Julius von Gierke
Julius von Gierke[1] (* 5. März 1875 in Breslau als Julius Karl Otto Gierke; † 2. August 1960 in Göttingen) war ein deutscher Rechtswissenschaftler, der sich vorrangig mit Handels- und Versicherungsrecht befasste.
Familie
BearbeitenJulius Gierke war ein Sohn des später geadelten Rechtshistorikers Otto Gierke und dessen Frau Lili, Tochter des Verlegers Karl Friedrich Loening und der Nanette Reinach. Er hatte mehrere Geschwister, seine ältere Schwester Nanna war Mitglied des Reichstags (MdR). Er selbst heiratete 1903 in Göttingen Eva Runge (* 1884; † 1962), Tochter der Else Stubenrauch und des Gynäkologen und kgl. preuß. Geheimen Med.-Rat Max Runge. Eva und Julius hatten acht Kinder.
Leben
BearbeitenNach dem Besuch des Gymnasiums in Breslau und als Zögling[2] der Ritterakademie in Dom Brandenburg studierte er ab 1894 an der Universität Heidelberg, wo er 1894[3] in die Burschenschaft Allemannia eintrat, und ab 1896 an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Rechtswissenschaften. Nach der Promotion 1898 in Berlin erfolgte 1901 seine Habilitation für Bürgerliches Recht an der Universität Göttingen.
Nach Tätigkeit als Privatdozent in Göttingen folgte er 1904 einem Ruf als außerordentlicher Professor an die Universität Königsberg (Nachfolge Rudolf His). Vier Jahre später erhielt er dort eine ordentliche Professur und war 1916/17 Rektor der Hochschule. Ab 1919 lehrte er an der Universität Halle (Nachfolge Paul Rehme) und wechselte schließlich 1925 nach Göttingen (Nachfolge Rudolf Müller-Erzbach).
Julius von Gierke galt als äußerst konservativ und wurde als Sohn des bedeutenden Juristen Otto von Gierke trotz seiner mütterlicherseits jüdischen Abstammung in der Zeit des Nationalsozialismus relativ milde behandelt. Als „Altbeamter“ konnte er zunächst nicht entlassen werden, verlor 1934 aber seine Mitgliedschaft in Prüfungsausschüssen. Gierke versuchte, sich den politischen Verhältnissen anzupassen, indem er die Weimarer Republik ablehnte und den Nationalsozialismus befürwortete. Schließlich musste er 1938 auf Druck des Ministeriums seine vorzeitige Emeritierung beantragen.[4] Er blieb in Göttingen und konnte weiterhin publizieren.
Am 9. Mai 1945 wurde er vom Göttinger Nachkriegsrektor Rudolf Smend wieder zum Mitglied der Universität ernannt, wo er bis kurz vor seinem Tod lehrte.[4]
Werk
BearbeitenJulius von Gierke prägte das Handelsrecht in entscheidenden Maße durch sein Lehrbuch „Handels- und Schiffahrtsrecht“ mit. In der deutschen Tradition des 19. Jahrhunderts hinsichtlich seiner Auffassung von Aufgaben und Stellung des Handelsrechts im Rechtssystem stehend, verfasste er bedeutende Beiträge für die „Zeitschrift für das Gesamte Handelsrecht und Konkursrecht“. Bereits 1907 gehörte er der Redaktion der Zeitschrift an und war von 1926 bis zu seinem Tode Mitherausgeber.
Bereits seit seiner Examensarbeit befasste sich von Gierke mit dem Versicherungsrecht. In seinem Werk „Versicherungsrecht“ (1937–1947) legte er die Erkenntnisse seiner grundlegenden Mitarbeit an diesem Rechtsgebiet in Deutschland dar. Mehr als fünfzig Jahre zählte er zu den angesehensten Wissenschaftlern in diesem Fach.
Literatur
Bearbeiten- Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Briefadeligen Häuser 1913 . 7. Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1912. (Erstaufnahme. Redaktion und Druck jeweils im Vorjahr).
- Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser 1940. Teil B. Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft (DAG). 32. Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1939, S. 191 f.
- Peter Koch: Gierke, Julius. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 373 f. (Digitalisat).
- Walter von Hueck, Friedrich Wilhelm Euler et al: Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser/ B (Briefadel/ nach 1400 nobilitiert) 1980, Band XIII, Band 73 der Gesamtreihe GHdA, Hrsg. Ausschuss für adelsrechtliche Fragen der deutschen Adelsverbände in Gemeinschaft mit dem Deutschen Adelsarchiv, C. A. Starke, Limburg/Lahn 1980, S. 85–87. ISSN 0435-2408
- Anikó Szabó: Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung. Göttinger Hochschullehrer im Schatten des Nationalsozialismus, mit einer biographischen Dokumentation der entlassenen und verfolgten Hochschullehrer: Universität Göttingen – TH Braunschweig – TH Hannover – Tierärztliche Hochschule Hannover (= Veröffentlichungen des Arbeitskreises Geschichte des Landes Niedersachsen (nach 1945). Band 15; Teil der: Anne-Frank-Shoah-Bibliothek), Wallstein Verlag, Göttingen 2000, ISBN 3-89244-381-5 (Zugleich Dissertation an der Universität Hannover 1998).
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Julius von Gierke im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag zu Julius von Gierke im Catalogus Professorum Halensis
- Julius von Gierke. Rektorate, Reden. In: Rektoratsreden im 19. und 20. Jahrhundert – Online-Bibliographie. Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Zur Familiengenealogie: 1910 bis dato. In: von-gierke.com, Hrsg. Jotto von Gierke, Nettetal. Stand am 1. August 2024.
- ↑ Otto Heine: Ritter-Akademie zu Brandenburg a. H. XXXVIII. Bericht über das Schuljahr von Ostern 1893 bis Ostern 1894. IV. Statistische Mitteilungen, Programm 1894. No. 68, Gustav Matthes, Brandenburg a. H. 1894, S. 21. Online
- ↑ Ernst Elsheimer (Hrsg.): Verzeichnis der Alten Burschenschafter nach dem Stande vom Wintersemester 1927/28. Frankfurt am Main 1928, S. 147 (Hebis/Uni Frankfurt Titelaufnahme).
- ↑ a b Anikó Szabó: Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung: Göttinger Hochschullehrer im Schatten des Nationalsozialismus. Mit einer biographischen Dokumentation der entlassenen und verfolgten Hochschullehrer. Wallstein Verlag, Göttingen 2000, S. 147–149. ISBN 3-89244-381-5. (Vorschau in der Google-Buchsuche).
Personendaten | |
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NAME | Gierke, Julius von |
ALTERNATIVNAMEN | Gierke, Julius Karl Otto (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Rechtswissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 5. März 1875 |
GEBURTSORT | Breslau |
STERBEDATUM | 2. August 1960 |
STERBEORT | Göttingen |