Johannes de Muris

französischer Mathematiker, Astronom und Musiktheoretiker (ca. 1300-1350)

Johannes de Muris, Jean de Meurs, (* um 1300 in der Normandie[1]; † um 1360) war ein französischer Mathematiker, Astronom, Musiker und Kalenderreformer des Spätmittelalters.

De Muris lehrte wahrscheinlich an der Sorbonne in Paris, wo er mindestens seit 1321 Magister war.[2] Seine wissenschaftliche Aktivität ist zwischen 1317 und mindestens 1348 gesichert. Er starb vermutlich um 1360 bzw. nach 1350. 1338 bis 1342 war er einer der Sekretäre des Königs von Navarra. 1344 wurde er Kanonikus in Mézières-en-Brenne.

Johannes de Muris wurde zu einem der einflussreichsten Musiktheoretiker der Ars Nova. Er betrachtete Musik unter mathematischen Aspekten. Seine Hauptwerke waren im Gebiet der Musiktheorie die Musica practica und die Musica speculativa. Hinzu kamen mathematische Schriften wie das Quadripartitum numerorum von 1343 und seine Schrift über die Kalenderreform von 1317. Er engagierte sich mit anderen beim Papst Clemens VI. für eine Kalenderreform: 1344 wurden er und Firmin de Bellevall vom Papst nach Avignon gerufen zwecks Beratung für eine Kalenderreform. Sein elementares Lehrbuch der Arithmetik war bis ins 16. Jahrhundert in Gebrauch. Er schrieb zahlreiche weitere Bücher. Sein mathematisches Hauptwerk ist Quadripartium numerorum (in vier Büchern). Darin werden Dezimalbrüche erwähnt, allerdings nur in einem Spezialfall in Buch 3, dem Ziehen einer Quadratwurzel, und sie werden nicht systematisch entwickelt. Es behandelt Musiktheorie, Mechanik (mit Auszügen aus Archimedes Hydrostatik) und Anwendungen der Arithmetik. In Buch 2 behandelt er quadratische Gleichungen (in Anschluss an al-Chwarizmi und Leonardo von Pisa) und auch spezielle kubische Gleichungen.[3] In seinem Versteil ist es Philippe de Vitry gewidmet.

De Muris trug zur Verbreitung der Alfonsinischen Tafeln bei.[4] 1318 mass er bei Evreux die Schiefe der Ekliptik (und beobachtete die Tagundnachtgleiche) mit einem eigens gebauten Quadranten von 15 Fuß Radius.[5] Er beobachtete auch Konjunktionen[6] und es sind Aufzeichnungen von ihm über weitere astronomische Beobachtungen (wie die Sonnenfinsternis 1337) in Bernay, Fontevrault, Évreux, Paris und Mézières-en-Brenne erhalten in einem Manuskript im Escorial.[7]

Schriften

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Proportionsschemata aus dem Libellus Cantus Mensurabilis
  • Musica practica
    • Ulrich Michels Die Musiktraktate des Johannes de Muris, Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft 17, Franz Steiner Verlag 1970 (Notitia artis musicae, Compendium musicae practicae)
  • Musica speculativa secundum Boethium abbreviata, Paris, Sorbona (1323) (Kommentar zu Boethius)
    • Christoph Falkenroth Die musica speculativa des Johannes de Muris, Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft 34, Franz Steiner Verlag 1992
  • Ars nove musice, 1319
    • veröffentlicht in Martin Gerbert Scriptores ecclesiastici de musica sacra, III, St. Blasien, 1784 (ebenso wie andere musikalische Schriften wie Musica speculativa). Eine weitere ältere Ausgabe von musikalischen Schriften von Johannes de Muris ist E. De Coussemaker Scriptorum de musica medii aevi nova series, Paris, Band 2, 1867, Band 3 1869
  • Libellus cantus mensurabilis
  • Questiones super partes musice

