Johann Pedius Tethinger

deutscher Lehrer, Geschichtsschreiber und lateinischsprachiger Dichter

Johann Pedius Tethinger (latinisiert: Ioannes Pedius Tethingerus; geb. um 1495 in Tübingen, gest. um 1558) war ein deutscher Lehrer, Geschichtsschreiber und lateinischsprachiger Dichter aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Das Wissen über Tethingers Leben ist lückenhaft. Er scheint in Tübingen geboren worden zu sein, da seinen Schriften regelmäßig der Zusatz Tubing: (d. h. ‘Tubingius’, ‘Tubingus’ oder ‘Tubinganus’) beigegeben ist.[1]

Um das Jahr 1518 begann er eine pädagogische Karriere, worauf er selbst hinweist[2], und zwar in Freiburg im Breisgau, wo er 1533 auch Schulleiter der Particularschule war.[3] In dieser Funktion war er bis 1553 mit großem Fleiß tätig und bewirkte eine merkliche Steigerung der Schülerzahlen[4].

Als Pädagoge bemühte er sich auch um das Zurverfügungstellen von geeigneten Schulbüchern und betätigte sich auf dem Gebiet der Geschichtsschreibung. Außerdem gab er einige Briefe des Erasmus von Rotterdam heraus; an diese Ausgabe hängte er eine Beschreibung der Stadt Freiburg und des Dorfes Herdern in elegischen Distichen an.

Tethinger als Dichter

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Herzog Ulrich von Württemberg, dessen Tugenden Tethinger über alles pries und besang

Sein Meisterwerk ist das Gedicht Wirtembergiae libri duo, in dem die von Herzog Ulrich geleisteten Heldentaten besungen werden, die Kriege gegen den Schwäbischen Bund und die Rückeroberung einzelner Gebiete Württembergs in den Jahren 1525 und 1534. Die erste Version, für die der Setzer den Titel Quattuor bella Wirtembergensia bevorzugte (obwohl Tethinger selbst De bellis Wirtembergicis quattuor in Auftrag gegeben hatte[5]), kam 1534 heraus. Ihr folgte im Jahre 1545 eine Neuauflage mit zusätzlichem Prosakommentar und in stark erweiterter Form: faktisch handelte es sich um ein neues Werk.[6]

Wirtembergia wurde lange Zeit für ein ernstzunehmendes Geschichtswerk gehalten, bis es im 19. Jahrhundert wegen seiner großen dichterischen Freiheit im Umgang mit geschichtlichen Tatsachen von Wissenschaftlern (Kritik kam v. a. von Leopold von Ranke[7], Ludwig Friedrich Heyd[8] und Christoph Friedrich von Stälin[9]) in Verruf geriet. Darüber hinaus ist auch zu bemerken, dass manches im lateinischen Versfluss bei Tethinger holperig wirkt und sogar Fehler in der Vokalquantität zu finden sind. Nichtsdestoweniger ist Wirtembergia eine Fundgrube für lateinische Ortsnamen, die anderswo kaum oder gar nicht zu finden sind.

  • Quatuor Bella Wirtembergensia, quae ante multos etiam annos, usque ad hodiernum diem in ea regione gesta sunt, Heroico Carmine diligenter descripta. [o. O.] 1534.
  • Declinationum clasmata cum verborum coniugatione, per singulas interim terminationes, Themata, Praeterita, Supinaque brevissime complectentia, pro literaria pube conlecta. Freiburg 1543.
  • D. Erasmi Rot. Epistolae breviores aliquot, lectuque iucundiores, in rem studiosae iuventutis nuperrime selectae, per Ioan. Pedium Tethingerum, apud nobile Brisgoiae Friburgum de trivio literatorem. Freiburg 1543.
  • Wirtembergiae libri duo, quibus illustrissimi Wirtembergorum Principis Huldrichi, Ducis a Theck, Comitis a Monte Pelegardi etc. inclytissimi, res militiae domique gestae, in eo potissimo bello quod illi a Foederatis, aetate nostra, Suevis illatum fuit, carmine delineantur. Commentarius iisdem de rebus in tres libros divisus, amanti prosam magis adpositus. Freiburg 1545.

Literatur

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  • Johann Jakob Moser: Wirtembergische Bibliothek (vierte Auflage), Stuttgart 1796.
  • Leopold (von) Ranke: Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber, Leipzig und Berlin 1824
  • Karl Pfaff: Die Quellen der ältern wirtembergischen Geschichte, Stuttgart 1831
  • Ludwig Friedrich Heyd: Ulrich, Herzog zu Württemberg, Bd. 1–3, Tübingen 1841, 1842, 1844.
  • Heinrich Schreiber: Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau, Band 2, Freiburg 1859
  • Friedrich Bauer: Die Vorstände der Freiburger Lateinschule nach ihrem Leben und Wirken. Von der Mitte des 13. Jahrh. bis 1773, Freiburg 1867
  • Christoph Friedrich von Stälin: Wirtembergische Geschichte, Band 4: Schwaben und Südfranken: vornehmlich im 16. Jh., Zeit d. wirtemberg. Herzoge Eberhard II., Ulrich, Christoph, Ludwig, 1498–1593. Stuttgart 1873
  • Rudolf Krauß: "Tethinger, Johann Pedius". In: Allgemeine Deutsche Biographie 37 (1894), S. 590 (Onlineversion)
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Anmerkungen

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  1. Bauer, p. 38; vgl. auch die Aufschriften auf Tethingers Büchern.
  2. Im Vorwort zu seiner Erasmus-Briefausgabe von 1543, S. 4 (Vorderseite): ‘Ego iam fere viginti quinque perpetuos annos docendi munere fungor (...).’
  3. Bauer, S. 6; eine solche ‘schola particularis’ war den allgemeinbildenden Universitäten (‘schola generalis’) gleichsam gegenübergestellt.
  4. Bauer, S. 41
  5. Vgl. den Titel der ersten Ausgabe und dazu folgende Klageworte aus dem Brief zur zweiten Version: ‘Dedimus in vulgus ante decennium plus minus, candide lector, silvam de quattuor bellis Wirtembergicis, licet typographus alium supposuerit titulum, quattuor bella scilicet, quae mihi, postquam in lucem fuit edita, adeo displicuit ut nulla res in vita magis: titulus aliud promittebat, poematium longe aliud prae se ferebat, promissis haudquaquam respondens, quod ego vix uno mense fretus inter Phrontisterii negotia compegeram non omnino bellum (quod supra vires meas esse fateor), sed silvam de bellis Wirtembergicis scribere volui, fore sperans felicioris aliquem venae poetam, qui id negotii paulo post capiat et ex professo bellum hoc scribat.’
  6. So Tethingers Einschätzung im Begleitbrief zur 1545er-Ausgabe: ‘... silvam [anno 1534 compositam] rursus ad incudem adduxi ac paene interpolavi, quod vel parum vel nihil de vetere cortice retineat, ...’
  7. Ranke, S. 147–149.
  8. Ludwig Friedrich Heyd: Ulrich, Herzog zu Württemberg, Band 1–3, Tübingen 1841, 1842, 1844.
  9. Christoph Friedrich von Stälin: Wirtembergische Geschichte, Band 4: Schwaben und Südfranken: vornehmlich im 16. Jh., Zeit d. wirtemberg. Herzoge Eberhard II., Ulrich, Christoph, Ludwig, 1498–1593. Stuttgart 1873.