Johann Georg Fischer (Baumeister)
Johann Georg Fischer (* 21. Januar 1673 in Oberdorf im Allgäu; † 24. April 1747 in Füssen) war zugleich Steinmetz und Baumeister. Lange stand er im Schatten seines berühmten Onkels Johann Jakob Herkomer (1652–1717), als dessen Palier er zunächst arbeitete. Mit Herkomers maßvollem, zugleich universell einsetzbarem Formenkanon erwarb er die Möglichkeit, mit geringem Aufwand größtmögliche Wirkung zu erzielen. Die Praktikabilität des Systems bewirkte schließlich auch seine weite Verbreitung in Schwaben und Tirol durch die sogenannte Füssener Schule.
Fischers Sohn Franz Karl trat beruflich in die Fußstapfen seines Vaters, ebenso wie dessen Palier Franz Xaver Kleinhans. Marktoberdorf erinnert mit der Georg-Fischer-Straße und dem Johann-Georg-Fischer-Kunstpreis an den Sohn der Stadt. In Kißlegg gibt es einen Johann-Georg-Fischer-Weg.
Leben
BearbeitenJohann Georg Fischer war ein Sohn des Bäckermeisters Georg Fischer und seiner Ehefrau Regina, der älteren Schwester (* 1639) des Malers und Architekten Johann Jakob Herkomer. Schon 1679 verlor Johann Georg den Vater. Als sein Onkel 1685 aus Italien zurückkehrte, adoptierte dieser quasi den Neffen und kümmerte sich ganz nach seiner eigenen Intention um die fachliche Ausbildung des Buben. Einer Steinmetzlehre bei Johann Seidenmann in Rieden am Forggensee (wohl von etwa 1686 bis 1690)[1] folgte eine verkürzte zweite Lehre von 1693 bis 1695 bei Augustin Stickel aus Weibletshofen, dem beriehmten Maurermeister der Pfleg Oberdorf, genannt Hillenthaler.[2]
Ab 1701 arbeitete Fischer als Steinmetz[3] und Palier seines Onkels Johann Jakob Herkomer am Neubau des Füssener Klosters St. Mang. Ende 1706 kaufte er ein Haus in der Füssener Reichenstraße, 1707 heiratete er die Füssener Bäckerstochter Euphrosinia Stadler. 1710 wurde er zum Vorgesetzten des Füssener Maurerhandwerks gewählt, ab 1741 schuf die Dillinger Hofkammer für ihn das Amt eines hochstiftischen Landschaftsbaumeisters.[4]
Erst nach Herkomers Tod im Jahr 1717 konnte Fischer auch mit eigenen architektonischen Ideen und Arbeiten auftreten. In Innsbruck musste er für den Neubau von St. Jakob zwar die bereits vorhandenen Fundamente übernehmen, änderte jedoch die Pläne entscheidend ab. Sein Bau wurde richtungsweisend für die Tiroler Barockarchitektur.
Nach dem Tod seiner ersten Frau schloss Fischer 1744 im Alter von 71 Jahren eine zweite Ehe mit Maria Viktoria Berchtold aus Schongau. Zunehmend von der Gicht geplagt, starb er am 26. April 1747.
Werk
BearbeitenSteinmetz
BearbeitenFischers Ausbildung als Steinmetz und seine umfangreichen und teils hervorragenden Steinmetzarbeiten sind bislang in der Literatur nie im Zusammenhang und insgesamt nur unzulänglich dargestellt worden. Dabei hat sich der Baumeister bis an sein Lebensende stets auch als Steinmetz betätigt. Allerdings musste er dabei in aller Regel fremde Entwürfe umsetzen.
Palier
BearbeitenAls Palier seines Onkels leitete Johann Georg Fischer fast alle Bauprojekte Herkomers, ab 1701 insbesondere die Bauarbeiten für das Füssener Kloster St. Mang. Auch in Innsbruck war er für St. Jakob zunächst als Palier vorgesehen, ehe er mit seinen eigenen Plänen als Baumeister zum Zuge kam.
Baumeister
BearbeitenErst nach dem Tod Herkomers, also ab 1717, wird Fischer auch mit eigenen architektonischen Arbeiten fassbar. Die Grundlagen des Maurerhandwerks hatte er, im Gegensatz zu seinem Onkel, bei einem gediegenen einheimischen Meister erlernt. Weitere Kenntnisse konnte er sich wohl bei zwei Italienaufenthalten zusammen mit seinem Onkel aneignen – vom Sommer 1695 bis Ende 1697 und noch einmal 1698. Vor allem profitierte er aber von der fast 17 Jahre währenden intensiven Zusammenarbeit mit Herkomer. Als Baumeister der Periode zwischen den kraftvollen Erneuerern (wie z. B. Herkomer) und den schöpferischen Vollendern (wie z. B. Dominikus Zimmermann) blieb Fischer bisher größerer Ruhm versagt. Fast singulär ist die Tatsache, dass sein erster selbstständiger Bau zugleich sein bedeutendster wurde.
