Jurij Panow

ukrainischer Bildhauer und Maler

Jurij Panow (ukrainisch Юрій Панов /russisch Юрий Панов; * 1922 in Charkow, Ukraine) ist ein Maler und Bildhauer, der als sogenannter „Sohn eines Volksfeindes“ – sein Vater, ein ukrainischer Schriftsteller, wurde 1937 von der NKWD erschossen – zunächst als junger Mann zur sowjetischen Armee nach Sibirien kam. Dort erhielt er wegen Karikaturen zehn Jahre Lagerhaft, anschließend wegen Widerworten bei seiner Entlassung fünf weitere Jahre Arbeitslager am Baikal, bis er unter Nikita Chruschtschow 1956 freikam und sein restliches Leben am Baikalsee im Dorf Bolschaja Retschka (auf Deutsch: Großes Flüsschen) blieb.

1922 kam Jurij Panow in Charkow in der Ukraine auf die Welt. Sein Vater, angesehener ukrainischer Schriftsteller, brachte ihn neben der heimischen und russischen Literatur auch mit den Werken vieler anderer Nationen in Berührung. Als sein Vater 1934 mit dem Vorwurf, „ukrainischer Nationalist“ und „Feind der Sowjetmacht“ zu sein, verhaftet wurde, stigmatisierte man Jurij als „Sohn eines Volksfeindes“. Nach zehn Jahren Schule kam er zur sowjetischen Armee in eine Spezialeinheit für ebensolche „Söhne von Volksfeinden“, eine Garnison tief in Sibirien unter besonderer Beobachtung des NKWD. Harmlose Skizzen, die Details aus dem Kasernenleben zeigten und die er Freunden schickte, wurden als Karikaturen aufgefasst – die Post wurde kontrolliert. Man stellte ihn wegen „antisowjetischer Agitation“ und „Verleumdung der Sowjetarmee“ vor Gericht, wo er im Alter von 19 Jahren zu zehn Jahren Zwangsarbeit und Lager in Sibirien verurteilt wurde. (Die „Beweismittel“, Briefe und Zeichnungen, sind von Journalisten aus Irkutsk in den dortigen Archiven des KGB (Nachfolgeorganisation des NKWD) in den Prozessakten gefunden worden.)

Nach der Rehabilitation 1956 unter Nikita Chruschtschow, der die Verbrechen Stalins anprangerte und alle politischen Gefangenen freiließ, versuchte Panow, in der Ukraine und in Kirgisien Arbeit zu finden. Da er dort aber stets mit dem Stigma eines ehemaligen Sträflings konfrontiert war, zog es ihn nach Sibirien zurück, wo sein Schicksal nichts Außergewöhnliches darstellt. Einer ersten Arbeit als Forstgehilfe folgten Abendkurse, und nach dem Technikum das Studium als Agraringenieur mit Spezialgebiet Holzwirtschaft.

Von Jurij Panow heißt es, dass er als Kind schon gern gezeichnet habe, sowohl mit der Feder als auch mit dem Bleistift. Während der Hochzeit der UdSSR malte er Plakate und Losungen für die staatliche Propaganda, zum Verkauf an die Behörden. Ölbilder und Aquarelle mit Landschaftsmotiven sowie Stillleben und Porträts malte er „zum Vergnügen“, bevor er zu schnitzen begann und alte Holzhäuser restaurierte. Seinen Lebensunterhalt verdient er heute nach wie vor auch mit Reklameschildern, aber ebenso mit dem Verkauf seiner Bilder und Skulpturen an Touristen.

Eine Gruppe von Skulpturen namens „Den Opfern des Terrors“, die drei Meter hohe Stelen mit Totenköpfen, Kreuzen, Pistolen, Ku-Klux-Klan-Masken, Folterwerkzeugen; Lenin- und Stalinporträts vor seinem Haus vereint, ist für ihn sein bedeutendstes Werk, begonnen 1986 zu Beginn der Gorbatschow-Ära. Eine jede Stele ist aus einem einzigen Baumstamm gefertigt. Mit ihnen zeigt er Symbole des Terrors, Täter und Opfer aus zwei Jahrtausenden. Klaus Bednarz, der ihn am Baikalsee in den 1990er Jahren besuchte, zitiert ihn dazu mit den Worten: „Der Terror begann vor zweitausend Jahren mit dem Entstehen der Weltreligionen. Seither bringen sich die Menschen im Namen der Religion oder aus Gründen der Ideologie um. Als sich das Christentum über die Erde ausbreitete, hat es allen das Heil, die Erlösung, Brüderlichkeit, Nächstenliebe und Abschaffung der Sklaverei versprochen. Später hat der Kommunismus das Gleiche versprochen. Im Namen des Christentums wurden die Menschen umgebracht und im Namen des Kommunismus. Das wollte ich zeigen.“[1]

Literatur

Bearbeiten
  • Klaus Bednarz: Ballade vom Baikalsee : Begegnungen mit Menschen und Landschaften. Erlebnisbericht, Europa-Verlag Berlin/München/Wien 1998, ISBN 3-203-75504-1.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Klaus Bednarz: Ballade vom Baikalsee: Begegnungen mit Menschen und Landschaften. Erlebnisbericht, in: Im Spiegel der Zeit. Reader’s Digest, 2001, S. 334.
Bearbeiten