Joachim Ulrich Giese

schwedisch-pommerscher Kammerrat, Kaufmann, Bankier, Münzdirektor und Begründer der Stralsunder Fayencemanufaktur

Joachim Ulrich Giese bzw. Joachim Ulrich von Giese[1] (* 6. September 1719 in Stralsund; † 4. März 1780 ebenda) war ein schwedisch-pommerscher Kammerrat, Kaufmann, Bankier und Münzdirektor. Er war Begründer der Stralsunder Fayencemanufaktur.

Joachim Ulrich Giese, Ölportrait von Georg David Matthieu

Sein Vater, der Kaufmann Joachim Heinrich Giese, war besonders durch einen vorteilhaften Korn- und Wechselhandel zu erheblichem Wohlstand gelangt.[2]

 
Jakob Philipp Hackert – Auf Hiddensee, 1764

Giese war zunächst vorwiegend als Kaufmann tätig. Nach 1750 überwog jedoch das Bankgeschäft.[3] 1753 erwarb er die Insel Hiddensee, ursprünglich nur, um in den Besitz einer Sommerfrische zu gelangen, entdeckte dort aber hochwertige Tonlager[4] und nutzte diese umgehend zur Gründung einer Fayencemanufaktur.[5][3]

 
Gut Niederhof mit Gutshaus, Jakob Philipp Hackert, 1762

Zusammen mit Adolf Friedrich von Olthof pachtete er 1757, während des Siebenjährigen Krieges, vom schwedischen Staat die neueingerichtete Stralsunder Münze. Zur Beschaffung von Edelmetall stellten die Münzdirektoren Olthof und Giese mehrere Juden ein, die, obwohl Juden zu dieser Zeit in Schwedisch-Pommern nicht geduldet wurden, eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten.[6] Wie Olthof war Giese Mitglied der Stralsunder Freimaurerloge „Zur Eintracht“.[7] Zwischen 1757 und 1760 erwarb er das Gut Niederhof[8] am Strelasund und war dort Erbherr.[9][10] Dort ließ er das (1948 abgebrannte) Schloss sowie einen 15 ha großen Park errichten. Ab 1776 gestattete er den Stralsunder Juden unentgeltlich und ohne schriftlichen Kontrakt, im Park Bestattungen vorzunehmen.[6]

Mit dem Kauf eines Gehöfts in Brandshagen aus dem Besitz von Graf Malte Friedrich von Putbus übernahm er 1760 das Kirchenpatronat der Marienkirche. Nach seinem Tod wurde er in Brandshagen bestattet.[6]

 
Gieses Ehefrau Sophie Elisabeth, geb. von Schwerin, Ölportrait von Georg David Matthieu

Verheiratet war er seit 1750[6] mit Sophie Elisabeth von Schwerin (1733–1796), einer Tochter des schwedischen Hauptmanns Christian von Schwerin af Grellenberg (1692–1778), der 1727 zusammen mit seinem Zwillingsbruder Hans in Schweden naturalisiert wurde.[11] Nach Gieses Tod verkaufte seine Witwe die Besitztümer und zog sich auf die Insel Hiddensee zurück. Dort war sie Wohltäterin der Inselbewohner, welche sie „Unsere Mutter“ nannten, während die Stralsunder sie als „Königin von Hiddensee“ bezeichneten.[12][13] Gieses Tochter Amalie († 1788) heiratete 1787 Gustav Carl von Hagemeister (1754–1800), Erbherr auf Claus- und Solkendorf.[14] Die Insel Hiddensee blieb bis 1800 Eigentum der Familie Giese, obwohl Ulrich Gieses Erben sie schon 1785 in der Stralsunder Zeitung zum Verkauf anboten, zusammen mit der Gerichtsbarkeit, 280 Untertanen, Segelknechten, der Fähre, Gebäuden und dem Vieh.[15] Schließlich überschrieben die Erben Ulrich von Gieses 1786 die Insel auf seinen Sohn Joachim Thurow von Giese.[16] Die Insel samt 167 Leibeigenen und 32 untertänigen Segelknechten kostete den schwedischen Hauptmann Thuro Joachim von Giese 36.000 Reichstaler. Dessen Erben verkauften die Insel für 54.000 Reichstaler.[17][13]

