Das Kernkraftwerk Żarnowiec (polnisch Elektrownia Jądrowa Żarnowiec) beim Dorf Zarnowitz sollte das erste Kernkraftwerk in Polen werden. Es sollten vier Reaktoren vom Typ WWER-440/213 gebaut werden. Wegen Protesten wurde das Projekt in den 1990er-Jahren aufgegeben.

Kernkraftwerk Żarnowiec
Die Bauruine des Kernkraftwerks
Die Bauruine des Kernkraftwerks
Lage
Kernkraftwerk Żarnowiec (Pommern)
Kernkraftwerk Żarnowiec (Pommern)
Koordinaten 54° 44′ 36″ N, 18° 5′ 24″ OKoordinaten: 54° 44′ 36″ N, 18° 5′ 24″ O
Land Polen Polen
Daten
Eigentümer Nuclear Power Plant Zarnowiec
Betreiber Nuclear Power Plant Zarnowiec
Projektbeginn 1972

Bau eingestellt (Brutto)

4  (1860 MW)
Stand 8. Mai 2008
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Am Standort war auch nach Aufgabe der ursprünglichen Pläne bis in die 2020er hinein der Bau von ein bis zwei Reaktorblöcken bis zum Jahr 2033 vorgesehen.[1][2] 2022 gab die polnische Regierung bekannt, die US-Firma Westinghouse sei für den Bau eines ersten AP1000-Reaktors im ca. 10 km südwestlich gelegenen Choczewo vorgesehen. Dieser erste polnische Atomreaktor soll 2033 den Betrieb aufnehmen. Nach den Plänen der Regierung Morawiecki sollen in zwei Baulosen Reaktoren mit einer elektrischen Leistung zwischen 6 und 9 GW gebaut werden. Gemessen an den Dimensionen des AP1000 würde das den Bau von mindestens sechs Reaktoren in zwei Tranchen bedeuten. Details zu den Verträgen sind (Stand 29.10.22) noch nicht bekannt.[3][4]

Geschichte

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Das Projekt wurde 1972 von der polnischen Regierung begonnen. Die Reaktoren sowjetischer Bauart wurden von Škoda gebaut, die Turbosätze und Generatoren wurden von polnischen Betrieben hergestellt.[5] 1980 wurde eine Eisenbahnlinie nach Żarnowiec gebaut. Der Bau des Kraftwerkes begann 1982 etwa 50 Kilometer nordwestlich von Danzig nahe dem Dorf Żarnowiec am See Jezioro Żarnowieckie. Geplant waren vier WWER-440/213. Das Kernkraftwerk sollte eine Gesamtleistung von 1860 MW haben.

Nach der Katastrophe von Tschernobyl wuchs der Widerstand gegen das Projekt. Nach der politischen Wende 1989 – es entstand die Dritte Polnische Republik – wurde massiv gegen das Kraftwerk protestiert und auf Sicherheitsmängel hingewiesen. Die Regierung stoppte das Projekt 1989 und unterzog es einer Überprüfung. Neuere Forschungsergebnisse zeigten, dass die Abwärme aus dem Kraftwerk das Wasser im See um über 10 °C erwärmt hätte und dies ökologische Schäden verursacht hätte. Im Jahr 1990 wurde das Projekt aufgegeben. Der Minister für Wirtschaft bezeichnete das Kraftwerk als überflüssig, es seien genug Kapazitäten innerhalb Polens vorhanden. Ein wesentlicher Faktor war ein Referendum in der Woiwodschaft Danzig am 27. Mai 1990. Das Ergebnis fiel wie folgt aus:

  • 44,3 % der Bürger nahmen teil
  • 13,9 % der Abstimmenden waren für die Fertigstellung
  • 86,1 % der Abstimmenden waren gegen einen Weiterbau[6]

Die Wahlbeteiligung für ein rechtskräftiges Referendum war zu niedrig. Trotzdem entschied sich die Regierung gegen eine Fertigstellung.[7] Darauf wurden auch die Planungen für ein zweites polnisches Kernkraftwerk aufgegeben; diese wurden später wiederaufgenommen.[8]

Schätzungen zufolge waren in den Bau der Anlage umgerechnet zwei Mrd. US-Dollar investiert worden.[9]

Gegenwart

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Reaktordruckbehälter für den vierten Block beim Hersteller in Pilsen (2023)

Die unvollendeten Gebäude beginnen zu zerfallen. Für die beiden Reaktoren fand man Verwendungen:

  • einer wurde 1994 an das Kernkraftwerk Loviisa (Finnland) verkauft[10][11],
  • der andere steht heute im Center for Nuclear Studies in Paks (Ungarn).
  • der Reaktordruckbehälter für den vierten Block steht auf dem Werksgelände von Škoda JS in Pilsen. Der Behälter wurde nicht abgeholt. Der Behälter für den dritten Block wurde für Materialtests verwendet und dabei beschädigt.

Heute sind der See und seine Umgebung ein Naturschutzgebiet. Viele seltene Tierarten leben hier. An dem See arbeitet das Pumpspeicherkraftwerk Żarnowiec.[5]

 
Bauruine des Kraftwerks
 
Bauruine

Pläne für die Zukunft

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Mit wachsender Nachfrage nach Elektrizität und der Stilllegung des Kernkraftwerks Ignalina in Litauen am 31. Dezember 2009 wuchs die Umweltverschmutzung durch fossile Kraftwerke (in Polen vor allem Kohlekraftwerke).

