys in Geophysics. 2012, Kap. 6, doi:10.1007/s10712-012-9181-3.
  7. Pain Stephanie: 1709: The year that Europe froze: New Scientist, 7. Februar 2009.
  8. Gregory W. Monahan: Year of Sorrows. The great famine of 1709 in Lyon. Ohio State University Press, Columbus 1993, ISBN 0-8142-0608-5, S. 125–153.
  9. Ronald D. Gerste: Wie das Wetter Geschichte macht: Katastrophen und Klimawandel von der Antike bis heute. Klett-Cotta, Stuttgart 2015, Kapitel Januar 1709: »The coldest winter in memory …«. S. 129–137; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche