Jamila Schäfer
Jamila Anna Schäfer[1] (* 30. April 1993 in München) ist eine deutsche Politikerin. Von Januar 2018 bis Januar 2022 war sie stellvertretende Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Seit 2021 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages.
Ausbildung und Leben
BearbeitenSchäfer lebt in München. Sie machte 2011 am Bertolt-Brecht-Gymnasium ihr Abitur und studierte von 2012 bis 2013 an der Ludwig-Maximilians-Universität München zunächst Jura, brach dieses Studium jedoch ab. Seit 2013 studiert sie in Frankfurt Soziologie mit Nebenfach Philosophie, bis 2024 jedoch ohne Abschluss.[2] Sie ist Mutter einer Tochter.[3]
Politik
BearbeitenGrüne Jugend
BearbeitenIm Oktober 2011 kam Schäfer im Zuge von Protesten gegen das achtjährige Gymnasium zur Grünen Jugend, der Jugendorganisation von Bündnis 90/Die Grünen.[4] Von 2012 bis 2014 war sie Mitglied im Vorstand der Grünen Jugend München, zuletzt als Sprecherin. Im Oktober 2014 wurde sie als Beisitzerin in den Bundesvorstand der Jugendorganisation, am 31. Oktober 2015 auf dem 45. Bundeskongress schließlich zur Sprecherin gewählt und hatte diese Position bis zum 28. Oktober 2017 inne.[5] In ihrer Bewerbungsrede hatte sie für das Einstehen für das Grundrecht auf Asyl geworben.[6]
Die Grüne Jugend löste im Jahr 2016 eine Debatte über Patriotismus in der Berichterstattung über die Fußball-Europameisterschaft 2016 aus. Schäfer befürchtete, dass sich durch diese der Nationalismus gesamtgesellschaftlich festige.[7] Vor den Jamaika-Sondierungsgesprächen 2017 stand Schäfer einer möglichen Regierungsbeteiligung eher skeptisch gegenüber.[8] Sie warnte vor „freudestrahlender Regierungsbegeisterung“[9][10] und warb für mehr Konflikte zwischen den demokratischen Parteien.[11]
Stellvertretende Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen
BearbeitenAnfang 2018 kandidierte Schäfer für den Bundesvorstand ihrer Partei.[12] Auf der Bundesdelegiertenkonferenz im Januar 2018 in Hannover setzte sie sich in einer Kampfabstimmung gegen Anna Cavazzini durch und fungierte als europäische und internationale Koordinatorin und damit auch als stellvertretende Vorsitzende der Partei.[13][14] Sie war für die Vorbereitung des Parteiprogramms für die Europawahl 2019 verantwortlich.[15] Auf der Bundesdelegiertenkonferenz im November 2019 in Bielefeld wurde sie ohne Gegenkandidat als stellvertretende Bundesvorsitzende wiedergewählt.[16]
Politische Positionen
BearbeitenSchäfer wird dem linken Flügel der Partei zugerechnet.[13] Sie ist Fördermitglied des Finanzwende e. V.[17] und seit 2022 Schirmfrau des Zentrums Überleben, das sich national und international für Überlebende von Folter und Kriegsgewalt einsetzt.[18] Im Februar 2024 unterschrieb sie einen offenen Brief, der die Freilassung von Julian Assange forderte.[19] Die Absenkung des Wahlalters ist ihr ebenfalls ein Anliegen.[20]
Schäfer setzt sich für die Aufnahme von Geflüchteten ein[21], lehnte im Januar 2024 die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber ab und bezeichnete das Gesetz in einer persönlichen Erklärung als „unverhältnismäßige Rechts- und Freiheitseinschränkung für schutzsuchende Menschen, die keinen Beitrag zur Lösung realer Probleme in der Migrations- und Integrationspolitik leisten“. Außerdem lehnte sie das „Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“ ab, da es für sie erhebliche unverhältnismäßige Grundrechtseinschränkungen enthält, Humanitäre Hilfe kriminalisiert und gleichzeitig die Probleme der Kommunen bei der Migration nicht löse.[22]
Schäfer positionierte sich für eine stärkere Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Überfall seit 2022 und plädierte dafür, auch die eingefrorenen staatlichen russischen Vermögenswerte zur Finanzierung der Selbstverteidigung der Ukraine zu nutzen.[23] In einer persönlichen Erklärung bezeichnete sie es als entscheidend für langfristigen Frieden, Freiheit und Demokratie auf dem europäischen Kontinent, dass Russland mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine scheitert.[24]
Schäfer gehört zu den Unterstützern eines Antrags eine Prüfung eines AfD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen.[25] Sie unterstützte den Gruppenantrag zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in §218 StGB[26] und sowie eine fraktionsübergreifende Initiative für die Widerspruchslösung bei Organspenden.[27]
Im April 2024 lehnte sie die Reform des Klimaschutzgesetzes ab, da sie eine „Schieflage zu Lasten des Klimaschutzes beinhalte“ und einzelne Ministerien aus der Verpflichtung entlasse „konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der sektorspezifischen Klimaziele“ zu machen.[28]
Schäfer wirbt für eine Reform der Schuldenbremse, um den finanziellen Spielraum zu erhöhen und notwendige Investitionen für Klimaschutz, Sicherheit und den Ausbau Erneuerbarer Energien zu finanzieren. Ferner spricht sie sich für eine stärkere Besteuerung von Vermögen aus und bezeichnete dies in einem Gastbeitrag als „ein(en) Beitrag zur Gerechtigkeit und zur Handlungsfähigkeit des Staates in Krisenzeiten“.[29]
Bundestag
BearbeitenFür die Bundestagswahl 2021 wurde sie für den Bundestagswahlkreis München-Süd nominiert.[30] Die Nominierung fand zunächst online statt, im Anschluss wurde das Votum über eine Briefwahl bestätigt.[31][32] Mit 27,5 Prozent der Stimmen gewann sie das erste Direktmandat der Grünen in Bayern.[33][34]
In der 20. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (2021 bis 2024) ist Schäfer Mitglied im Auswärtigen Ausschuss sowie im Haushaltsausschuss[35] und seit dem 17. Februar 2022 ordentliches Mitglied des Vertrauensgremiums zur Billigung der Haushaltspläne der Nachrichtendienste des Bundes.[36] Weiter ist sie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und seit dem 8. Juli 2022 stellvertretendes Mitglied im Untersuchungsausschuss zu den Umständen des Abzugs aus Afghanistan. Ferner ist sie die Vorsitzende des Bundesfinanzierungsgremiums[37] und Delegationsmitglied zur Interparlamentarischen Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung der EU[2] sowie Co-Sprecherin der Landesgruppe Bayern der Grünen Bundestagsfraktion.[38]
Bei der Bundestagswahl 2025 kandidiert sie erneut als Direktkandidatin in München-Süd[39] sowie auf Listenplatz 1 der bayerischen Grünen.[40]
Literatur
Bearbeiten- Adelheid Schmidt-Thomé: Jamila Schäfer. In: Dies.: Ich war die Erste. Bayerische Pionierinnen im Porträt. Allitera Verlag, München 2022, ISBN 978-3-96233-307-2, S. 162 f.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Landeslisten der Parteien in Bayern – Der Bundeswahlleiter. Abgerufen am 17. September 2021.
- ↑ a b Deutscher Bundestag - Jamila Schäfer. Abgerufen am 14. Dezember 2024.
- ↑ Abendzeitung: Münchner Grünen-Politikerin Jamila Schäfer über eigene Partei: 'Wir müssen mutiger werden'. 19. Oktober 2024, abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Theresa Hein: „Öffentliche Plätze werden zu Orten mit Konsumzwang“. In: fluter.de. Abgerufen am 9. Dezember 2017.
- ↑ 45. Bundeskongress der Grünen Jugend: Umfassende Kritik an Grüner Asylpolitik. In: Grüne Jugend. 1. November 2015, abgerufen am 4. November 2015.
- ↑ Jamila Schäfer: Bewerbungsrede auf YouTube. Grüne Jugend. 4. November 2015, abgerufen am 9. Dezember 2017.
- ↑ Kevin Hagen: Grüne Jugend über Fußballpatriotismus: „Man könnte die Mannschaft auch mit DFB-Fahne unterstützen“. In: Spiegel Online. 13. Juni 2016, abgerufen am 9. Dezember 2017.
- ↑ Ulrich Schulte: Grüne Jugend zum Unionskurs: „Jamaika kann uns schreddern“. In: die tageszeitung. 10. Oktober 2017, abgerufen am 9. Dezember 2017.
- ↑ Marina Kormbaki / RND: „Bitte keine freudestrahlende Regierungsbegeisterung“. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung. 21. Oktober 2017, abgerufen am 13. März 2022.
- ↑ Katharina Hölter, Steffen Lüdke: Junge Grüne haben keine Lust auf eine Jamaika-Koalition. In: bento.de. 25. September 2017, abgerufen am 13. März 2022.
- ↑ Moritz Heuberger, Jamila Schäfer: AfD-Erfolg: Konflikt als Wesenskern der Demokratie. In: Frankfurter Rundschau. 4. Oktober 2017, abgerufen am 9. Dezember 2017.
- ↑ Jamilia Schäfer: Bewerbung für den Bundesvorstand. 9. Januar 2018, archiviert vom am 9. Januar 2018; abgerufen am 9. Januar 2018. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ a b Lisa Marie Albrecht: „Es geht immer darum, linke Inhalte auch realpolitisch zu übersetzen“. In: Abendzeitung. 28. Januar 2018, abgerufen am 28. Januar 2018.
- ↑ Benjamin Brown: „Man muss nicht zehn Jahre Plakate kleben, um Verantwortung zu übernehmen“ – Jamila Schäfer im Interview. In: MUCBOOK. 3. Mai 2018, abgerufen am 10. April 2021.
- ↑ Grünes Wahlprogramm zur Europawahl 2019. Abgerufen am 10. April 2021.
- ↑ phoenix, gespeichert auf YouTube: Bewerbungsrede und Wahl von Jamila Schäfer auf der BDK der Grünen am 16. November 2019. Abgerufen am 30. September 2021 (deutsch).
- ↑ Deutscher Bundestag – Jamila Schäfer. Abgerufen am 11. Oktober 2022.
- ↑ Unsere Jubiläumsfeier zum 30-jährigen Bestehen. Mit Jamila Schäfer hat das Zentrum ÜBERLEBEN eine neue Schirmfrau gefunden, die ab sofort die Nachfolge von Claudia Roth antreten wird. Zentrum Überleben gGmbH, Berlin, 22. September 2022, abgerufen am 1. Februar 2023.
- ↑ Appell: Bundestagsabgeordnete sprechen sich für die Freiheit von Julian Assange aus! Abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Jugend an die Macht! – Ab welchem Alter sollen wir wählen dürfen? Abgerufen am 10. April 2021.
- ↑ Grünen-Politikerin Jamila Schäfer fordert: „Die Bundesregierung muss bei Aufnahme von Geflüchteten vorangehen“. Abgerufen am 10. April 2021.
- ↑ Plenarprotokoll 20/164. Stenografischer Bericht 164. Sitzung. Deutscher Bundestag, 12. April 2024, abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Handelsblatt. Abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Persönliche Erklärung zum Antrag "Unterstützung für die Ukraine konsequent fortsetzen - Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers beschließen" der CDU/CSU-Fraktion. 14. März 2024, abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Drucksache 20/13750. Deutscher Bundestag, 13. November 2024, abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Drucksache 20/13775. Deutscher Bundestag, 14. November 2024, abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Drucksache 20/13804. Deutscher Bundestag, 14. November 2024, abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Plenarprotokoll 20/167. Stenografischer Bericht der 167. Sitzung. Deutscher Bundestag, 26. April 2024, abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Handelsblatt. Abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Jamila Schäfer ist Direktkandidatin für München-Süd. Bündnis 90/Die Grünen München, abgerufen am 10. April 2021.
- ↑ „Die Gesellschaft ist schon bereit“. In: Wochenanzeiger München. Abgerufen am 10. April 2021.
- ↑ Grüne Kandidatinnen bestätigt. In: Wochenanzeiger München. Abgerufen am 10. April 2021.
- ↑ Bundestagswahl 2021. Abgerufen am 27. September 2021.
- ↑ Grüne holen erstes Direktmandat in Bayern. tagesschau.de, 26. September 2021, abgerufen am 27. September 2021.
- ↑ Deutscher Bundestag - Jamila Schäfer. Abgerufen am 30. November 2024.
- ↑ Plenarprotokoll 20/17. (PDF) In: Deutscher Bundestag. 17. Februar 2022, abgerufen am 20. März 2022.
- ↑ Deutscher Bundestag - Bundesfinanzierungsgremium. Abgerufen am 30. November 2024.
- ↑ Landesgruppe | GRÜNE BAYERN. Abgerufen am 15. Januar 2025.
- ↑ Bundestagswahl 2025: Das sind die vier Kandidat*innen der GRÜNEN München. Grüne München, 28. September 2024, abgerufen am 17. Dezember 2024.
- ↑ 62 Grüne für Team Habeck – die bayerische Liste für die Bundestagswahl. Pressemitteilung. Grüne Bayern, 15. Dezember 2024, abgerufen am 17. Dezember 2024.
Personendaten | |
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NAME | Schäfer, Jamila |
ALTERNATIVNAMEN | Schäfer, Jamila Anna |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Politikerin und Sprecherin der Grünen Jugend |
GEBURTSDATUM | 30. April 1993 |
GEBURTSORT | München, Deutschland |