2004 verabschiedete die Regierung langfristige Pläne für den Bau eines Kernkraftwerkes im Jahre 2020.

Nachdem Donald Tusk im November 2007 Premierminister geworden war, beschloss seine Regierung, bis 2025 zwei neue Kernkraftwerke fertigzustellen, dies sollte Teil eines Energie-Aktionsplans sein, der anstrebte, Polens Abhängigkeit von Kohle zu vermindern.[12] Im Januar 2010 gab Tusk bekannt, man stehe mit Frankreich und Südkorea in Verhandlungen über die Lieferung moderner Reaktortechnik.[13] Die polnische Regierung hat im März 2010 eine Rangliste von 27 potentiellen Standorten für Kernkraftwerke erstellt.[14] Als bester Standort wurde weiterhin Żarnowiec angesehen. Im Sommer 2010 gab die Regierung bekannt, das erste Atomkraftwerk solle 2022 in Betrieb gehen, das zweite 2023.[15][16]

Am 16. Mai 2011 wurde der Neubau mit 404 Stimmen und nur zwei Gegenstimmen sowie einer Enthaltung im polnischen Parlament beschlossen.[17] Die Inbetriebnahme des ersten Blocks wurde mehrmals verschoben, zunächst auf die Jahre 2027 bis 2029, dann auf das Jahr 2031.[18] April 2018 wurde von einer Inbetriebnahme nicht vor 2040 ausgegangen, während weiterhin kein endgültiger Standort feststand.[19][1][2]

Daten der geplanten Reaktoren

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Reaktorblock Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Anfang
Projektplanung
Baubeginn Projekt-
einstellung
Żarnowiec-1 WWER-440/213 440 MW 465 MW 1972 01.01.1983 04.09.1990
Żarnowiec-2
Żarnowiec-3
Żarnowiec-4

Daten der geplanten Reaktoren, die möglicherweise 2033 in Betrieb gehen, sind noch nicht bekannt. (Stand 2021)

Siehe auch

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Commons: Kernkraftwerk Żarnowiec – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Polen plant Bau von Atomkraftwerken: Wie gefährlich ist das für Deutschland?, auf rnd.de, abgerufen am 9. Juni 2021.
  2. a b Polens AKW-Pläne machen Deutschland Sorgen, auf w.com, abgerufen am 9. Juni 2021.
  3. tagesschau.de: Polen lässt erstes AKW von US-Firma bauen. Abgerufen am 29. Oktober 2022.
  4. Reuters: Poland picks U.S. offer for its first nuclear power plant -PM. In: Reuters. 29. Oktober 2022 (reuters.com [abgerufen am 29. Oktober 2022]).
  5. a b Kalendarium budowy elektrowni jądrowej w Żarnowcu, czyli... jak straciliśmy swoją szansę? (Memento vom 1. Oktober 2006 im Internet Archive) (polnisch), auf gigawat.net.pl
  6. Ilona Kordulska, Zanim wejdziesz na drzewo. Poradnik prawny obrońcy środowiska, Krakau 1999: Rozdział IV wybrane przykłady udziału społeczeństwa w ochronie środowiska (polnisch)
  7. Przesłanki decyzji w przedmiocie likwidacji Elektrowni Jądrowej Żarnowiec., (polnisch), auf syryjczyk.krakow.pl
  8. freiepresse.de: @1@2Vorlage:Toter Link/www.freiepresse.deGrüne beklagen schwere Fehler beim polnischen Atomprogramm (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)
  9. faz.net: Das kurze polnische Atomzeitalter vom 1. Oktober 2008
  10. Transport of the nuclear reactor from Żarnowiec to the port of Loviisa. In: www.port-consultants.com. Abgerufen am 31. Dezember 2018.
  11. Simon Rippon: Doing it right: The Loviisa way. In: NUCLEAR NEWS. Oktober 1999, abgerufen am 31. Dezember 2018 (englisch).
  12. Polen setzt auf Kernenergie um Abhängigkeit von Kohle zu mindern (Memento vom 9. Februar 2009 im Internet Archive), auf euractiv.com
  13. Polen setzt auf Atomenergie, Das Polen Magazin vom 15. Januar 2009
  14. @1@2Vorlage:Toter Link/www.aflum.deDas AKW-Standort-Ranking vom 16. März 2010 in Polen (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven) (polnisches Original: Lokalizacja elektrowni jądrowej w Polsce (Memento vom 3. August 2010 im Internet Archive))
  15. Platts, 11. Juni 2010: Legal, workforce voids may slow Poland's nuclear plants: experts (Memento vom 7. September 2012 im Webarchiv archive.today)
  16. Platts, 13. August 2010: Poland delays nuclear plant schedule (Memento vom 10. September 2012 im Webarchiv archive.today), auf platts.com
  17. Polish parliament clear ways for nuclear plant (en)
  18. Atomówka znowu opóźniona, dociekliwy poseł poza listą PO (polnisch)
  19. NDR.de: Polens Atompläne stocken vom 30. April 2018