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Das Adelsprädikat „von“ ist historisch mehrfach belegt. Eine dahingehende explizite Nobilitierung Gieses per Adelsbrief ist noch zu belegen. Auch ist eine Stammesverwandtschaft zu dem 1519 geadelten Danziger Patriziergeschlecht Giese, das im 17. Jahrhundert einen Zweig über Stettin nach Putbus auf der Insel Rügen bildete, unbelegt. In einschlägigen Adelslexika des 19. Jahrhunderts wird Gieses Familie, die Eigentümerfamilie der Insel Hiddensee, als eindeutig adelig beschrieben. Die Insel war ein Allodialgut, wurde 1753 aus dem Eigentum der Familie von Wolffradt erworben, und 1800 an die Familie von Bagewitz veräußert: Johann Jacob Grümbke: Neue und genaue geographisch-statistisch-historische Darstellungen von der Insel und dem Fürstenthume Rügen. Band 2, Berlin 1819, S. 30.; Leopold von Ledebur: Adelslexicon der Preußischen Monarchie. Band 3, T-Z. Nachtrag A-Z. Berlin 1854, S. 260.; Ernst Heinrich Kneschke: Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon: Eberhard - Graffen, Band 3, Leipzig 1861, S. 520.
  2. Arnold Gustavs: Die Insel Hiddensee. Lexikon, Berlin 2009, ISBN 978-3-939804-40-6, S. 54.
  3. a b Friedrich Zellfelder: Das Kundennetz des Bankhauses Gebrüder Bethmann, Frankfurt am Main, im Spiegel der Hauptbücher (1738–1816). Franz Steiner, Stuttgart 1994, ISBN 3-515-06438-9, S. 196.
  4. August Stoehr: Deutsche Fayencen und Deutsches Steingut. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber. In: Bibliothek für Kunst- und Antiquitätensammler. Band 20, III. Die Norddeutschen Fabriken. 4. Die Fabriken in Mecklenburg und Pommern. Richard Carl Schmidt & Co, Berlin, Würzburg 1920, S. 533–534 (uni-duesseldorf.de [abgerufen am 23. April 2022]).
  5. Hugo Tillmann: Rügens Wirtschaft einst und jetzt. In: Viktor Goldschmidt (Hrsg.): Die Insel Rügen. Grieben, Berlin 1925, S. 92 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. a b c d Karl-Heinz Bernhardt, Fritz Treichel: Der jüdische Begräbnisplatz in Niederhof. In: Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde (Hrsg): Baltische Studien. Neue Folge Bd. 47, von der Ropp, Hamburg 1960, S. 126–128 (Digitalisat).
  7. Franz Wegener: Der Freimaurergarten: Die geheimen Gärten der Freimaurer des 18. Jahrhunderts. 2014, S. 106. (books.google.de)
  8. Karl-Heinz Bernhardt, Fritz Treichel: Der jüdische Begräbnisplatz in Niederhof. In: Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde (Hrsg): Baltische Studien. Neue Folge Bd. 47, von der Ropp, Hamburg 1960, S. 113 (Digitalisat).
  9. Herbert Ewe: Das alte Stralsund. Kulturgeschichte einer Ostseestadt. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1995, ISBN 3-7400-0881-4, S. 227.
  10. Der Deutsche Herold. Band 17, Hrsg. Verein Herold zu Berlin, Carl Heymanns Verlag, Berlin, 1886, S. 14.
  11. L. Gollmert, Leonhard Graf von Schwerin: Biographische Nachrichten über das Geschlecht von Schwerin. Berlin 1878, S. 63–65 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. Grete Grewolls: Wer war wer in Mecklenburg und Vorpommern. Das Personenlexikon. Hinstorff Verlag, Rostock 2011, ISBN 978-3-356-01301-6, S. 3296.(eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  13. a b K. Schneider: Der Reisegesellschafter durch Rügen. Berlin 1823, S. 71 f. (books.google.de)
  14. Adolf Matthias Hildebrandt: Der Deutsche Herold. Band 17, Carl Heymanns Verlag, Berlin, 1886, S. 14 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  15. Torsten Krone: Hiddenseer Tagebuch: Memoiren eines Urlaubs. 2018, S. 52 f. (books.google.de)
  16. Manfred Faust: Geschichte der Fährleute und der Fährinsel bei Hiddensee, in: Baltische Studien: Pommersche Jahrbücher für Landesgeschichte. Gesellschaft für pommersche Geschichte, Neue Folge 91, 2006, S. 121–138, hier S. 123. Im Ablieferungsprotokoll sind Mutter und Sohn als Verkäuferin und Käufer bezeichnet: Kammerräthin von Giese (Verkäuferin) ./. Capitaine Thuro Joachim von Giese (Käufer).
  17. Fritz Rudolf Fries: Leipzig am Herzen und die Welt dazu: Geschichten vom Reisen. 1983, S. 25.