Werkverzeichnis
BearbeitenSteinmetzarbeiten (archivalisch belegt)
- 1690/1691 Steinplattenboden im Schloss Dillingen an der Donau
- ab 1701 Steinmetzarbeiten für das Kloster St. Mang in Füssen
- ab 1717 Marmorhochaltar für die heutige Stadtpfarrkirche St. Mang in Füssen[5]
- 1719 Mariensäule vor dem Schloss Wolfegg
- 1719 Angebot an das Kloster Weingarten
- 1723 Zwei Marmorkamine für das Neue Schloss Kißlegg
- 1732 „Welscher Marmorkamin“ nach München
- 1746 Kaution für die gute Ausführung des marmornen Choraltars für den Dom zu Eichstätt[6]
Bei den nachfolgend aufgeführten Steinmetzarbeiten hat Johann Georg Fischer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit maßgeblich mitgearbeitet:
- 1706 Marmorarbeiten in der Schutzengelkapelle der Basilika St. Lorenz in Kempten
- 1711 Marmoraltar für die Abtskapelle im Füssener Kloster St. Mang
- ab 1712 Marmorarbeiten in der Magnuskapelle der heutigen Stadtpfarrkirche St. Mang in Füssen
- 1713/1714 Marmorepitaph für Bischof Johann Christoph von Freyberg in der Wolfgangkapelle des Augsburger Doms[7]
- 1714 Großes marmornes Abteiwappen für Kloster Ottobeuren
- 1717 Grabplatte für Johann Jakob Herkomer in der Kapelle Mariä Sieben Schmerzen in Sameister
- ab 1723 Querhausaltäre in der heutigen Stadtpfarrkirche St. Mang in Füssen
- bis 1735 Marmorkapelle in der heutigen Stadtpfarrkirche St. Mang in Füssen
Wichtigste architektonische Werke Die Bauten sind nach dem Jahr des Baubeginns geordnet
- 1717 Stadtpfarrkirche St. Jakob in Innsbruck (jetzt Dom)
- 1718 Gottesackerkapelle St. Anna in Kißlegg
- 1721 Pfarrkirche St. Nikolaus in Bernbeuren
- 1721 Friedhofskirche St. Sebastian in Füssen
- 1721 Neues Waldburg-Zeil’sches Schloss in Kißlegg
- 1722 Fürstbischöfliches Schloss in Marktoberdorf
- 1724 Feldkirche St. Ulrich und Afra in Füssen
- 1724 Totenkapelle in Breitenwang (Tirol)
- 1725 Pfarrkirche St. Ulrich in Unterpinswang (Tirol)
- 1728 Wallfahrtskirche St. Michael in Bertoldshofen
- 1728 Filialkirche Heilig-Kreuz in Steingaden
- 1729 Heilig-Grab-Kapelle in Bidingen-Weiler
- 1729 Stadtpfarrkirche zur Göttlichen Mutter in Buchloe (Umbau)
- 1729/31 Pfarrhaus in Rückholz
- 1732 Pfarrkirche St. Martin in Marktoberdorf
- 1732 Pfarrkirche St. Oswald in Leitershofen
- 1732 Turm der Filialkirche St. Nikolaus in Helmishofen
- 1733 Stifts- und Schlosskirche St. Katharina und Franziskus in Wolfegg (jetzt Pfarrkirche)
- 1734 Pfarrkirche St. Gallus und Ulrich in Kißlegg
- 1736 Klosterkirche Mariä Himmelfahrt des Franziskanerinnenklosters Dillingen an der Donau
- 1739 Pfarrkirche St. Pankratius in Sulzschneid
Die aufgeführten Werke sind größtenteils archivalisch belegt. Nur zum geringen Teil handelt es sich um Zuschreibungen. Daneben plante und schuf Johann Georg Fischer auch zahlreiche Kapellen, Pfarrhöfe und kleinere Profanbauten.
