Karl Pawlowski

deutscher evangelischer Theologe und diakonischer Unternehmer

Karl Pawlowski (* 9. April 1898 in Hagen; † 22. August 1964 in Bielefeld) war ein deutscher evangelischer Theologe und diakonischer Unternehmer in Bielefeld.

Pawlowski studierte Theologie in Marburg, Halle-Wittenberg und Bonn. 1919 trat er dem Marburger, später dem Hallenser und Bonner Wingolf bei. Von 1924 bis 1926 war er Hilfsprediger in der Kirchengemeinde Radbod (jetzt Bockum-Hövel). Seit 1926 leitete er das evangelische Jugend- und Wohlfahrtsamt Bielefeld. 1932 übernahm und sanierte er das Johannesstift in Bielefeld-Schildesche, dessen Vorsteher er bis 1964 war. 1939 war er in Bielefeld für das Büro Grüber tätig.[1]

Während des „Dritten Reiches“ war Pawlowski ein enger Vertrauter des westfälischen Präses Karl Koch und gehörte zum gemäßigten Flügel der Bekennenden Kirche. Von 1945 bis 1950 war er Bevollmächtigter und Geschäftsführer des Evangelischen Hilfswerks Westfalen, von 1946 bis 1950 zugleich Geschäftsführer des westfälischen Landesverbandes für Innere Mission. 1951 gründete er das Johanneswerk (jetzt Evangelisches Johanneswerk gGmbH) in Bielefeld. 1963 wurde ihm für seine Verdienste für „sein Lebenswerk zur Sicherung und Erhaltung des sozialen Friedens“ das Große Bundesverdienstkreuz verliehen.[2] Als Pawlowski 1964 verstarb, verfügte das Johanneswerk über rund 80 Einrichtungen, ca. 7000 Betten und Heimplätze und 1500 Mitarbeitende.

Pawlowski als „Friedensstifter“ bei Kriegsende

Pawlowski übernahm bei der Einnahme der „Festung“ Bielefeld durch amerikanische Truppen am 4. April 1945 eine entscheidende Rolle bei der Verhinderung weiteren Blutvergießens und weiterer Zerstörungen. Er fuhr auf seinem Fahrrad mit wehendem Talar und dem Kreuz in der Hand kampfbereite deutsche Abwehrstellungen ab, um sie zum Aufgeben zu bewegen: „Zieht man jetzt ab, der Kampf ist aus!“[3] Anschließend fuhr er den vorrückenden amerikanischen Einheiten entgegen, und informierte sie, dass er den deutschen Soldaten geraten habe, den Kampf aufzugeben. Die Einnahme der Stadt Bielefeld durch die Amerikaner vollzog sich daraufhin weitgehend unblutig, was in der regionalen Geschichtsschreibung als Pawlowskis Verdienst bewertet wird.[4]

Leistungen

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Karl Pawlowski entwarf 1938 ein Modell einer bewohnerorientierten stationären Altenhilfe, in dem er pädagogische Elemente der Jugendarbeit in ein Beschäftigungs- und Bildungskonzept für Altenheim-Bewohner einarbeitete.[5] Das Modell kann als Vorläufer moderner Altenbildung/Geragogik angesehen werden. Pawlowski gehörte zu den Gründern der Flüchtlingssiedlung Espelkamp. Dort errichtete er 1947/48 die erste Förderschule für Aussiedler-Kinder in Deutschland. 1950 gründete er eine der ersten psychosomatischen Fach-Kliniken West-Deutschlands (Klinik Wittgenstein in Bad Berleburg). Pawlowski betrieb erstmals konfessionelle Krankenhäuser ausschließlich mit „freien“ Krankenschwestern (Klinik Wittgenstein 1950, Ev. Krankenhaus Versmold 1956). Er errichtete 1957 das erste dreistufige Altenzentrum der Bundesrepublik, die Tersteegen-Wehme in Iserlohn.[6]

Ehrungen

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Todesanzeige des Jo­han­nes­werks Bie­le­feld
 
Todesanzeige der Heim­bau­ge­mein­schaft im Jo­han­nes­werk GmbH
  • 1952: Verdienstkreuz (Steckkreuz) der Bundesrepublik Deutschland
  • Großes Verdienstkreuz
  • In Bielefeld-Schildesche ist eine Straße nach Karl Pawlowski benannt. In Recklinghausen, Espelkamp und Bielefeld tragen Alten- und Pflegeeinrichtungen seinen Namen.

Literatur

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  • Gerald Schwalbach: „Der Kirche den Blick weiten!“ Karl Pawlowski (1898-1964) – diakonischer Unternehmer an den Grenzen von Kirche und Innerer Mission, Bielefeld 2012; ISBN 978-3-7858-0455-1
  • Gerald Schwalbach: „Größer und moderner als Bethel!“ – Das Johanneswerk in Bielefeld und die Leitvorstellungen seines Gründers Karl Pawlowski (1898-1964). In: Matthias Benad (Hrsg.): Friedrich v. Bodelschwingh d.J. und die Betheler Anstalten – Frömmigkeit und Weltgestaltung. Stuttgart etc. 1997, S. 207–213
  • Bärbel Thau: Karl Pawlowski (1898-1964). Ein Leben für den sozialen Frieden. In: Alfred Pothmann, Reimund Haas (Hrsg.): Christen an der Ruhr, Bd. 2, Bottrop etc. 2002, S. 128ff
  • Bärbel Thau: „Der Ortsverband für Innere Mission in Bielefeld – frühe Zentralisierung diakonischer Arbeit (1926-1945)“, in: Udo Krolzik (Hg.), Zukunft der Diakonie – Zwischen Kontinuität und Neubeginn, Bielefeld 1998, S. 163–170

Einzelnachweise

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  1. Gerald Schwalbach, "Der Kirche den Blick weiten" Karl Pawlowski (1898–1964) - diakonischer Unternehmer an den Grenzen von Kirche und Innerer Mission, Beiträge zur Westfälischen Kirchengeschichte Bd. 38, Bielefeld 2012, S. 206ff
  2. Zitiert nach: Gerald Schwalbach: „Der Kirche den Blick weiten!“ Karl Pawlowski (1989-1964) - diakonischer Unternehmer an den Grenzen von Kirche und Innerer Mission. Bielefeld 2012, S. 450.
  3. Zitiert nach: Pastor Pawlowski redete Soldaten gut zu. In: Neue Westfälische v. 3. April 1985, Pressearchiv der Neuen Westfälischen, Bielefeld.
  4. Hans-Jörg Kühne: Zwischen Krieg und Frieden. Bielefeld 1945 (= Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte Bd. 19). Bielefeld 2004, S. 24.
  5. Karl Pawlowski, Beschäftigungsmöglichkeiten für die Alten und Siechen. In: Die Innere Mission, Monatsblatt des Central-Ausschusses für die Innere Mission der Deutschen Evangelischen Kirche, 34. Jahrgang 1939, Wichern-Verlag Berlin-Spandau, S. 9ff.
  6. Gerald Schwalbach: „Der Kirche den Blick weiten!“ Karl Pawlowski (1989-1964) - diakonischer Unternehmer an den Grenzen von Kirche und Innerer Mission. Bielefeld 2012, S. 457f.