Mathematik und Astronomie

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  • Canones tabule tabularum (1321), Manuskripte u. a. in Paris, Wien, Erfurt, Brüssel, Berlin (mit Multiplikationstafel für Hexagesimalzahlen für eine Konvertierung der Alfonsinischen Tafeln in dieses Zahlsystem)
    • auch als Tractatus canonum minutiarum philosophicarum et vulgarum, quem composuit Mag. Johannes de Muris Normannus. 1321
  • Quadripartitum numerorum (1343), Manuskripte in Paris, Wien
    • Ausgaben Dissertation von G. l’Huillier, Paris 1979 (nicht veröffentlicht), Teile des 2. Buches in A. Nagl Das Quadripartitum des Ioannes de Muris, Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik, Band 5, 1890, S. 135–146, von Buch 3 in L. C. Karpinski The Quadripartitum numerorum of John of Meurs, Bibliotheca Mathematica, Serie 3, Band 13, 1912/13, S. 99–144, Teil von Buch 4 in Marshall Claggett The science of mechanics in the middle ages, Madison/Wisconsin 1959
  • Arithmetica speculativa (um 1343)
  • Figura inveniendi sinus kardagarum (mit Sinustafel nach Al-Zarquali)
    • Ausgabe Maximilian Curtze Urkunden zur Geschichte der Trigonometrie im christlichen Mittelalter, Bibliotheca Mathematica, Serie 3, Band 1, 1900, S. 414–416
  • De arte mensurandi (um 1344 vollendet); das Buch enthält Hinweise auf die Kenntnis der Schriften von Archimedes in der Übersetzung von Wilhelm von Moerbeke und außerdem ein Kapitel über die Quadratur des Kreises
  • Expositio tabularum Alphonsii
  • Ein Buch über die Quadratur des Zirkels ist nicht erhalten, es wird in den Canones Tabule Tabularum von 1321 erwähnt, ebenso wie eine Genealogia Astronomie

Zeitrechnung

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  • Epistola super reformatione antiqui kalendarii (1317)
    • Christine Gack-Scheiding: Johannes de Muris Epistola super reformatione antiqui kalendarii. Ein Beitrag zur Kalenderreform im 14. Jahrhundert (= Monumenta Germaniae Historica. Studien und Texte, Bd.11). Hannover 1995
  • De regulis computistarum, 1337

Literatur

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  • Johannes de Muris, bearb. v. H. Leuchtmann u. a. In: Lexikon des Mittelalters, Babd 5, 1990, Nachdruck Stuttgart 1999, Sp. 591
  • Hubert L. L. Busard (Herausgeber): Johannes de Muris De arte mensurandi. A geometrical handbook of the fourteenth century, Boethius, Band 41, Franz Steiner Verlag, 1998
  • Georges Sarton: Introduction to the history of Science, Carnegie Institution 1947, Band 3, S. 652
  • Artikel in Gottwald, Ilgauds, Schlote (Hrsg.) Lexikon bedeutender Mathematiker, Leipzig 1990
  • Artikel in Helmuth Gericke: Mathematik in Antike, Orient und Abendland, fourier Verlag (zweiter Teilband)
  • Emmanuel Poulle: John of Murs. In: Charles Coulston Gillispie (Hrsg.): Dictionary of Scientific Biography. Band 7: Iamblichus – Karl Landsteiner. Charles Scribner’s Sons, New York 1973, S. 128–133.
  • Poulle: Jean de Murs et les tables alphonsines, Archives d´histoire doctrinale et littéraire du moyen age, Band 47, 1980, S. 241–271
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Einzelnachweise

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  1. Nach Poulle, Dictionary of Scientific Biography, ist er in der Diözese von Lisieux geboren
  2. Angaben in seinem Buch über Brüche (Tractatus canonum...)
  3. Gericke: Mathematik im Abendland. Fourier Verlag, S. 159.
  4. Wobei er in seiner Kritik des Kalenders 1317 sich noch für die Toledaner Tafeln starkmachte.
  5. Olaf Pedersen, Mogens Pihl Early physics and astronomy, American Elsevier 1974, biographischer Eintrag S. 375
  6. Brief an den Papst Clemens VI. (der 1352 starb), abgedruckt in Pierre Duhem: Le systeme du monde. Band IV, Paris, 1916, S. 35–37, wobei der Brief zukünftige Konjunktionen (1357, 1365) betraf, und zur Konjunktion von 1345 in Hubert Pruckner: Studien zu den astrologischen Schriften des Heinrich von Langenstein. Leipzig 1933, S. 222–226.
  7. Poulle in Dictionary of Scientific Biography