Literatur
Bearbeiten- Adolf Layer: Füssen-St. Mang als künstlerischer Mittelpunkt des Lechtaler Barock und Rokoko, in: Festschrift zum zwölfhundertjährigen Jubiläum des heiligen Magnus, Füssen 1950, S. 47–89
- Martin Dömling: Johann Georg Fischer 1673–1747, in: Oberdorfer Heimatbuch, Marktoberdorf 1952, S. 374–381
- Hildebrand Dussler: Der Allgäuer Barockbaumeister Johann Jakob Herkomer, Leben und Werk (Allgäuer Heimatbücher Bd. 52), Kempten 1956
- Heinz Jürgen Sauermost: Der Allgäuer Barockbaumeister Johann Georg Fischer. Hrsg. von der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft. (= Reihe 1: Studien zur Geschichte des bayerischen Schwaben; 14). Augsburg 1969 (zugleich Dissertation, München 1966)
- Ingo Seufert: Anmerkungen zum Frühwerk Johann Georg Fischers, in: Alt-Füssen. Jahrbuch des Historischen Vereins „Alt-Füssen“ 1997 ISSN 0939-2467, S. 79–84
- Eintrag zu Johann Georg Fischer, in Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 40, München und Leipzig 2004, S. 363
- Herbert Wittmann: Johann Georg Fischer (1673–1747) – „Im Schatten Herkomers“, in: Alt-Füssen. Jahrbuch des Historischen Vereins „Alt-Füssen“ 2010 ISSN 0939-2467, S. 34–69
- Friedrich Zoepfl: Fischer, Johann Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S. 191 (Digitalisat).
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Seufert, Ingo: Johann Jakob Herkomer (1652 – 1717), Lindenberg 2009, S. 103. Siehe auch Sauermost (1969), S. 3 und S. 142.
Im Geburtsbrief vom 28. Dezember 1706 heißt es: „Johann Georg Vischer, Steinmetz von Oberdorf.“ Dertsch, Richard: Abwanderungen aus der Pflege Oberdorf 1576–1802 (Allgäuer Heimatbücher, 31. Bändchen), Kempten 1940, S. 45 - ↑ Neu, Wilhelm: Beiträge zum Werk des Füssener Baumeisters Johann Georg Fischer, in: Das Münster, 18. Jahr, Heft 9/10, September – Oktober 1965, S. 345
- ↑ Stadtarchiv Füssen, Abt. Klosterarchiv St. Mang, Abteirechnungen, Bd. 352, p. 26 (Jahr 1701): Hans Georg, Pallier hatt bey kurzen Tägen Stain gehauen und sonssten gearbeittet 34½ Täg à 28 kr. … dan 77 lange Täg à 40 kr.
Ebenso auf p. 31: Martius Täg Hanß Georg Vischer …
Herrn Johann Jacob Herkhomers Pallier ist den 10. Marti anhero komen und den 11. den Anfang mit Zurichtung der Stainen zue denen Colonnen gemacht. Verspriche ihme des Tags 28 kr. sambt der Kosst mit dem Kamerdiener in der Kuchen. Alle Tag 2 Mass Bier und 2 Brod, mag solche nach seinem Belieben verzöhren. Undtertags gibe ihme weitter nichts, habe ihme zwar und seinen Gesöllen einen Trunkh Bier und Brod zur Abendt-Marende und zu Morgens ain Trinkhlein Branttwein geben, dises aber nur wegen scharffen Lufft gethann, habe ihm schon gesagt, nach Osstern wirde weder ihme noch andern extra was geben, auch ihme bis die Stain ausgearbeittet, nit mehr Lohn geben als 28 kr. des Tags, ist mit beydem gar zufriden. - ↑ Sauermost (1969), S. 54
- ↑ Stadtarchiv Füssen, Abt. Klosterarchiv St. Mang, Abteirechnungen, Bd. 357, p. 20: (5./6. Januar 1720): Bezahle fir hindteren undt vorderen Khoraltarfues sambt denen doppleten Antritten dem Hans Georgen Fischer einem Conto von 388 fl. 43 kr. Weitere entsprechende Einträge folgen. Insgesamt wurden für den Altar allein an Fischer fast 600 Gulden bezahlt, eine gewaltige Summe! Siehe auch Layer (1950), S. 61 und 62
- ↑ Layer (1950), S. 66
- ↑ Am 9. November 1713 schrieb der Füssener Abt Gerhard Oberleitner an Abt Rupert II. Ness von Ottobeuren, nachdem dieser in einem vorausgehenden Brief acht kleinere und dreizehn größere Gesimssteine aus Füssener Marmor bestellt hatte. Er versprach die sorgfältige Herstellung dieser Gesimssteine, „und zwar womöglich ehe und bevor meine Steinmetzen das kostbare und mühsame Epitaphium anfangen, welches ein hochwürdiges Domkapitel zu Augsburg unter Direction Herkomers dem p. m. letztverstorbenen Bischof in Augsburg verfertigen lässt…“ (Rosamaria Brandl, Anton Sturm (1690-1757), Dissertation München 1957, Maschinenschrift)
Personendaten | |
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NAME | Fischer, Johann Georg |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Baumeister des Barock |
GEBURTSDATUM | 21. Januar 1673 |
GEBURTSORT | Oberdorf im Allgäu |
STERBEDATUM | 24. April 1747 |
STERBEORT | Füssen |